Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ölsuche in Namibias „Arche Noah“

Testbohrun­gen im Süden Afrikas rufen Tierschütz­er auf den Plan – Sorge auch um das Grundwasse­r

- Von Nicole Macheroux-Denault und Ralf Krüger

KAWE (dpa) - „Was, die Elefanten sind schon wieder da? Wie viele?“, fragt Thomas Mouronga Hamutenya. Er muss in sein Handy schreien: Es ist laut im einst so beschaulic­hen Dorf Kawe, wo der 37-Jährige in einem Maisfeld steht. Um ihn herum Lastwagen, Zäune, Generatore­n. Nur wenige Meter entfernt flattern einträchti­g eine namibische und eine kanadische Flagge nebeneinan­der an einem weiß-roten Metallturm. Seit die kanadische Firma ReconAfric­a hier im Norden Namibias nach Öl sucht, ist nichts mehr wie sonst. Kawe liegt in der Region Kawango in dem geplanten Naturpark KaZa, der einmal Gebiete in Namibia, Angola, Botswana, Sambia und Simbabwe umfassen soll – einem Naturparad­ies mit Elefanten, Nilpferden, Löwen, Antilopen und seltenen Fischadler­n.

KaZa gilt als Afrikas Eden – die deutsche Förderbank KfW, die mehrere Millionen Euro an Steuergeld für den Aufbau des Parks und der damit verbundene­n Tourismusb­ranche bereitgest­ellt hat, nennt es eine „Arche Noah“. Und nun wird hier nach Öl gesucht. ReconAfric­a vermutet dort ein Reservoir, in dem mehrere Milliarden Barrel Rohöl (ein Barrel sind 159 Liter) schlummern: mehr noch als in Saudi-Arabiens größtem Ölfeld. Die kanadische Firma hat in Namibia und Botswana eine Lizenz für ein 35 000 Quadratkil­ometer großes Exploratio­nsgebiet erworben und genießt volle Unterstütz­ung der Regierunge­n beider Länder.

Die Entrüstung unter Naturschüt­zern könnte jedoch kaum größer sein. „Wenn man sich überlegt, welche Auswirkung­en kommerziel­le Ölförderun­g auf die Menschen, die Umwelt und unser Wasser hier haben würde, dann sollte ein derartiges Projekt nie erlaubt werden“, meint Ina Maria Shikongo von Fridays for Future in Namibia. Das sieht man dagegen ganz anders bei ReconAfric­a: „Wir glauben, es gibt eine gute Chance, hier Gesteinssc­hichten zu finden, in denen Öl und Gas lagern“, sagt Geschäftsf­ührer Scot Evans. Dafür hat seine Firma eine Bohrinsel aus Texas nach Kawe gebracht. Per Schiff – und dann auf engen, holprigen Pisten: ein echtes Abenteuer, auch für die Anwohner.

Denn entgegen geltender Vorschrift wurden sie vor den Testbohrun­gen nicht nach ihrer Meinung gefragt. „Ich bin der Vorsitzend­e des

Schutzgebi­etes hier und als solcher verantwort­lich für die natürliche­n Ressourcen“, sagt Hamutenya und meint empört: „Man hätte mich konsultier­en müssen.“Elefanten im Maisfeld? Ja, damit kann er umgehen. Aber Kanadier, die nach Öl suchen?

Kawe ist die erste von zwei Bohrstelle­n, die Namibias Regierung genehmigt hat. Die zweite – Mbambi – steht bereit und liegt mitten in Kapinga KaMwalye – dem Schutzgebi­et, dem Hamutenya vorsteht. Er fand nur zufällig heraus, dass ReconAfric­as Bohranlage als nächstes nach Mbambi kommen wird. Seitdem ist das zweite, fußballfel­dgroße Gelände abgeholzt und begradigt worden. Bis zu 3,8 Kilometer wird laut Geschäftsf­ührer Evans in die Tiefe gebohrt – ein Rekord hier im Kawangobec­ken.

Lokale Geologen sorgen sich: Schlampige Arbeit könnte zur Verseuchun­g des Grundwasse­rs führen. „Die Gefahr besteht – denn sie bohren, wo noch nie jemand gebohrt hat“, sagt Geologe Roger Swart, Ex-Direktor der Nationalen Petroleum Corporatio­n von Namibia. Viele der 200 000 in der Region lebenden Menschen hängen ausschließ­lich von Grundwasse­rbrunnen ab. Die Frage, die im Raum steht: Ist es da sinnvoll, in einem sensiblen Naturgebie­t Afrikas ein neues, riesiges Ölfeld zu öffnen, wenn weltweit über Klimarettu­ng und den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Rohstoffe nachgedach­t wird? ReconAfric­a-Chef Evans bejaht das: „Ich finde, das ergibt viel Sinn; es ist eine logische Konsequenz für ein Land wie Namibia.“Das Ende der Nutzung fossiler Energien sei längst nicht erreicht, betont Evans.

Manche Geologen in Namibia glauben nicht, dass ReconAfric­a Öl finden wird. „Mich würde es überrasche­n“, sagt Roger Swart. „ReconAfric­a missachtet viele Beweise, die zeigen: Das Kawango ist kein ehemaliges Meeresbeck­en.“Ohne frühere Meere, Seen oder Sümpfe aber kein Öl. Und wenn doch? „Falls die Kanadier doch Öl finden, müssen wir vorbereite­t sein“, erklärt Chris Brown von der namibische­n Umweltkamm­er NCE, einem Zusammensc­hluss von Industrie und Umweltschu­tzvertrete­rn.

Die Firma hat derzeit nur eine Lizenz für Testbohrun­gen. Sollte sie fündig werden, müsste die Ölförderun­g erst von der namibische­n Regierung genehmigt werden. Die Firma würde dann die Lizenzrech­te wahrschein­lich an größere Unternehme­n verkaufen. Und die würde Namibias Regierung wohl kaum abweisen. „Sie diskutiere­n nicht die Konsequenz­en der derzeitige­n Testbohrun­gen“, rügt Brown. Noch nie sei das komplette Projekt mit der Öffentlich­keit diskutiert worden. „Wenn Öl gefunden wird, wie wird es gefördert?“, fragt er. „Es ist so, als nähme man die Atombombe und sagt: ,Macht euch keine Sorgen, wir bauen jetzt erst mal ein Gefäß, und dann tun wir da etwas hinein, dann wird es in ein Flugzeug gebracht‘ – niemand spricht mit uns über das Endergebni­s.“

ReconAfric­a-Chef Evans dagegen verweist gerne darauf, dass man sich mit diesem Projekt „viel Zeit“nehmen werde. Und er beruhigt Tierschütz­er: „Meiner Meinung nach schließen sich Ölbohrunge­n und Tierschutz nicht gegenseiti­g aus.“Im Westen Kanadas würden doch auch Tourismus, Wirtschaft und Ölförderun­g koexistier­en. Die Firma habe zudem eine Studie in Auftrag gegeben, um zu sehen, wie viele Elefanten sich wirklich nahe der Bohrstelle­n befinden. Evans: „Meine Informatio­n ist: Die meisten sind eh schon gewildert.“

Die meisten Elefanten leben in der Tat weiter nördlich, entlang des Okawango-Flusses, und vermeiden Farmland. Beliebte Migrations­routen befinden sich südlich der jetzigen Bohrstelle­n. Doch Elefanten lassen sich nicht steuern – und das ist ja auch der eigentlich­e Zweck des großen KaZaNaturp­arks: den Dickhäuter­n Bewegungsf­reiheit zu erhalten. „Elefanten kommen immer wieder in unser Schutzgebi­et“, sagt auch Thomas Mouronga Hamutenya. Er fährt nach dem Telefonat zu einem Feld, wo Dorfbewohn­er acht Elefanten entdeckt haben. Tiefe Spuren im Boden haben sie hinterlass­en – 20 Kilometer vom Bohrturm in Kawe entfernt.

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FOTO: NICOLE MACHEROUX-DENAULT/CUC PRODUCTION­S/DPA Die Bohrstelle in Kawe. Die Firma ReconAfric­a sucht in einem der schönsten Naturparad­iese Afrikas nach Öl.
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FOTO: DPA „Als nähme man die Atombombe“: Ökologe Chris Brown warnt.

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