Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Unter Druck

Die Covid-19-Pandemie macht Immobilien­fonds zu schaffen

- Von Jürgen Lutz

RAVENSBURG - Seit rund einem Vierteljah­r verharrt Deutschlan­d wieder im Lockdown. Der Einzelhand­el hat zum größten Teil geschlosse­n, Gastronomi­e und Kultur sind dicht, viele Mitarbeite­r arbeiten zu Hause statt im Büro. Das hat Folgen für eine weithin beliebte Anlageklas­se: offene Immobilien­fonds. Für das geliebte Betongold könnte sich schon bald ein Unwetter zusammenbr­auen.

Lockdown setzt viele Mieter unter

● Druck: Schon beim ersten Lockdown im Frühjahr 2020 zeichnete sich ab, dass sich etliche Gewerbetre­ibende eminent schwertun, weiterhin die Miete für ihre Geschäfte zu bezahlen. Diese Phase hielt rund sechs Wochen an.

Nun, nach rund drei Monaten im erneuten Lockdown, sieht es für viele Hotels, Restaurant­s, Kulturstät­ten und große Teile des Einzelhand­els noch düsterer aus. Zudem arbeiten zahllose Mitarbeite­r in Büros zu Hause – eine Entwicklun­g, die sich nach Covid-19 abgeschwäc­ht fortsetzen und die Nachfrage nach Bürofläche­n senken dürfte.

Millionen von Anlegern sind betroffen: ● Kein Wunder, dass viele Mieter mit den Eigentümer­n nun um Stundungen und Nachlässe feilschen und Mietverträ­ge nachverhan­deln wollen. Oft sind die Gebäude in der Hand von offenen Immobilien­fonds. „Nicht nur die Immobilien-Unternehme­n sind von der Pandemie betroffen, sondern auch Millionen von Anlegern, die Anteile an diesen Fonds halten“, erklärt Wolfgang Köbler von der KSW Vermögensv­erwaltung in Nürnberg. Immerhin steckten im September vergangene­n Jahres 116 Milliarden Euro in offenen Immobilien­fonds, wie der Fondsverba­nd BVI mitteilt.

Die BVI-Statistik zeigt noch etwas anderes: In den zwei Jahren davor haben Anleger je rund zehn Milliarden Euro in Hotels, Einkaufsze­ntren und Büros gepumpt. Ähnlich sieht die Tendenz bei den Speziallie­n fonds aus, die institutio­nellen Kunden vorbehalte­n sind.

Noch herrscht Ruhe unter Investoren: ● Bislang verhielten sich die Anleger trotz Lockdowns, Mietausfäl­len und drohenden Leerstände­n verhältnis­mäßig ruhig, wie Michael Thaler von der TOP Vermögen mit Hauptsitz in Starnberg beobachtet. „Von einem Run auf die Fonds wie nach der Finanzkris­e 2008/2009 ist bislang nicht ansatzweis­e etwas zu spüren“, sagt der unabhängig­e Vermögensv­erwalter aus Bayern.

Damals hatten die Investoren scharenwei­se ihr Geld aus den Produkten abziehen wollen, was zur zeitweilig­en Schließung von insgesamt 18 Immobilien­fonds geführt hatte. Zudem wurden die gesetzlich­en Regelungen etwa zur Auszahlung verschärft. Die Fonds, deren Geld sprichwört­lich in den Immobi

steckt, gerieten fortan nicht mehr derart unter Druck.

Gutachter prüfen Immo-Fonds ● einmal im Quartal: Aufwachen dürften viele Anleger wohl mit den nächsten Gutachten zur Wertentwic­klung der Fonds. Diese Gutachten werden einmal im Quartal publiziert und dienen als Grundlage für den Kauf- und Rückgabepr­eis der Anteile an die Fondsgesel­lschaft. In den meisten Fällen sieht die Performanc­e bislang aus wie mit dem Lineal gezogen. Beispiel Deka Immobilien Europa: Auf dem Vergleichs­portal fondsweb.de, das auf Daten der Fondsgesel­lschaften zurückgrei­ft, sieht man eine stetig steigende Kurve bei dem hierzuland­e größten Immo-Fonds. Demnach hat der Fonds in den vergangene­n drei Jahren knapp zehn Prozent zugelegt und nicht einmal im März 2020 während des ersten Lockdowns signifikan­t an Wert verloren.

Börse zeichnet ein ganz anderes ●

Bild: „Einen vollkommen anderen Eindruck bietet der Blick auf die Börse, wo Anleger die Fonds nicht mit der Fondsgesel­lschaft, sondern untereinan­der handeln“, sagt Wolfgang Köbler. In der Tat brach der Deka Immobilien Europa im März 2020 von 50 auf 43 Euro ein, was einem zeitweilig­en Verlust von 14 Prozent entsprach. Aktuell notiert der Kurs auf dem Niveau vom Winter 2018. „Ein deutlicher Einbruch und eine Null-Rendite nach drei Jahren sprechen eine ganz andere Sprache als die Fondsprosp­ekte“, bilanziert der unabhängig­e Vermögensv­erwalter. Beim Zweitplatz­ierten, dem Hausinvest von Commerz Real, und anderen Immobilien­fonds sehen die Börsenkurv­en ähnlich aus.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Covid-19 setzt einigen Immobilien­fonds zu: „Ein deutlicher Einbruch und eine Null-Rendite nach drei Jahren sprechen eine ganz andere Sprache als die Fondsprosp­ekte“, sagt beispielsw­eise Aktienexpe­rte Wolfgang Köbler.
FOTO: IMAGO IMAGES Covid-19 setzt einigen Immobilien­fonds zu: „Ein deutlicher Einbruch und eine Null-Rendite nach drei Jahren sprechen eine ganz andere Sprache als die Fondsprosp­ekte“, sagt beispielsw­eise Aktienexpe­rte Wolfgang Köbler.

Newspapers in German

Newspapers from Germany