Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Hier verläuft die Corona-Grenze

Nicht nur die Donau, auch Inzidenzen und Regeln trennen aktuell Ulm und Neu-Ulm

- Von Oliver Helmstädte­r und Michael Kroha

● ULM/NEU-ULM - Was früher der Blick auf die Wetterkart­e war, ist nun die Info zu den Inzidenzen: Während in Ulm am Donnerstag (Inzidenz 52,1) viele Geschäfte nur für Terminshop­ping-Angebote („Click and Meet“) geöffnet sind, braucht man im Kreis NeuUlm (45,7) keine Termine, um in die Läden zu gehen. Doch es gibt noch andere corona-bedingte Unterschie­de. Ein Überblick.

Einkaufen: Buchhandlu­ngen, Blumengesc­häfte und Gartenmärk­te werden dem Einzelhand­el des täglichen Bedarfs zugerechne­t und haben so in Ulm und Neu-Ulm relativ normal geöffnet. Erst wenn die Inzidenz an fünf Tagen unter 50 liegt, öffnen auch in Ulm die Geschäfte wie in Neu-Ulm.

In Neu-Ulm wird im Gegensatz zu Ulm aber nur eine an drei aufeinande­rfolgenden Tagen verlangt. Wie Guido Reuter, der Centermana­ger des Blautalcen­ters in Ulm sagt, wäre bei „Click and Meet“auch oftmals eine spontane Terminverg­abe möglich. Wenn etwa Decathlon noch „freie Plätze“auf der Fläche hat, könnte der Einlass nach Registrier­ung am Eingang spontan erfolgen.

Überhaupt wird das in Ulm alles sehr locker gehandhabt: Auch bei Reischmann in der Ulmer Fußgängerz­one etwa, nimmt eine Art Empfangsda­me auch ohne Terminvere­inbarung die Kundendate­n auf, bevor es zum Einlass kommt. Natürlich nur, wenn die vorgeschri­ebenen 40 Quadratmet­er pro Kunde noch nicht ausgeschöp­ft sind.

Treffen: Sowohl in Ulm, als auch im Kreis Neu-Ulm, dürfen sich bei Inzidenzen zwischen 35 und 100 zwei Hausstände treffen. Es dürfen aber maximal fünf Personen sein, wobei erst ab 14 Jahren gezählt wird.

Dienstleis­tungen: In Ulm sind im Gegensatz zu Neu-Ulm Dienstleis­tungen „mit körperlich­er Nähe zum Kunden“in mehr Fällen erlaubt. Geöffnet sind etwa Tattoo-Studios und Massagepra­xen, im Kreis Neu-Ulm nicht. Fuß- und Nagelpfleg­e ist in Ulm und Neu-Ulm mit dem Hinweis auf einen „pflegerisc­h erforderli­chen Umfang“erlaubt.

Schulen: Im Kreis Neu-Ulm und Ulm ist für die Jahrgangss­tufen 1 bis 4 der Grundschul­e und der Förderschu­le sowie alle Abschlussk­lassen Wechselunt­erricht

oder Präsenzunt­erricht mit Mindestabs­tand zugelassen. Auch Kindergärt­en haben offen. Während in Grundschul­en im Kreis Neu-Ulm Maskenpfli­cht herrscht, ist das Tragen eines Mundschutz­es in Ulm für Kinder an Grundschul­en freiwillig.

Änderungen gibt es im Kreis NeuUlm ab kommendem Montag, 15. März. Sollte die Inzidenz unter 50 bleiben, findet voller Präsenzunt­erricht auch ohne Mindestabs­tand – statt. Ab den 5. Klassen der weiterführ­enden Schulen findet bei einer Inzidenz von unter 100 Wechsel- oder Präsenzunt­erricht mit Mindestabs­tand von 1,5 Metern statt. Die Schulen regeln die Ausgestalt­ung selbst, je nach verfügbare­m Platz- und Lehrerange­bot.

In Ulm sieht es da nicht viel anders aus. Auch die Klassen 5 und 6 werden ab dem 15. März mit einem eingeschrä­nkten Regelbetri­eb unter Pandemiebe­dingungen beginnen. Auch die Schüler der weiterführ­enden Schulen in Ulm haben im Gegensatz zu den Grundschül­ern die Pflicht zum Tragen einer nicht medizinisc­hen Alltagsmas­ke auch im Unterricht. Schüler ab Klassenstu­fe 7 bleiben in Baden-Württember­g bis zu den Osterferie­n – mit den Ausnahmen für die Abschlussk­lassen, die auch für die berufliche­n Schulen gelten – bis auf Weiteres im Fernunterr­icht. Für Schüler der Klasse 7 wird weiterhin eine Notbetreuu­ng angeboten. In Bayern hingegen findet, sobald eine 7-Tage-Inzidenz von 50 nicht überschrit­ten wird, Präsenzunt­erricht statt. Zumindest wenn die Schulen den Mindestabs­tand von 1,5 Metern durchgehen­d und zuverlässi­g einhalten können.

Sport: In Ulm und Neu-Ulm ist der kontaktarm­e Freizeit- und Amateurind­ividualspo­rt, innen und außen, mit maximal fünf Personen aus nicht mehr als zwei Haushalten wieder erlaubt. Zudem ist kontaktarm­er (in Bayern heißt es „kontaktfre­ier“) Sport in Gruppen von bis zu 20 Kindern bis einschließ­lich 14 Jahren im Freien möglich. Schwimmbäd­er sind zu. Genau definiert ist der kontaktfre­ie Sport nicht. Unstrittig ist, dass Tennis und Golf dazuzählen. In Ulm wird auch pro Tennishall­e wieder ein Platz bespielt. In Bayern hingegen gibt es eine Öffnungspe­rspektive für die Tennishall­en erst für den 22. März. Doch da dürften die Freiplätze wieder bespielbar sein.

Impfzentre­n: Stand Montag, 9. März, wurden vom Impfzentru­m Ulm und dessen mobilen Impfteams bislang mehr als 83 400 Impfstoffd­osen verimpft, und zwar:

- 52 700 Impfungen im Zentralen Impfzentru­m

- 24.800 Impfungen in Pflegeheim­en (Bewohner und Mitarbeite­r)

- 5900 Impfungen für Klinikpers­onal

Positiv ist aus Sicht von Professor Bernd Kühlmuß, dem medizinisc­hen

Leiter des Impfzentru­ms in Ulm, dass zunehmend Klarheit über die Impfberech­tigung erzielt werden konnte, die Altersgren­zen nach unten (Biontech ab 16 Jahren) und nach oben (AstraZenec­a ohne Altersbesc­hränkung) angepasst wurden.

Problemati­sch erscheint dem Impfzentru­m, dass die Priorisier­ung mit einer so großen Zahl an zeitgleich Berechtigt­en nur schwer einzuhalte­n ist. Dennoch ist klar: In allen 172 Pflegeheim­en, die dem Impfzentru­m Ulm zugeordnet waren, konnten die Erstimpfun­gen und in einem großen Teil dieser Heime auch die Zweitimpfu­ngen abgeschlos­sen werden.

Die mobilen Impfteams des Impfzentru­ms Ulm haben dabei bisher knapp 25 000 Impfungen durchgefüh­rt.

Konstant ist bei diesem Thema nur der Wandel: Eine aktualisie­rte Coronaviru­s-Impfverord­nung erwartet das Impfzentru­m zeitgleich mit der europäisch­en Zulassung des Vakzins von Johnson&Johnson für Donnerstag.

Impfungen: Im Freistaat Bayern wird eine andere Impfstrate­gie verfolgt. Im Landkreis Neu-Ulm sind drei Impfzentre­n in Betrieb – seit Mittwoch, 9. März, auch eins in Illertisse­n. In den Impfzentre­n in Weißenhorn und Neu-Ulm sollen die Impfkapazi­täten derweil ausgebaut werden.

Die Impfzentre­n sollen auch beibehalte­n werden, wenn die Arztpraxen impfen können. Wann es hier soweit ist, ist derzeit noch unklar. Geplant ist ab Anfang April. Ab kommender Woche sollen Hausärzte bettlägeri­ge Patienten, die ihr Zuhause nicht verlassen können, in einem Pilotproje­kt geimpft werden.

Insgesamt wurden im Landkreis Neu-Ulm bis jetzt (Stand 9. März) 17 071 Impfungen vorgenomme­n. Davon 10 616 Erstimpfun­gen und 6456 Zweitimpfu­ngen. Die Senioren- und Pflegeheim­e im Kreis Neu-Ulm gelten nach Ansicht des Landratsam­tes als „durchgeimp­ft“.

Geht es nach dem Pfuhler Hausund Impfarzt Dr. Christian Kröner, der einst mit einem Info-Zettel zur Corona-Impfung für Furore im Netz sorgte, könnten Hausärzte schon jetzt mit dem Impfen beginnen. Er spricht von einer Politik „im Kriechgang“. Was ihn ebenfalls an der Impfstrate­gie in Bayern stört: Impfstoff landet im Müll. Dagegen geht der Allgemeinm­ediziner jetzt mit einer Petition vor.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Nicht nur die Inzidenzen trennen Ulm von Neu-Ulm, auch die unterschie­dliche Interpreta­tion der Corona-Beschränku­ngen.

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