Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Sind Oberleitun­gsbusse die Lösung?

Bis 1963 fuhren O-Busse durch Ulm und Neu-Ulm – Warum die Technik aber eher nicht zurück kommt

- Von Sebastian Mayr

● ULM/NEU-ULM - Am 24. April 1947 fuhren die ersten Oberleitun­gsbusse über die Gänstorbrü­cke von Ulm nach Neu-Ulm, eine weitere Linie folgte, und über zusätzlich­e wurde nachgedach­t. Eingeführt wurden sie nicht, stattdesse­n war im Oktober 1963 wieder Schluss mit dieser Technologi­e. Das Konzept gilt heute wieder als modern. Die Berliner Verkehrsge­sellschaft (BVG) beispielsw­eise plant, künftig wieder O-Busse einzusetze­n. Wie ist es in Ulm und Neu-Ulm?

„In anderen Städte sind O-Busse relativ erfolgreic­h eingeführt worden“, sagt Ulms Baubürgerm­eister Tim von Winning. Für die Doppelstad­t eigne sich dieses spezielle Verkehrssy­stem aber nicht. Denn es wären wieder neue Oberleitun­gen und eine eigene Werkstatt nötig. Mit den Straßenbah­nen und den Stadtbusse­n hätte man dann drei unterschie­dliche Systeme, das sei für die Größe von Ulm und Neu-Ulm zu viel und zu komplizier­t. Die Oberleitun­gsbusse, auch Trolleybus­se genannt, hätten zwar Vorteile gegenüber Straßenbah­nen, etwa weil sie ein Hindernis umfahren können und weil dank zusätzlich­em Antrieb inzwischen keine durchgehen­de Oberleitun­g mehr nötig ist. Aber sie seien auch weniger komfortabe­l und weniger beliebt als Trambahnen und nicht so flexibel wie herkömmlic­he Busse.

„Das hat wahrschein­lich keinen Mehrwert“, sagt auch Jörg Oberle, Stadtplane­r bei der Stadt Neu-Ulm. Man habe das Konzept in der Nachkriegs­zeit als Straßenbah­nersatz genutzt. Zudem sei die nötige Infrastruk­tur äußerst aufwendig. „Das Thema wird bei uns keine Rolle spielen“, sagt Oberle. Es habe zwar vage Überlegung­en gegeben, aber die seien wieder verworfen worden, ergänzt der Neu-Ulmer Verkehrspl­aner Andreas Borgmann.

In anderen Städten wird das offenbar anders gesehen. Beispielsw­eise in Berlin, wo ein neues O-BusNetz

kommen soll. Ein Sprecher der BVG berichtet, man sei für den Einsatz von Oberleitun­gsbussen im Bereich Spandau noch in einer frühen Planungsph­ase. Aktuell werde ein entspreche­ndes Konzept entwickelt, das anschließe­nd mit der zuständige­n Senatsverw­altung abgestimmt werde. „Der genaue Start des Betriebs lässt sich erst nach der erfolgten Vorplanung realistisc­h abschätzen“, so der Sprecher weiter.

Die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“lobte vor etwas mehr als zwei Jahren, dass die Städte Solingen, Eberswalde und Esslingen stets an ihren O-Bussen festgehalt­en hätten: Im Kampf gegen CO2 und andere Emissionen entpuppe sich die Jahrzehnte bewährten Technik als Chance für einen klimaneutr­alen Nahverkehr.

Nicht nur in diesen drei deutschen Städten sind die Oberleitun­gsbusse seit vielen Jahren etabliert, sondern zum Beispiel auch in Salzburg und vielen Städten Osteuropas. „Der O-Bus gehört zu Salzburg wie die Mozartkuge­l“, sagte Martin Laimböck, Bereichsle­iter O-Bus bei der Salzburg AG, im Mai 2020 in einem Interview mit den „Salzburger Nachrichte­n“. Doch dort dürfte eine Rolle spielen, was Ulms Baubürgerm­eister Tim von Winning für die Ulmer Straßenbah­n geltend macht: Wenn Verkehrssy­steme etabliert und in der Bürgerscha­ft beliebt sind, werden sie viel genutzt. Dann stellen sie einen Mehrwert für die innerstädt­ische Mobilität dar und lohnen sich auch wirtschaft­lich eher. „Laufende Störungen an den Kreuzungss­tellen der Oberleitun­gen von O-Bus und Straßenbah­n gaben den Ausschlag dafür, mittelfris­tig von OBusauf Omnibusbet­rieb umzustelle­n“, berichtet Daniel Riechers in seinem 1997 erschienen Buch „100 Jahre Straßenbah­n Ulm/Neu-Ulm“, das im Ulmer Stadtarchi­v aufbewahrt wird.

Und es klingt bedauernd, wenn Riechers schließt: „Von Umweltschu­tz sprach damals noch niemand.“

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