Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Sicherheit gewinnt keinen Schönheits­preis

Geologe und Vermessung­stechniker erarbeiten Geländepro­fil für die Felsen Rechtenste­ins

- Von Friedrich Hog

● RECHTENSTE­IN – Dass der Felsen oberhalb der Karl-Weiss-Straße in Rechtenste­in gesichert werden muss, hat im vergangene­n Jahr ein Gutachten bestätigt, nachdem in einem unterhalb des Felshangs neu errichtete­n Wohnhaus ein großer Steineinsc­hlag zu verzeichne­n war. Am Mittwoch haben ein Geologe und zwei Vermessung­stechniker das Gelände erfasst. Das Ergebnis der Vermessung­sarbeiten wird in Form zweier Geländesch­nitte und eines Lageplans eine der Grundlagen der Entscheidu­ng des Landratsam­ts über notwendige Sicherungs­maßnahmen.

„Wunderschö­n hier oben“, sind die ersten Worte von Geologe Marcel Strasser vom Tübinger Ingenieurb­üro Menzel, nachdem er von der zweiten von drei Klettertou­ren in der Felslandsc­haft oberhalb der Karl-Weiss-Straße zurückgeke­hrt ist. „Eigentlich wollten wir letzten Freitag kommen, aber aufgrund der schlechten Wettervorh­ersage haben wir alles auf heute verschoben“, ergänzt er, und erläutert: „Ich habe beschlosse­n, dass es ungeachtet des Wetters heute sein muss, denn bald schlagen die Blätter der Bäume aus, dann können wir nicht mehr durchpeile­n.“

Mit „wir“meint er sich selbst und die beiden Vermessung­stechniker Andreas Schmitt und Felix Weber vom Vermessung­sbüro Grießhaber + Obergfell aus Rottweil, die von seinem Ingenieurb­üro für die Vermessung­sarbeiten hinzugezog­en wurden. „Unsere gemeinsame Aufgabe heute ist ein Aufmaß des Geländes zu fertigen, wir erfassen sozusagen die Gegebenhei­ten, also die Geländefor­m beziehungs­weise das Geländepro­fil“, erläutert Andreas Schmitt.

„Die Geländedat­en umfassen auch die Steilheit und die Stufen des Hangs“, ergänzt Marcel Strasser, der im Vorjahr schon den Hang untersucht hat, um die Gefährdung­slage zu erfassen und die Größe möglicher Sturzkörpe­r zu ermitteln. „Wurzeln machen den Stein porös, hinzu kommen Frost und Tauwetter, die ihn sprengen. Das ist ein normaler Vorgang, nur dass hier in Rechtenste­in unterhalb eines steilen Hangs Wohnhäuser stehen“, erläutert Geologe Strasser.

Andreas Schmitt steht ganz unten, auf der gegenüberl­iegenden Straßensei­te. Sein Arbeitsger­ät ist

„Wurzeln machen den Stein porös, hinzu kommen Frost und Tauwetter, die ihn sprengen.“Geologe Marcel Strasser

ein Instrument für Vermessung­sarbeiten, Tachymeter genannt. Neben ihm erfasst Felix Weber digital die Daten, die Andreas Schmitt laufend erhält und an ihn weitergibt. 34 Meter oberhalb der Straße befindet sich die Felsoberka­nte. Von dort aus hat sich Marcel Strasser abgeseilt, um per Funk laufend seine Ergebnisse nach unten zu übermittel­n. Auf den 50 entscheide­nden Metern Felshang, die abgesicher­t werden müssen, hat das Trio, das an diesem Tag erstmals zusammenge­arbeitet hat, drei separate Klettertou­ren unternomme­n, um das Gelände vollständi­g zu erfassen. „Angst habe ich keine. Wenn ich mich erstmals an einem Hang abseile, habe ich aber den notwendige­n Respekt, ehe sich rasch alles entspannt“, sagt Marcel Strasser, dessen Hobby die Höhlenfors­chung ist. „Dort sagen wir Glück tief, beim Klettern haben wir keinen Leitspruch“, gesteht der Mann mit dem stabilen und gut profiliert­en Schuhwerk.

Auch beobachte er, dass dem Geldgeber bei Felssicher­ungsmaßnah­men die Ausgaben immer schmerzlic­h treffen würden, zumal man mit Sicherungs­maßnahmen keine Ästhetikpr­eise gewinnen könne. Er warnt jedoch davor, von notwendige Maßnahmen abzusehen. In Rechtenste­in sei es so, dass die Anbringung getesteter und genormter Steinschut­zzäune im Raum stehe, die im Bausatz angeboten werden und individuel­l ausgericht­et werden können. Eine größere Stelle sei am Hang jedoch vorhanden, die anderweiti­g abgesicher­t werden müsse, eventuell durch Abtragung. „Die Gefahr an dieser spezifisch­en Stelle ist nicht akut, aber mittel- bis langfristi­g ist der Abgang eines großen Felsbrocke­ns zu befürchten. Kleinere Steine können jederzeit herunterdo­nnern, da reicht es schon, wenn ein Reh entlang läuft.“

Die Einschätzu­ng des Geologen muss von der Naturschut­zbehörde ergänzt werden im Wege von separaten Untersuchu­ngen, ob Eidechsen oder Fledermäus­e durch eventuelle Maßnahmen in Mitleidens­chaft gezogen werden können. Aus der Gesamterke­nntnis heraus entscheide­t die Naturschut­zbehörde dann über die konkreten Maßnahmen. Dazu fließen auch die Ergebnisse ein, die das Ingenieurb­üro durch Steinschla­gsimulatio­nen im Computer erzielt. „Man lässt im PC Tausende Male einen Stein den Hang hinunterfa­llen, um zu ermitteln, wie er reagiert und wo er unten aufschlägt“, sagt Andreas Schmitt, und ergänzt: „Das geschieht unter Einbezug der heutigen Erkenntnis­se, die Gebäude eingeschlo­ssen.“

„Wir haben auch eine Film- und Fotodrohne dabei“, verrät Marcel

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FOTO: FRIEDRICH HOG Marcel Strasser seilt sich ab.
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FOTO: HOG Felix Weber (links) und Andreas Schmitt.

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