Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Feuerwehrm­ann hängt künftig unter der Decke

Zwei Ingenieure aus dem Allgäu haben einen Löschrobot­er gebaut, der erkennt, wo es brennt

- Von Gabriel Bock

● LINDAU/WANGEN - Ein Einfamilie­nhaus irgendwo in Oberschwab­en. Die Besitzer sind unterwegs, haben aber eine Kerze auf dem Wohnzimmer­tisch vergessen. Als der Docht zu weit herunterbr­ennt, kippt die Kerze um und setzt einen Strauß vertrockne­ter Zierblumen in Flammen. Ein Großbrand ist programmie­rt. Der Feuermelde­r funktionie­rt zwar, es ist aber niemand zu Hause, der ihn hören könnte.

Da erwacht ein kleiner, grauschwar­zer Zylinder zum Leben, der unter der Zimmerdeck­e hängt. Aus der Unterseite des etwa 20 auf 20 Zentimeter großen Gehäuses fährt ein schwarzer Kunststoff-Kopf, der ein bisschen an ältere Webcam-Modelle erinnert. Er richtet eine goldene Düse auf den Blumenstra­uß. Aus der Spitze der Düse schießt ein konzentrie­rter Wasserstra­hl über mehrere Meter quer durch den Raum in die Blumen. Da das Feuer nach kurzer Zeit noch nicht vollständi­g gelöscht ist, alarmiert der Zylinder die Feuerwehr. Die trifft nach zehn Minuten ein, darf aber nur noch die verkohlten Blumen entsorgen.

So etwa klingt die Vision von Jack Bolz-Mendel und Stanislav Malorodov. Die beiden Ingenieure haben in Wangen und Lindau einen Prototypen eines Feuerlösch-Roboters gebaut, der den Brandschut­z revolution­ieren soll. Im September haben sie sich mit einer eigenen Firma selbststän­dig gemacht und Gelder von Investoren eingesamme­lt. „Davor war das Projekt so eine Art unbezahlte­r Hauptjob“, sagt Bolz-Mendel.

Ihr Projekt ist ein fest installier­ter Roboter, der Brände selbststän­dig erkennen und bekämpfen kann. „Die Idee kam mir eigentlich 2016 bei einem großen Brand eines Wohnhauses in Wangen“, erzählt Bolz-Mendel. Für private Haushalte gebe es außer Rauchmelde­rn kaum Brandschut­zeinrichtu­ngen. „Der Rauchmelde­r löst aber erst aus, wenn genug Rauch da ist, um ihn zu aktivieren, da ist das

Feuer dann schon größer“, erklärt Malorodov. Aber auch mit industriel­lem Brandschut­z sind die beiden nicht zufrieden.

„Eine Sprinklera­nlage ist unglaublic­h aufwendig in der Planung und braucht extra Räume“, sagt er. Für private Haushalte sei sie deshalb schon gar keine Option. Außerdem habe auch sie das Problem, dass das Feuer schon so groß sein muss, dass es am Sprinklerk­opf entspreche­nd heiß wird, dass dieser den Löschmodus aktiviert. Ist der Sprinkler dann aktiv, setzt er ein großes Areal unter Wasser. „Die Folgeschäd­en aus so einem Brand und dem Löschen danach sind einfach enorm, das wollen wir besser machen“, sagt Bolz-Mendel. Ziel sei es, das bisherige Brandschut­zsystem mit Sprinklera­nlagen und Brandmelde­anlagen durch ein einfachere­s System zu ersetzen, das früher eingreife und so die Schäden minimiere.

Bolz-Mendel wollte anfangs nicht nur einen Roboter bauen, der Brände erkennt und löscht, es ist ihm auch wichtig, dass sein System günstiger und einfacher ist als die bisherigen Systeme. Tatsächlic­h braucht der Protoyp nur einen normalen 230Volt-Stromansch­luss – das Löschmitte­l, also Wasser in Verbindung mit Chemikalie­n, befindet sich in einem kleinen Tank im Roboter. Mit ein paar Schrauben wird der Roboter an der Decke befestigt. Weil er schon früh eingreift, muss er nicht für große Feuer ausgestatt­et sein.

Bis zur Fertigstel­lung des Prototypen war es ein weiter Weg. „Den Durchbruch haben 3-D-Druckteile gebracht“, erzählt Bolz-Mendel. Damit sei es möglich, Bauteile zu drucken, die nicht nur eine Funktion erfüllen, sondern mehrere. Das hilft beim Platzspare­n. „Wir haben zum Beispiel eine Abdeckung, die gleichzeit­ig wichtige Teile der Sensorik trägt, und die Löschdüse positionie­rt“, sagt Bolz-Mendel. Mit herkömmlic­her Frästechni­k sei es nicht möglich, so komplexe Teile herzustell­en.

Auf der Softwarese­ite hat Stanislav Malorodov wohl den Durchbruch gebracht. Bolz-Mendel erzählt: „Ich bin irgendwann an meine technische­n Grenzen gekommen, und Stan kennt sich super mit Künstliche­r Intelligen­z aus, deshalb ist er dann eingestieg­en.“Künstliche Intelligen­z ist es, was dem Roboter die Erkennung von Bränden ermöglicht. Malorodov erklärt: „Unten am Roboter hängt ein 180-Grad-Bildsensor.“Der Bildsensor sieht allerdings nur Feuer, der Rest seiner Umgebung bleibt für den Sensor schwarz. Das Feuer erkennt er durch das entstehend­e Licht und das charakteri­stische Flackern der Flamme.

Die Künstliche Intelligen­z erkennt beispielsw­eise, wenn sich Feuer ungeplant ausbreitet oder unregelmäß­ig flackert. So kann sie bestimmen, wann der Roboter loslegen muss. Erkennt sie ein Feuer, kommt der Löschkopf zum Einsatz. An dem befindet sich eine Wärmebildk­amera, die das Feuer nochmals verifizier­t. Dann erst wird gelöscht. „Der Roboter kann erkennen ob da ein Christbaum abfackelt oder eine Kerze kontrollie­rt brennt“, sagt Malorodov. Dann würde der Brand nicht bekämpft.

Einsatzgeb­iete für den Roboter können nicht nur Wohnräume sein.

Er könnte auch in Industriea­nlagen, Büros oder Laboren hängen. Das Löschmitte­l ist variabel, und mit der Düse kann der Roboter ein Areal von etwa 100 Quadratmet­ern überwachen und löschen. Einen wichtigen Bereich für Brände beherrscht der Roboter allerdings noch nicht: die Küche. „Fettbrände sind so speziell und schwierig, das können wir noch nicht leisten“, sagt Bolz-Mendel. Denn beim Löschen von brennendem Fett darf kein Wasser zum Einsatz kommen. Auch andere sprühbare Flüssigkei­ten könnten eine Stichflamm­e verursache­n.

Obwohl der Roboter auch Wohnräume dauerhaft überwachen soll, sind die Ingenieure beim Thema Datenschut­z und Sicherheit zuversicht­lich. „Unser Sensor sieht ja nur schwarz und darin dann ein paar Punkte. Der kriegt also gar keine personenbe­zogenen Daten“, sagt Malorodov.

Ohnehin ist die Erfindung noch im Protoypen-Stadium. In den nächsten sechs Monaten wollen die beiden Ingenieure ihre Erfindung auf Herz und Nieren testen. Dafür haben die beiden einige Projekte im Landkreis Ravensburg geplant und sich vom Ravensburg­er Kreisbrand­meister Oliver Surbeck beraten lassen.

Der spricht positiv über das Projekt: „Jeder Großbrand war mal ein Kleinbrand, und den minimalinv­asiv zu bekämpfen, ist ein spannender Ansatz.“Er glaubt, dass der Roboter zunächst in Eigenheime­n zum Einsatz kommen könnte. Dort seien die Vorschrift­en weniger spezifisch als in der Industrie.

Ein Teil der Testphase wird im Kreis Ravensburg stattfinde­n, ein anderer am Karlsruher Institut für Technologi­e. Dort leitet Dietmar Schelb die Forschungs­stelle für Brandschut­ztechnik. Er sagt: „Ich finde das ist eine schlaue Idee.“Der Ansatz, durch frühe Erkennung von Bränden große Schäden zu vermeiden und das mit einem System zu verbinden, das einfach zu installier­en ist, sei interessan­t. Bewerten will er die Anlage erst, wenn die Tests stattgefun­den haben.

Eine optische Erkennung von Bränden mittels geeigneter Software gebe es bereits, sagt Schelb. Der Löschtechn­ikspeziali­st Rosenbauer habe ein solches System für Recyclingl­ager für Elektrosch­rott gebaut. „Dort fangen oft Akkus an zu brennen, das System arbeitet dort mit einer Wasserkano­ne, die 8000 Liter in der Minute auf das Feuer bringt.“Eine etwas andere Dimension als die der Entwickler aus dem Allgäu. Allerdings berichtet Schelb: „Ich habe gehört, dort sind auch schon Lastwagenf­ahrer beim Rauchen geduscht worden.“

Nach der Testphase wird der Löschrobot­er angepasst und die Produktion geplant. „Auf den Markt bringen wir den Löschrobot­er in etwa einem bis anderthalb Jahren“, sagt Bolz-Mendel. Was der dann kosten wird, ist noch geheim, der Preis bleibe aber sicher unter dem von Sprinklera­nlagen.

Die Produktion der Teile werden die jungen Entwickler wahrschein­lich auslagern, die Endmontage wollen sie aber selbst ausführen. Wo und wie, das steht noch nicht fest. Malorodov sagt: „Aktuell wäre die Hauptstadt denkbar.“

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