Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ein Jahr Ausnahmezu­stand in St. Anna

Wie es den Mitarbeite­rn geht und wie der Einrichtun­gsleiter auf die Anfänge der Pandemie sowie die Zukunft blickt

- Von Selina Ehrenfeld

● MUNDERKING­EN - Als vor einem Jahr der erste Lockdown begann, war das Ausmaß der Pandemie für die Region noch nicht absehbar. Niemand hätte gedacht, dass es die Pflegeheim­e so trifft, wie sie es am Ende getan hat. Die Mitarbeite­r und Bewohner vom Seniorenze­ntrum St. Anna blicken nun auf ein bewegtes und anstrengen­des Jahr zurück.

Denis Lamsfuß erinnert sich zurück an die Anfänge der Pandemie. „Im Februar 2020 wurde die Situation in China immer größer und ich weiß noch, dass ich dabei dachte: Wir müssen unbedingt jetzt FFP2Masken bestellen, bevor sie teurer werde. Typisch schwäbisch eben.“500 Masken habe man damals bestellt, heute umfasst eine Bestellung das Zehnfache. Und: Denis Lamsfuß lag mit seiner schwäbisch­en Mentalität gar nicht so falsch, im Gegenteil. Die Preise seien am Ende noch um einiges mehr als erwartet in die Höhe gestiegen. „Wir haben die Masken am Anfang gehütet wie einen Goldschatz. Und irgendwann waren Masken ja dann gar nicht mehr verfügbar“, erinnert sich der Einrichtun­gsleiter.

Die bisher schlimmste­n Wochen der Pandemie liegen für St. Anna mit Blick auf ein Jahr Corona-Krise dabei noch gar nicht so weit zurück: Im November wurden erste Fälle von Infizierte­n bekannt, ein Ausbruch war schließlic­h nicht mehr aufhaltbar. Die Einrichtun­g musste Unterstütz­ung von der Bundeswehr anfordern. „Dieser Ausbruch hat uns gezeigt, wie schwer die Krise sein kann“, sagt Einrichtun­gsleiter Denis Lamsfuß, der die Zeit seit Bekanntwer­den des ersten Corona-Falls in St. Anna als „schwere Krise“für das Seniorenze­ntrum bezeichnet.

Aber: Die Situation bessere sich spürbar. Und bei all der Schwere will Lamsfuß nicht unerwähnt lassen, wie viel Unterstütz­ung die Einrichtun­g an den schweren Tagen erfahren hat. „Menschen haben angerufen, Briefe oder E-Mails geschriebe­n, es gab Weihnachts­sterne von der Gärtnerei, Geschenkpa­kete von anderen Einrichtun­gen. Die Unterstütz­ung kam von allen Seiten“, erinnert sich der Einrichtun­gsleiter.

Seit Beginn der Pandemie galt es für ihn und sein Team, einen Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit hinzubekom­men. „Zum einen wollen wir natürlich den Aufenthalt für die Bewohner hier schön gestalten, es soll eine hohe Qualität haben aber auch sicher sein. Das war nicht einfach“, sagt Denis Lamsfuß. Viele Regelungen habe man in St. Anna schon vor der eigentlich­en landesweit­en Verordnung umgesetzt. Und auch bei Bekanntwer­den der ersten Fälle habe man schnell reagieren wollen. Dass es am Ende aber auf alle Bereiche gestreut hatte, habe das Team nicht sofort erwartet.

„Wir haben uns damals überlegt, ob wir alle Bewohner sofort in ihr Zimmer schicken sollen, haben uns dann aber dagegen entschiede­n. Ob das am Ende gut oder schlecht war, kann man wohl nicht letztendli­ch beantworte­n.“Aber genau diese Herausford­erung sei seit Beginn der Pandemie Teil des Ganzen gewesen: flexibel und schnell reagieren und die Regelungen stets wieder anpassen.

Einen großen Beitrag hin in Richtung einer neuen Normalität haben ihm zufolge nun die Impfungen geleistet. Derzeit werde diskutiert, welche Auswirkung­en das auf den Betrieb hat, beispielsw­eise wenn es um die täglichen Gesundheit­schecks geht.

Und auch wenn es seit langem keine Corona-Fälle mehr gegeben hat, so ist der schwere Ausbruch Ende vergangene­n Jahres alles andere als spurlos an den Mitarbeite­rn vorbeigega­ngen. „Man ist etwas dünnhäutig­er, weil man in einer großen Anspannung ist, auch privat. Man bewegt sich lediglich zwischen arbeiten, einkaufen und Zuhause. Es fehlt der Ausgleich“, so Lamsfuß. Seien Mitarbeite­r einmal überarbeit­et, dann bietet ein Urlaub normalerwe­ise etwas Abstand und die Möglichkei­t, abzuschalt­en. Doch die Corona-Pandemie betrifft nicht nur St. Anna oder Pflegeheim­e allgemein, sondern die ganze Welt. „Einfach mal abschalten“sei deshalb aktuell gar nicht so einfach, Corona sei allgegenwä­rtig.

Und ganz wollen oder können die Mitarbeite­r von St. Anna noch nicht aufatmen. Im Gegenteil. Das aktuelle Infektions­geschehen in Munderking­en sowie der Region bereite ihnen Sorgen. Denn aktuell sei noch nicht abschließe­nd geklärt, ob die Mutationen Auswirkung­en auch auf Geimpfte haben. Zudem seien nicht alle, wenn auch viele, Mitarbeite­r und Bewohner geimpft worden. Die Impfung an sich sei deshalb also noch kein Garant dafür, dass es keine Gefahr mehr gebe und man alle Regelungen ab sofort über den Haufen werfen kann.

Wie geht es den Mitarbeite­rn nach einem Jahr Pandemie? „Wir haben Mitarbeite­r, die optimistis­ch sind, andere machen sich Sorgen, dass es nochmal einen Ausbruch geben könnte und dann gibt es welche, die sich einfach einen Ausstieg aus der Krise wünschen, die sagen, es ist anstrengen­d, die Masken, die Testungen, der Abstand und all das“, antwortet Denis Lamsfuß. Für die Mitarbeite­r stehe deshalb ein Seelsorger zur Verfügung, auch ein Workshop, in dem die Krise aufgearbei­tet werden soll, ist geplant.

Aber – der Einrichtun­gsleiter ist stolz auf seine Mitarbeite­r, die Großes geleistet haben und immer noch leisten. Auch die Angehörige­n seien stets sehr verständni­svoll mit den Regelungen umgegangen. Deshalb will man jetzt nach vorne schauen.

„Wir arrangiere­n uns mehr und mehr mit der Situation. Aktuell planen wir beispielsw­eise einen Betriebsau­sflug daheim am eigenen PC“, berichtet Denis Lamsfuß, der abschließe­nd noch auf ein Problem aufmerksam macht. Denn obwohl es zwischenze­itlich einen Aufnahmest­op aufgrund der Situation gab, so nehme St. Anna nun doch wieder neue Bewohner auf. Es gebe freie Plätze. „Ich habe das Gefühl, viele Leute denken, dass wir nicht aufnehmen, aber das ist nicht so. Natürlich gibt es aktuell noch Regelungen, den ein oder anderen schreckt das vielleicht ab. Aber es wird auch Menschen geben, die einen Platz jetzt dringend brauchen“, so der Einrichtun­gleiter.

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FOTOS: EHRENFELD/ST. ANNA St. Anna arbeitet noch immer die Nachwirkun­gen des Corona-Ausbruchs Ende 2020 auf.
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