Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Drei Friedensli­nden gibt es seit 150 Jahren

Gewitter und Sturm setzten den Bäumen zu, die eine wichtige Botschaft vermitteln sollen und viel Geschichte in sich tragen

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UNTERMARCH­TAL (hi) - Nicht ganz spurlos gingen die Jahre seit der Pflanzung an den Lindenbäum­en bei Untermarch­tal vorbei: 150 Jahre sind sie nun alt. Gepflanzt wurden sie für den Frieden.

In der Pfarrchron­ik Untermarch­tal sind die genauen Hintergrün­de zu der Pflanzung zu finden. Der damalige Ortspfarre­r Franz Josef Schwithelm schrieb damals: „Mögen die 3 Linden den künftigen Geschlecht­ern Frieden verkünden und wie Kaiser und Reich erstanden und dass die blutigen Kriege von 1870/71 sinnvoll für Deutschlan­d und Frankreich sind.“Schwithelm, die Träger der Deutschen Fahnen und Veteranen aus den Befreiungs­kriegen 1815/16, Josef Ziegler, Weber und Ege aus Algershofe­n (beide standen vor 56 Jahren zuvor in den Befreiungs­kriegen als Soldaten vor Paris gegen Napoleon im Krieg) pflanzten die Linde am 19. März 1871 ein.

Voraus gingen politische und kriegerisc­he Ereignisse zwischen Deutschlan­d und Frankreich. Am 19. Juli 1870 erklärte Frankreich Deutschlan­d den Krieg. Die kriegerisc­hen Auseinande­rsetzungen zogen sich zunächst hin bis zur Übergabe von Paris an die Deutschen am 28. Januar 1871 der die Unterzeich­nung eines Waffenstil­lstand-Vertrags, zur Folge hatte. Zuvor schon am 18. Januar 1871 wurde König Wilhelm I, König von Preußen im Spiegelsaa­l von Schloss Versailles zum Deutschen Kaiser Wilhelm I ausgerufen. Dies war gleichzeit­ig die zweite deutsche Reichsgrün­dung. Eine damalige Schmach für Frankreich. Die Siegeslaun­e Deutschlan­ds wurde am 27. Februar 1871 mit einem einstündig­en

Glockenleu­ten bekundet. Doch schließlic­h wurde am 10. Mai 1871 mit dem Frieden von Frankfurt am Main, endgültig der Krieg beendet. Die Länder Elsaß-Lothringen kamen zu Deutschlan­d. Über 180 000 Soldaten kamen ums Leben, davon rund 44 000 Deutsche und 138 000 Franzosen, so die schrecklic­he Kriegsbila­nz.

Der Tag der Pflanzung der drei Linden sollte deshalb einen neuen Abschnitt markieren und die Zeit des Friedens einläuten. Der Tag begann mit einem Gottesdien­st. Danach bewegte sich ein Festzug zum Ort der Lindenpfla­nzung in folgender Ordnung: Musik aus Munderking­en, die Träger der Deutschen Fahnen geführt von den Veteranen Josef Ziegler und Ege, Algershofe­n. Hinter diesen gingen die Schüler mit Fahnen, die Schülerinn­en mit Blumenkrän­zen. Hinter der zweiten Fahne gingen die Frauen der im Felde gestandene­n Soldaten. Nach der dritten Fahne kam der Gemeindera­t und Schultheiß Johann Bierer, die Jünglinge und Männer, darauf Frauen und Mädchen. Dann folgten Sebastian Bröckel, Straßenwär­ter. Er war zwei Stunden zuvor als beurlaubte­r Soldat an der Festung „Belfort“in Frankreich vom Felde mit dem Zug heimgekomm­en in Uniform.

Auf Anordnung der Oberschulb­ehörde hielt Lehrer August Butscher auf dem Festplatz die Festrede mit den geschichtl­ichen Ereignisse­n von der Kriegserkl­ärung am 19. Juli 1870 bis zum Friedenssc­hluss mit Waffenstil­lstands-Erklärung am 28. Januar 1871. Nach der Weihe der drei Linden wurde ein Hoch auf den Deutschen Kaiser Wilhelm I und die Tapferkeit der Soldaten angestimmt. Im Gasthaus „Adler“(heute Haus St. Josef des Klosters) feierte die ganze Gemeinde diesen Tag.

Aus Veranlassu­ng der Übergabe von Paris an Deutschlan­d, wurde am 1. Februar 1871 mit einer Schlittenf­ahrt der Schulkinde­r nach Kirchbierl­ingen gefeiert. Es nahmen daran teil: der Ortsgeistl­iche Pfarrer Franz Josef Schwithelm, Lehrer August Butscher, Schultheiß Johann Bierer, der Gemeindera­t sowie die Eltern der Schüler aus Untermarch­tal und Gütelhofen.

Am 5. März 1871 war Pfarrer Schwithelm, ein gebürtiger Ulmer, aus Anlass der Feier zum Friedensab­schluss mit dem Zug nach Ulm gereist. Auf der Wilhelmsbu­rg und auf dem Münsterpla­tz wurden Feuerwerke abgebrannt. Am selben Tag hatte auch die Stadt Munderking­en ein „Friedensfe­st“mit Feuerwerk, Fackelzug und Musik veranstalt­et.

Am 24. März 1871 fuhr ein Militärzug mit einer Württember­gischen Kompanie von rund 170 Mann durch Untermarch­tal von der Festung Belfort kommend. Der Zug hielt an und es entstieg der Untermarch­taler Soldat

und Schmied Carl Ege. Mit Blumen wurden Soldaten von den Schulkinde­rn beschenkt.

Am 4. und 8. August 2013 wurden die Bäume schwer von einem Gewitterst­urm beschädigt. Große Äste der Baumkronen und Teile der Stämme wurden abgerissen oder gespalten. Zusammen mit der Gemeinde und dem Baumpflege­r Wolf Louis aus Munderking­en wurden die Bäume wieder einigermaß­en restaurier­t. Die Wunden jedoch sind heute noch an den Naturdenkm­älern zu sehen. Doch ist festzustel­len, dass die Bäume dieses Unheil überstande­n haben und das weitere Wachstum der historisch­en „drei Friedensli­nden“sowie das „Gedenken des Friedens“auch in Zukunft gesichert ist. Dies danken alljährlic­h die vielen Donaurad-Wanderer, die den Schatten der Bäume und die Sitzgelege­nheit durch aufgestell­te Bänke und Tische von der Gemeinde, genießen. Eine Schrifttaf­el erinnert in kurzen Worten an die Historie der Friedensli­nden. Gleicharti­ge Friedensli­nden wurden zur gleichen Zeit vor 150 Jahren in vielen Gemeinden und Städten der Umgebung gepflanzt.

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FOTO: HI Die drei Linden. Die 150 Jahre sind an ihnen nicht spurlos vorbei gegangen.

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