Der Feuerwehrmann hängt künftig unter der Decke
Zwei Ingenieure aus dem Allgäu haben einen Löschroboter gebaut, der erkennt, wo es brennt
● LINDAU/WANGEN - Ein Einfamilienhaus irgendwo in Oberschwaben. Die Besitzer sind unterwegs, haben aber eine Kerze auf dem Wohnzimmertisch vergessen. Als der Docht zu weit herunterbrennt, kippt die Kerze um und setzt einen Strauß vertrockneter Zierblumen in Flammen. Ein Großbrand ist programmiert. Der Feuermelder funktioniert zwar, es ist aber niemand zu Hause, der ihn hören könnte.
Da erwacht ein kleiner, grauschwarzer Zylinder zum Leben, der unter der Zimmerdecke hängt. Aus der Unterseite des etwa 20 auf 20 Zentimeter großen Gehäuses fährt ein schwarzer Kunststoff-Kopf, der ein bisschen an ältere Webcam-Modelle erinnert. Er richtet eine goldene Düse auf den Blumenstrauß. Aus der Spitze der Düse schießt ein konzentrierter Wasserstrahl über mehrere Meter quer durch den Raum in die Blumen. Da das Feuer nach kurzer Zeit noch nicht vollständig gelöscht ist, alarmiert der Zylinder die Feuerwehr. Die trifft nach zehn Minuten ein, darf aber nur noch die verkohlten Blumen entsorgen.
So etwa klingt die Vision von Jack Bolz-Mendel und Stanislav Malorodov. Die beiden Ingenieure haben in Wangen und Lindau einen Prototypen eines Feuerlösch-Roboters gebaut, der den Brandschutz revolutionieren soll. Im September haben sie sich mit einer eigenen Firma selbstständig gemacht und Gelder von Investoren eingesammelt. „Davor war das Projekt so eine Art unbezahlter Hauptjob“, sagt Bolz-Mendel.
Ihr Projekt ist ein fest installierter Roboter, der Brände selbstständig erkennen und bekämpfen kann. „Die Idee kam mir eigentlich 2016 bei einem großen Brand eines Wohnhauses in Wangen“, erzählt Bolz-Mendel. Für private Haushalte gebe es außer Rauchmeldern kaum Brandschutzeinrichtungen. „Der Rauchmelder löst aber erst aus, wenn genug Rauch da ist, um ihn zu aktivieren, da ist das
Feuer dann schon größer“, erklärt Malorodov. Aber auch mit industriellem Brandschutz sind die beiden nicht zufrieden.
„Eine Sprinkleranlage ist unglaublich aufwendig in der Planung und braucht extra Räume“, sagt er. Für private Haushalte sei sie deshalb schon gar keine Option. Außerdem habe auch sie das Problem, dass das Feuer schon so groß sein muss, dass es am Sprinklerkopf entsprechend heiß wird, dass dieser den Löschmodus aktiviert. Ist der Sprinkler dann aktiv, setzt er ein großes Areal unter Wasser. „Die Folgeschäden aus so einem Brand und dem Löschen danach sind einfach enorm, das wollen wir besser machen“, sagt Bolz-Mendel. Ziel sei es, das bisherige Brandschutzsystem mit Sprinkleranlagen und Brandmeldeanlagen durch ein einfacheres System zu ersetzen, das früher eingreife und so die Schäden minimiere.
Bolz-Mendel wollte anfangs nicht nur einen Roboter bauen, der Brände erkennt und löscht, es ist ihm auch wichtig, dass sein System günstiger und einfacher ist als die bisherigen Systeme. Tatsächlich braucht der Protoyp nur einen normalen 230Volt-Stromanschluss – das Löschmittel, also Wasser in Verbindung mit Chemikalien, befindet sich in einem kleinen Tank im Roboter. Mit ein paar Schrauben wird der Roboter an der Decke befestigt. Weil er schon früh eingreift, muss er nicht für große Feuer ausgestattet sein.
Bis zur Fertigstellung des Prototypen war es ein weiter Weg. „Den Durchbruch haben 3-D-Druckteile gebracht“, erzählt Bolz-Mendel. Damit sei es möglich, Bauteile zu drucken, die nicht nur eine Funktion erfüllen, sondern mehrere. Das hilft beim Platzsparen. „Wir haben zum Beispiel eine Abdeckung, die gleichzeitig wichtige Teile der Sensorik trägt, und die Löschdüse positioniert“, sagt Bolz-Mendel. Mit herkömmlicher Frästechnik sei es nicht möglich, so komplexe Teile herzustellen.
Auf der Softwareseite hat Stanislav Malorodov wohl den Durchbruch gebracht. Bolz-Mendel erzählt: „Ich bin irgendwann an meine technischen Grenzen gekommen, und Stan kennt sich super mit Künstlicher Intelligenz aus, deshalb ist er dann eingestiegen.“Künstliche Intelligenz ist es, was dem Roboter die Erkennung von Bränden ermöglicht. Malorodov erklärt: „Unten am Roboter hängt ein 180-Grad-Bildsensor.“Der Bildsensor sieht allerdings nur Feuer, der Rest seiner Umgebung bleibt für den Sensor schwarz. Das Feuer erkennt er durch das entstehende Licht und das charakteristische Flackern der Flamme.
Die Künstliche Intelligenz erkennt beispielsweise, wenn sich Feuer ungeplant ausbreitet oder unregelmäßig flackert. So kann sie bestimmen, wann der Roboter loslegen muss. Erkennt sie ein Feuer, kommt der Löschkopf zum Einsatz. An dem befindet sich eine Wärmebildkamera, die das Feuer nochmals verifiziert. Dann erst wird gelöscht. „Der Roboter kann erkennen ob da ein Christbaum abfackelt oder eine Kerze kontrolliert brennt“, sagt Malorodov. Dann würde der Brand nicht bekämpft.
Einsatzgebiete für den Roboter können nicht nur Wohnräume sein.
Er könnte auch in Industrieanlagen, Büros oder Laboren hängen. Das Löschmittel ist variabel, und mit der Düse kann der Roboter ein Areal von etwa 100 Quadratmetern überwachen und löschen. Einen wichtigen Bereich für Brände beherrscht der Roboter allerdings noch nicht: die Küche. „Fettbrände sind so speziell und schwierig, das können wir noch nicht leisten“, sagt Bolz-Mendel. Denn beim Löschen von brennendem Fett darf kein Wasser zum Einsatz kommen. Auch andere sprühbare Flüssigkeiten könnten eine Stichflamme verursachen.
Obwohl der Roboter auch Wohnräume dauerhaft überwachen soll, sind die Ingenieure beim Thema Datenschutz und Sicherheit zuversichtlich. „Unser Sensor sieht ja nur schwarz und darin dann ein paar Punkte. Der kriegt also gar keine personenbezogenen Daten“, sagt Malorodov.
Ohnehin ist die Erfindung noch im Protoypen-Stadium. In den nächsten sechs Monaten wollen die beiden Ingenieure ihre Erfindung auf Herz und Nieren testen. Dafür haben die beiden einige Projekte im Landkreis Ravensburg geplant und sich vom Ravensburger Kreisbrandmeister Oliver Surbeck beraten lassen.
Der spricht positiv über das Projekt: „Jeder Großbrand war mal ein Kleinbrand, und den minimalinvasiv zu bekämpfen, ist ein spannender Ansatz.“Er glaubt, dass der Roboter zunächst in Eigenheimen zum Einsatz kommen könnte. Dort seien die Vorschriften weniger spezifisch als in der Industrie.
Ein Teil der Testphase wird im Kreis Ravensburg stattfinden, ein anderer am Karlsruher Institut für Technologie. Dort leitet Dietmar Schelb die Forschungsstelle für Brandschutztechnik. Er sagt: „Ich finde das ist eine schlaue Idee.“Der Ansatz, durch frühe Erkennung von Bränden große Schäden zu vermeiden und das mit einem System zu verbinden, das einfach zu installieren ist, sei interessant. Bewerten will er die Anlage erst, wenn die Tests stattgefunden haben.
Eine optische Erkennung von Bränden mittels geeigneter Software gebe es bereits, sagt Schelb. Der Löschtechnikspezialist Rosenbauer habe ein solches System für Recyclinglager für Elektroschrott gebaut. „Dort fangen oft Akkus an zu brennen, das System arbeitet dort mit einer Wasserkanone, die 8000 Liter in der Minute auf das Feuer bringt.“Eine etwas andere Dimension als die der Entwickler aus dem Allgäu. Allerdings berichtet Schelb: „Ich habe gehört, dort sind auch schon Lastwagenfahrer beim Rauchen geduscht worden.“
Nach der Testphase wird der Löschroboter angepasst und die Produktion geplant. „Auf den Markt bringen wir den Löschroboter in etwa einem bis anderthalb Jahren“, sagt Bolz-Mendel. Was der dann kosten wird, ist noch geheim, der Preis bleibe aber sicher unter dem von Sprinkleranlagen.
Die Produktion der Teile werden die jungen Entwickler wahrscheinlich auslagern, die Endmontage wollen sie aber selbst ausführen. Wo und wie, das steht noch nicht fest. Malorodov sagt: „Aktuell wäre die Hauptstadt denkbar.“