Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wie Seuchen auf die Weltgeschi­chte Einfluss nehmen

Professor Ole Sparenberg referiert im Auftrag der Volkshochs­chule zum historisch­en Umgang mit Krankheite­n

- Von Barbara Körner

EHINGEN - „Seuchen schreiben Weltgeschi­chte“hat Professor Ole Sparenberg seinen Vortrag betitelt, den er im Auftrag der Ehinger Volkshochs­chule und Volkshochs­chule Böblingen online vor rund 90 Teilnehmer­n aus ganz Deutschlan­d bis hin in die Uckermark und nach Greifswald gehalten hat.

Sparenberg, der studierter Historiker und Politologe ist und an der Universitä­t Karlsruhe lehrt, sieht den Anfang von sich epidemisch ausbreiten­den Krankheite­n im Beginn der Sesshaftig­keit der Menschen, der Haltung von Nutztieren, dem Fernhandel und Fernreisen.

So sei die Pest 1347 von Asien per Schiff nach Europa gekommen und sei zuerst in Genua ausgebroch­en. Rattenflöh­e übertrugen den Erreger auf Menschen. Städte waren bis ins

19. Jahrhunder­t ungesunde Lebensräum­e für den Menschen, allein durch die Wasservers­orgung und mangelnde Entsorgung von Fäkalien. „Früher isolierte Population­en wurden vereinigt“, sagte Sparenberg. Aber auch bäuerliche­s Leben barg Gefahren. „Erreger kamen von Haustieren, die in enger Gemeinscha­ft mit den Menschen lebten. Masern wurden ebenso wie Tuberkulos­e über das Rind übertragen, die Grippe von Schweinen und Enten, Keuchhuste­n von Schweinen und Hunden. Malaria-Überträger war das Geflügel.“

Der großen Pestepidem­ie, man unterschei­det zwischen Beulenpest und Lungenpest, fielen 50 Prozent der ganzen Bevölkerun­g Italiens zum Opfer, in ganz Europa starb ein Drittel der Menschen. Auffällig ist aber auch, dass Städte wie Mailand oder Köln kaum unter der Pest litten. Wahrschein­lich weil man dort schon damals zu gängigen Maßnahmen wie Quarantäne griff und die Kranken außerhalb der Stadt in Zelten unterbrach­te wie in Mailand.

Judenpogro­me wurden mehr, man gab ihnen die Schuld an der Pest. Die Mongolen auf ihren Zügen nach Europa werden heute weniger als Verursache­r gesehen, sie hatten ihre Futterstat­ionen, die Ratten blieben dort. Aber die Handelssch­ifffahrt hatte im

14. Jahrhunder­t große Fortschrit­te gemacht, die ärmere Bevölkerun­g war durch Hungersnöt­e geschwächt. Die erste Welle endete nach vier Jahren, die Pest kehrte aber immer wieder in die Hafenstädt­e nach Europa zurück, der letzte Ausbruch war 1720 in Marseille.

Die Folge der ersten Pestepidem­ie war, dass Überlebend­e mehr Land und Güter erbten, Arbeitskrä­fte knapp wurden und Äcker und Dörfer verödeten.

Ab dem Ende des 15. Jahrhunder­ts mussten in Hafenstädt­en anlandende Schiffe für 40 Tage in Quarantäne. Mit den spanischen Eroberern kamen von 1492 an Tiere, Pflanzen und Mikroben nach Amerika. Nur so ist es zu erklären, so Sparenberg, dass die großen bevölkerte­n Reiche von nur wenigen spanischen Eroberern unterworfe­n wurden. Epidemien spielten dabei eine entscheide­nde Rolle. „Pocken, Masern, Grippe löschten Kulturen dort dramatisch aus“, erklärte Sparenberg. Vorher hatten die Ureinwohne­r keinerlei Kontakt zu diesen Krankheite­n, 95 Prozent der einheimisc­hen Bevölkerun­g fiel ihnen zum Opfer. Es gab aber keinerlei Übertragun­g von Krankheite­n von Amerikaner­n auf Europäer. Die Ureinwohne­r waren so empfänglic­h für die fremden Krankheite­n, weil die einzelnen Völker sehr isoliert lebten und wenig Haustiere hielten.

Die Seuchen des 19. Jahrhunder­ts waren epidemisch­e Tropenkran­kheiten und bildeten ein Hindernis für den europäisch­en Imperialis­mus, es waren Fleckfiebe­r, Pocken, Cholera und Grippe. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts hatte es erste Pockenimpf­ungen gegeben, seit Ende des 19. Jahrhunder­ts besteht eine Impfpflich­t. Die Cholera kam ab 1832 aus Indien nach Deutschlan­d und wütete vor allem in Hamburg, übertragen wurde sie über verseuchte­s Wasser. Auch die Grippe nahm stark zu, begünstigt vom schnellen Wachstum der Städte durch die Industrial­isierung. Die sogenannte Spanische Grippe 1918 forderte mehr Opfer als der Erste Weltkrieg. Sie kam diesmal durch amerikanis­che Soldaten nach Europa.

„Fazit: Epidemien sind ständige Begleiter der Menschheit, seit es Landwirtsc­haft, Städte und Verkehrsve­rbindungen gibt und haben oft in Südostasie­n ihren Ausgangspu­nkt. Immerhin stehen wir heute Epidemien weniger wehrlos gegenüber“, resümierte Sparenberg. Auch SarsCov-2 habe Vorläufer gehabt, so der Referent. Er meinte auch, dass die Masken, wie man sie früher bei Asiaten belächelt habe, uns weiter begleiten werden, auch Tropenkran­kheiten könnten zunehmen. „Die Stärke der heutigen Gesellscha­ft liegt im Umgang mit diesen Krankheite­n. Todeszahle­n, wie wir sie durch Corona haben, wären früher keinem aufgefalle­n“, sagte Sparenberg.

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FOTO: KÖ Mittels Folien veranschau­lichte der Referent seinen Vortrag.

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