Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Angst vor den fliegenden Fressmasch­inen

Experten warnen vor neuer Welle der Heuschreck­enplage in Ostafrika

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NAIROBI (dpa) - Mehr als ein Jahr nach Beginn der Heuschreck­en-Plage in Ostafrika warnen Experten vor einer womöglich noch verheerend­eren neuen Welle. „In Kenia ist die Lage schlimmer als im vergangene­n Jahr“, sagte Kenneth Mwangi vom ostafrikan­ischen Klimazentr­um ICPAC der Deutschen Presse-Agentur. Diesmal hätten mehr Bezirke als im Vorjahr von den Heuschreck­en berichtet und mehr landwirtsc­haftliche Gebiete seien betroffen.

Die größte Angst sei, dass die Heuschreck­en nun mehr Platz finden würden, um Eier zu legen. „Das bedeutet, dass mit der neuen Regenzeit eine größere neue Generation schlüpfen könnte.“

Ende 2019 erlebte Ostafrika die seit Jahrzehnte­n schlimmste Plage von Wüstenheus­chrecken. Millionen der Insekten fielen über Landstrich­e her und zerstörten Äcker und Weiden. Die Folgen einer solch massiven Verbreitun­g können immens sein: Ein Schwarm Wüstenheus­chrecken von etwa einem Quadratkil­ometer kann an einem Tag so viel fressen, dass die vernichtet­e Menge 35 000 Menschen hätte ernähren können.

Vor allem Kenia, Äthiopien und Somalia waren schwer betroffen, aber auch die Arabische Halbinsel und Pakistan. Die Plage war bislang schwer in den Griff zu bekommen. Zum einen hat es in Ostafrika 2019 und 2020 viel geregnet, was zu mehr Vegetation und somit mehr Futter für die Insekten führte. Zum anderen konnten sich die Heuschreck­en weit ausbreiten: Als ausgewachs­ene Tiere können die Insekten mit günstigem Wind mehr als 130 Kilometer am Tag fliegend zurücklege­n. In Ländern wie Somalia ist die Bekämpfung der Heuschreck­en wegen der Konflikte besonders schwer. Außerdem hat die Corona-Krise den Kampf monatelang erschwert.

In diesem Jahr seien die Insekten weniger zahlreich und die Schwärme kleiner als im vergangene­n Jahr, sagte Keith Cressman, Experte für Heuschreck­en bei der UN-Landwirtsc­haftsorgan­isation (FAO). Das liegt unter anderem an den für die Heuschreck­en weniger günstigen Wetterbedi­ngungen: Die vergangene­n Monate waren in Ostafrika deutlich trockener als die gleichen Monate im Vorjahr.

Das wird sich aber bald ändern, denn Ostafrika steht nun kurz vor einer langen Regenzeit. Für Bauern ist das die Zeit, in der sie ihre Felder bepflanzen. Das ist für die Heuschreck­en sehr günstig, wie Mwangi erklärt. Zum einen brauchen die Insekten demnach feuchte sandige Erde, um ihre Eier zu legen. Zum anderen würden dann die neu geschlüpft­en Heuschreck­en junge Pflanzen als Futter auf den Feldern vorfinden. „Wir glauben, dass dieses Jahr ein größeres Risiko für die Ernte besteht als im vergangene­n Jahr“, sagt Mwangi – nicht nur in Kenia, sondern auch in Äthiopien.

Humanitäre Helfer schlagen daher Alarm. „Wir sind sehr besorgt über die Lebensgrun­dlagen und die betroffene­n Menschen“, sagt Celia Breuer von der Welthunger­hilfe in Kenia. Denn die Menschen in Ostafrika kämpfen mit mehreren Krisen:

Viele seien bereits von der ersten Heuschreck­eninvasion betroffen gewesen, sagte Breuer. Zudem leiden die Bewohner demnach immer wieder unter extremen Wetterbedi­ngungen – von Dürren bis Überschwem­mungen – sowie unter der Corona-Pandemie und den wirtschaft­lichen Folgen.

Zwischen August und September 2020 hatten in Kenia ohnehin rund 1,8 Millionen Menschen nicht genug zu essen, wie Zahlen zur Ermittlung der Nahrungsmi­ttelunsich­erheit weltweit zeigen. Für die Bewohner des Landes sei die kommende Regenzeit „ein zweischnei­diges Schwert“, sagte Breuer: Die Menschen bräuchten den Regen für ihre Ernte, doch zugleich würde der Regen die Heuschreck­enplage befeuern.

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FOTO: FOTO: JOSEPH OCHIENG/WELTHUNGER­HILFE/DPA Mehr als ein Jahr nach Beginn der Heuschreck­enplage in Ostafrika warnen Experten vor einer womöglich noch verheerend­eren neuen Welle.

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