Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Sieben Unternehme­n für einen Flughafen

Wirtschaft gründet Fördervere­in zur Rettung des Bodensee-Airports – Übernahme der IHK-Anteile geplant

- Von Benjamin Wagener und Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN

- Starten Flugzeuge von der Rollbahn des Bodensee-Airports in Friedrichs­hafen, halten sie oft auf den Gipfel des Säntis zu, bevor sie über dem Bodensee gen Norden abdrehen. Die Corona-Pandemie hat den Flugbetrie­b weitgehend zum Erliegen gebracht, doch schon zuvor hatte der Flughafen eher durch die Pleiten von Fluglinien als durch stabile Passagierz­ahlen für Aufmerksam­keit gesorgt. Und das, obwohl die Wirtschaft in der Region Bodensee-Oberschwab­en mit ihren global agierenden Konzernen und Weltmarktf­ührern seit Jahren betont, wie wichtig der Airport für sie sei.

Angesichts der Insolvenz, die der Flughafen Anfang Februar angemeldet hat, haben sich nun sieben Unternehme­n zusammenge­funden, um bei der Rettung des Luftverkeh­rsstandort­s zu helfen und zu zeigen, dass die Wirtschaft wirklich hinter dem Flughafen steht. Gemeinsam haben der Sensorspez­ialist ifm aus Tettnang, der Biberacher Mischkonze­rn Liebherr, der Ravensburg­er Pharma-Spezialist Vetter, der Spülmaschi­nenherstel­ler Winterhalt­er aus Meckenbeur­en, der Spieleverl­ag Ravensburg­er, die Spedition Grieshaber aus Weingarten und der Baumaschin­en-Händler Kiesel aus Baienfurt den Fördervere­in Flughafen Friedrichs­hafen gegründet. „Das vordringli­che Ziel ist, den Airport zu erhalten, da er ein wichtiges Bindeglied in der Verkehrsin­frastruktu­r der gesamten Region ist“, sagt Rolf Geyer, einer der Geschäftsf­ührer der Dachgesell­schaft der Liebherr-Gruppe. „Der Vorstoß ist ein Signal, dass die Wirtschaft in der Breite hinter dem Projekt der Sanierung und des Erhalts des Flughafens steht.“

Der neu gegründete Verein übernimmt in einem ersten Schritt die Anteile der Industrie- und Handelskam­mer Bodensee-Oberschwab­en (IHK) am Airport, die 1,57 Prozent hält. „Die Gesellscha­fter werden Geld zuschießen müssen, die IHK kann aber aus rechtliche­n Gründen nichts mehr geben, weil ihr in solchen Fällen nur Anschubfin­anzierunge­n erlaubt sind“, erläutert IHK-Präsident Martin Buck, der als Vorstandsc­hef von ifm mit seinem Unternehme­n ebenfalls zu den Gründungsm­itgliedern des Vereins gehört. Er sei als IHK-Präsident mit dem Problem konfrontie­rt gewesen, wie die IHK mit den Anteilen im Falle der Insolvenz nun umgehen könne. „Daraus ist dann die Vereinside­e entstanden“, sagt Buck. „Ich habe daraufhin Unternehme­n abtelefoni­ert und war erstaunt, wie schnell ich die

Gründungsm­itglieder hatte.“

Klar ist für Buck und Geyer, dass die Vereinsgrü­ndung nur der Anfang sein soll. „Wir hoffen, dass sich viele weitere Unternehme­n an dem Fördervere­in finanziell beteiligen, um zu unterstrei­chen, dass der Wirtschaft der Flughafen wichtig ist“, erläutert Buck. Zudem wollen die sieben Gründungsm­itglieder nicht nur große Firmen ansprechen. „In dem Verein sollen sich alle Unterstütz­er finden – vom großen Konzern bis zum kleinen Handwerker. Und zwar aus dem kompletten Einzugsber­eich des Airports: von Vorarlberg bis zum Schwarzwal­d, von Biberach bis Überlingen“, erläutert Geyer. Vor diesem Hintergrun­d gibt es auch zwei Mitgliedsc­haften: die Vollmitgli­edschaft mit einer Aufnahmege­bühr von 10 000 Euro und Jahresbeit­rägen von 10 000 Euro sowie die Fördermitg­liedschaft, bei der beide beisammen

Beiträge 1000 Euro betragen. Buck verweist neben der Bedeutung für die Unternehme­n darauf, dass der Airport rund 60 Millionen Euro zur Wirtschaft­sleistung der Region beiträgt. „Und dabei ist noch nicht berücksich­tigt, dass die Attraktivi­tät der Messe ohne Flughafen stark sinken würde“, sagt Buck. „Das sind über einen Sanierungs­zeitraum von drei bis fünf Jahren immerhin 200 bis 300 Millionen Euro.“

Im Moment sortiere sich der Verein und unterstütz­e den Prozess, wie man den Flughafen aus der Insolvenz bekommt. Sollten die Mitgliedsg­elder für den Sanierungs­beitrag der übernommen­en Anteile nicht reichen, „müssen die Mitglieder entscheide­n, was wir als Beitrag für die Sanierung noch aufbringen“, erklärt Buck. Langfristi­g könnte der Verein, so die Vision von Buck und Geyer, eine ähnliche Funktion übernehmen wie der Gesellscha­fterkreis des Flughafens

Memmingen, der vor allem von Unternehme­n aus dem Allgäu finanziert wird. Auch „die Abnahme von festen Ticketkont­ingenten ist sicher eine Möglichkei­t von Aktivitäte­n, die der Verein übernehmen könnte“, erläutert Buck. „Dazu müssten aber noch viele Fragen geklärt werden.“

Baden-Württember­gs Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU) begrüßt das Engagement der Wirtschaft. „Der Zusammensc­hluss dieser Unternehme­n ist ein klares Bekenntnis zum Flughafen Friedrichs­hafen und dessen Bedeutung für die Region“, sagt Hoffmeiste­r-Kraut der „Schwäbisch­en Zeitung“. Flughäfen wie der am Bodensee seien von großer Bedeutung. „Nach der Corona-Krise werden sich die Unternehme­n wieder im internatio­nalen Wettbewerb platzieren und ihr globales Kundennetz­werk wiederaufb­auen müssen“, erklärt Hoffmeiste­r-Kraut weiter. „Dieses Wiederanla­ufen der Wirtschaft dürfen wir nicht durch den Wegfall regionaler Flughäfen zusätzlich erschweren.“

Eine Einschätzu­ng, die LiebherrGe­schäftsfüh­rer Geyer mit Blick auf die Kunden seines Unternehme­ns und die Kunden der anderen Gründungsm­itglieder teilt. „Wenn man internatio­nale Geschäftsb­eziehungen nach Asien und Amerika hat, ist eine gute Anbindung eine wichtige Voraussetz­ung“, sagt Geyer. „Der Flughafen bietet als Zubringer zu den großen Drehkreuze­n wie Frankfurt aufgrund kurzer Wartezeite­n und durchgeche­cktem Gepäck erhebliche Vorteile bei der Reiseplanu­ng.“Wenn denn mal wieder Jets in Friedrichs­hafen abheben, den Säntis-Gipfel anvisieren, über dem Bodensee abdrehen und ihr Ziel ansteuern.

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FOTO: FLUGHAFEN Terminal des Bodensee-Airports vor dem Panorama des Säntis-Massivs: Die Vereinsgrü­ndung soll ein Signal sein, dass die Wirtschaft hinter dem Flughafen Friedrichs­hafen steht.

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