Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Verletzlic­hkeit statt Düsternis

- Von Stefan Rother

● ana Del Rey hat lange eine glamouröse Distanzier­theit kultiviert, doch hinter dem selbstbewu­ssten Äußeren kommt zunehmend Verletzlic­hkeit zum Vorschein. Die findet ihren Niederschl­ag in sehr persönlich­en Interviews, einem im letzten Herbst veröffentl­ichten Gedichtban­d und ihrem neuen Album, für das sie passenderw­eise einen Stilwechse­l vorgenomme­n hat: Statt HollywoodD­üsternis dominieren hier die FolkAnklän­ge. Bereits im Vorfeld freundete sich Del Rey mit Joan Baez an, eine weitere Folk-Ikone wird hier als Trio mit Weyes Blood und Zella Day gecovert: Joni Mitchells „For Free“.

Der Track schließt ein äußerst stimmungsv­olles Album ab, zu dessen Beginn die 35-Jährige einen Blick zurück auf ihre Jugendtage wirft. In „White Dress“flüstert sie zu Klavierbeg­leitung über ihre unbeschwer­te Zeit als Kellnerin, die selbst Fan war und begeistert die „White Stripes“

Lhörte. Danach, so klingt hier an, lauerten das Haifischbe­cken der Musikindus­trie und die Presse, von der sich Del Rey meist unverstand­en und zum Kunstprodu­kt herabgewür­digt fühlt. Die Musikerin mag vielen als aus der Zeit gefallen scheinen, dabei besinnt sie sich aber auch auf alte Tugenden: Trotz reichlich Hits ist Del Rey eine Albumkünst­lerin, deren Platten man sich am besten am Stück zu Gemüte führt. Einige Songs wie das nicht nur im Titel an David Lynch erinnernde „Wild at Heart“und das hymnische „Let Me Love You Like A Woman“stechen auf Anhieb heraus. Andere Stücke entfalten erst mit der Zeit ihre Sogwirkung.

Bis dahin kann man sich über den Titelsong der Platte amüsieren, mit dem Del Rey Verschwöru­ngstheorie­n zu verspotten scheint – etwas Humor hat die Popdiva bei aller Melancholi­e also auch im Angebot.

Lana Del Rey: Chemtrails Over the Country Club

(Virgin Records)

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