Frische siegt
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Der Wind hat sich gedreht in Ulm. Und wie. Es war keine Eintagsfliege, als Jürgen Filius vor fünf Jahren der CDU im Wahlkreis 64 erstmals das Direktmandat wegschnappte. Sein Nachfolger Michael Joukov-Schwelling hat den Führungsanspruch der Grünen im Raum Ulm nun zementiert, das Ergebnis von 2016 noch getoppt, um dreieinhalb Prozent. Sein Sieg ist überraschend deutlich. In Balzheim, Dietenheim und Schnürpflingen hatte CDU-Herausforderer Thomas Kienle die Nase vorn. In allen anderen Kommunen des Wahlkreises 64 obsiegte Joukov-Schwelling. Auch in Erbach (33,79 Prozent). Für das Ergebnis dort – Erbach ist die drittgrößte Kommune im Wahlkreis – hat es nicht geschadet, die Erbacherin Elena Weber zur Zweitkandidatin zu machen.
Nicht mehr die CDU, sondern die Grünen sind in und um die Universitätsstadt Ulm neue Volkspartei. Dazu passt, dass die Grünen auch im Ulmer Gemeinderat die größte Fraktion stellen. Die Gründe für den Machtwechsel – weg von der CDU, hin zur Ökopartei – sind vielschichtig. Natürlich müssen die Kandidaten vor Ort Kompetenz beweisen, die Wähler von sich und ihrer Partei überzeugen. Doch es ist ganz klar: Dass er in Stuttgart vertreten sein wird, hat Joukov-Schwelling vor allem einem zu verdanken – Ministerpräsident Kretschmann.
Thomas Kienle kann einem fast schon leidtun. Zum zweiten Mal hat er das Nachsehen. Ob die lokale CDU mit einem jüngeren, „frischeren“Gesicht mehr Erfolg gehabt hätte? Schwer zu beurteilen. Die glücklose und im Land recht unbeliebte Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann hat auf jeden Fall ihren Anteil am CDU-Absturz, wie auch die Maskenaffäre und die Unzufriedenheit der Bevölkerung am Corona-Management der Bundesregierung. Kienle jedenfalls dürfte es sich gut überlegen, ob er seinen Hut für die CDU ein drittes Mal in den Ring wirft. Auch das hat diese Wahl gezeigt, siehe JoukovSchwelling: Dass man mit neuen Gesichtern und Ideen punkten kann beim Wähler. Politik lebt nun mal vom Wechsel.
Erfreulich: das miserable Abschneiden der AfD. Sie verliert deutlich. Die Wähler im weltoffenen und multikulturellen Ulm haben eine Partei abgestraft, deren Geschäftsmodell vor allem aus Hass und Hetze besteht. Ein Modell ohne Zukunft.