Nebelfahrt mit vielen Herausforderungen
Bürgermeister Lohner blickt auf ein Jahr Pandemie in Munderkingen
● MUNDERKINGEN - Es ist eine Zahl, die das Ausmaß der Pandemie auf Munderkingen deutlich macht: 1387 Munderkinger wurden in den vergangenen zwölf Monate unter Quarantäne gestellt. Der Großteil dieser Fälle trat erst in den vergangenen Monaten auf. Das zeigt, welche Auswirkungen die Mutationen haben. Doch welche Auswirkungen hatte die Pandemie bisher auf die Stadt Munderkingen? Bürgermeister Michael Lohner blickt zurück auf ein Jahr voller Herausforderungen und betont mit Blick auf die nächsten Monate, worauf es nun ankomme.
Bis zu Beginn der zweiten Welle, also bis August 2020, verzeichnete Munderkingen „lediglich“200 Quarantänefälle. „Dann ging es erst richtig los. Und allein 521 Fälle hatten wir nun in den vergangenen nicht einmal drei Monaten von 2021“, erläutert Michael Lohner. Das zeige deutlich, mit welcher Wucht die Mutationen die Region getroffen haben und welches Potenzial in ihnen schlummert, um die Infektionen in die Höhe zu treiben. Der Bürgermeister wird deutlich: „Wenn das mit den Impfungen weiter so schleppend verläuft, überholen uns die Mutationen hier und die Situation wird sich zuspitzen.“
Vor rund einem Jahr habe noch keiner auch nur ansatzweise erahnen können, was da auf einen zukomme. Bürgermeister Lohner erinnert sich: „Vor einem Jahr, am Fasnetssonntag, stand ich vor dem Rathaus und habe mir mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Umzug angeschaut.“Das Virus sei dort noch weit weg gewesen und keiner habe gedacht, dass es am Ende solche Auswirkungen auf den Alltag der Menschen haben sollte.
Das Grundproblem einer solchen Pandemie ist laut Lohner: Man kann nur auf Sicht fahren. Und das tue Deutschland nun schon seit einem Jahr. „Es gibt immer wieder neue Erkenntnisse aus der Wissenschaft, Strukturen ändern sich ständig. Hat man ein Problem gelöst, taucht bereits das nächste auf“, erläutert Michael Lohner. Dabei habe jede „Phase“der Pandemie ihre Tücken und Herausforderungen mit sich gebracht.
„Als die erste Welle im Sommer 2020 abgeebbt ist, haben wir eine relativ ruhige Zeit erlebt. Dann kamen jedoch die Reiserückkehrer“, blickt Lohner zurück. Immer wieder hätten sich zwischenzeitlich Regelungen verändert, war es am Anfang vor allem das Händewaschen, auf das man sich konzentrierte, kam danach der Fokus aufs Desinfizieren. Auch bei den Masken habe sich immer wieder etwas verändert. Dies vergleicht der Bürgermeister wieder mit folgendem Bild: „Es ist wie eine Nebelfahrt.
Wenn man aufs Gas drückt, geht man ein Risiko ein. Außerdem tun sich bei der Fahrt immer wieder neue Dinge auf, die man zu Beginn nicht sofort gesehen hat. Mal biegt man aus Versehen falsch ab und muss wieder etwas zurück fahren, mal bremst man zu früh ab, obwohl man das gar nicht hätte machen müssen.“
Mit Beginn der zweiten Welle hätte sich dann auch gesellschaftlich gesehen ein leichter Graben aufgetan: „Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit den politischen Entscheidungen hat sich breit gemacht.“Dies sei bis heute zu spüren, vor allem wenn es um die Sinnhaftigkeit mancher Regelungen gehe, etwa warum ein Schuhladen nicht öffnen darf, dafür aber die Supermärkte überrannt werden. Aus einer Pandemie-Müdigkeit sei inzwischen sogar bei manchen eine Aggressivität entstanden.
Dieser Unmut sei nachvollziehbar. Auch mit Beginn des Lockdown „light“habe die Politik hier nicht immer klar und offen kommuniziert, „wie lang der Tunnel, durch den man fährt, eigentlich ist“, wie etwa beim Thema Impfen. „Da hieß es dann Ende 2020, dass es bald los geht und es dauerte trotzdem noch bis Ende Januar.“
Dies sei nur eines von vielen Beispielen eines großen Lernprozesses, den die Pandemie bewirkt. Nicht immer hätten Politiker dabei ihre Fehler eingestanden. Das sorge für Frust bei den Bürgern.
Mit Blick auf die eigenen Entscheidungen während der Pandemie will sich auch Lohner Fehler eingestehen und sagt: Manche Entscheidungen hätte er heute anders getroffen. Doch darauf habe er immer gelernt. „Zu Beginn der Pandemie wurden alle Versammlungen und Sitzungen abgesagt. Als wir dann wieder eine Gemeinderatssitzung hatten, habe ich gemerkt, dass sich bei manchen Gemeinderäten etwas Unmut angestaut hat, weil ich über ein paar Dinge zu wenig informiert habe“, erinnert sich Lohner. „Das mache ich heute deshalb anders. Da habe ich dazugelernt.“
Herausfordernd sei für ihn und so viele Bürger, dass das gesellschaftliche Leben in der Stadt aufgrund der Pandemie austrockne. „Mir fehlt der Kontakt zu den Menschen sehr und damit die Vereine nach der Pandemie wieder gut dastehen, müssen wir dann alles daransetzen, dass sie schnell wieder aktiv werden. Denn sie sind das Rückgrat unserer Stadt.“Für die Vereine sei die Situation besonders schmerzhaft.
Froh sei er seit Beginn der Pandemie über all die Unterstützung und den tollen Zusammenhalt in Munderkingen – sei es bei den nötigen und schnellen Absprachen mit den einzelnen städtischen Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Bauhof oder die Mitarbeiter im Rathaus. „Mit dem Ordnungsamt hatten wir von Anfang an viel Arbeit mit den auftretenden Fällen“, so Lohner.
Doch: Bei all den Herausforderungen im vergangenen Jahr habe es auch stets Momente der Hoffnung gegeben, die man laut Lohner nicht vergessen dürfe. „Zum einen hat uns die Pandemie einen enormen Digitalisierungsschub verpasst, etwa im Schulzentrum. Das Zusammenspiel in der Krise habe in Munderkingen stets gut funktioniert, auch im Landkreis. Diese Basis sei nun auch wichtig für die kommenden Monate. „Jetzt gilt es, die Impfraten zu erhöhen“, sagt Lohner. Wichtig sei auch, dass sich die Menschen weiterhin an die Regeln halten und: die Infektionsherde zu bestimmen und dabei sachgerechte Entscheidungen zu treffen.