„Modell Tübingen“für Alb-Donau-Kreis?
Corona-Management: Kreisräte unzufrieden mit aktueller Lage – Wie es den Firmen geht
● ALB-DONAU-KREIS/LONSEE - Kino, Theater, Konzerte können dank eines „Tagestickets“in Tübingen wieder besucht werden. Die Stadt ist ModellStadt, anhand der gezeigt werden soll, wie Öffnungen im Bereich Kultur und Einzelhandel trotz Pandemie verantwortet werden könnten. Umfangreiche Corona-Tests machen es möglich. Ein Weg auch für den Alb-DonauKreis?
Denn: So, wie es momentan zwischen Langenau und Ehingen praktiziert wird, so könne es nicht weitergehen. Darin schienen sich die Kreisräte bei ihrer Sitzung am Montag in Lonsee einig. Als „ganz schlimm“bezeichnete etwa Klara Dorner (SPD) die aktuelle Lage, vor allem für die Gastronomie und den Handel. Nicht nur sie kritisierte ein mitunter unübersichtliches Hin und Her bei dem, was an Öffnungen erlaubt ist. Mal dürfen Kunden bestellte Produkte abholen (Click & Collect), mal sich sogar beraten lassen (Click & Meet). Doch schon auf der anderen Donauseite, etwa in NeuUlm, gilt eine andere Praxis. Dorner sieht: „Dringenden Handlungsbedarf.“
Anlass der Debatte war ein Bericht der Kreisverwaltung über die wirtschaftliche Lage im Kreis im Zeichen der Pandemie. Und die ist: unübersichtlich. Denn während manche Branchen, wie etwa IT-Firmen, „sehr gut“durch die Krise kämen, seien Gastgewerbe, Beherbergung, Einzelhandel sowie die Kultur- und Kreativwirtschaft laut Bericht „zum Erliegen“gekommen. Doch unterm Strich ist das Leiden natürlich groß. Dramatisch bei den Veranstaltungstechnikern. Die würden im Alb-DonauKreis „ums Überleben“kämpfen.
Dies zeigt sich aber weniger in Arbeitslosenzahlen, die Quote war im Januar im Kreis noch immer eine bessere als im Landesschnitt (unter 3,5 Prozent). Die Kurzarbeit federt einiges ab. Es häufen sich jedoch Schicksale. Familienunternehmen zehren Rücklagen auf, schon jetzt mussten einige Geschäfte ihre Pforten für immer schließen.
Wie kann da der Kreis gegensteuern? Landrat Heiner Scheffold teilt die Bestandsaufnahme von Klara Dorner und anderen Kreisräten. Das von der Bundes- und Landespolitik angeordnete „Kleinklein“sei stellenweise „nicht nachvollziehbar“. Wohl wissend natürlich, dass die Runde um Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten am Montagabend doch noch Lösungen aus dem Hut zaubern könnten, die die Unzufriedenheit in der Bevölkerung verringern.
Warum aber macht es der Alb-Donau-Kreis nicht wie Tübingen – massenweise Tests und im Gegenzug deutlich mehr Freiheiten und Einnahmequellen für Geschäfte? Klara Dorner wünscht sich dies; es sei nicht verständlich, dass nur eine Stadt im Südwesten so verfahren darf, sagte sie.
Landrat Scheffold erklärte die Hintergründe: Tübingen sei ein Test-Ballon des Landes. Motto: „Öffnen mit Sicherheit“. In der Tat habe es noch weitere Interessenten gegeben, aber zunächst sei nur die vom streitbaren Grünen Boris Palmer regierte Stadt auserkoren worden. 250 000 CoronaTestkits stehen der Stadt am Neckar für den Versuch, der drei Wochen gehen soll, zur Verfügung. Scheffold rechnete hoch: Für den Alb-DonauKreis würden in diesem Fall 550 000 Tests benötigt.
Auch wenn in seinem Zuständigkeitsbereich zunächst alles beim – unbefriedigenden – Alten bleibt, der Alb-Donau-Kreis Tübingen nicht nacheifern wird. Heiner Scheffold betonte: je mehr kostenlose Tests für die Bürger, desto besser. Die Kommunen fahren sukzessive Testzentren hoch, nach Ostern sollen sich die Schüler alle selbst testen (unter Anleitung).
Hinzu kämen Testmöglichkeiten in Praxen und Apotheken. Nicht zu vergessen Tests in Betrieben. Das liege im ureigenen Interesse der Wirtschaft, so Scheffold. Denn wenn in eine Firma eine „Mutante“reinkommt, dann sei da „schnell mal eine ganze Abteilung zu“.
Bis Ende Februar seien gut 30 Millionen Euro an Corona-Soforthilfen in den Alb-Donau-Kreis geflossen, 3223 Anträge positiv beschieden worden. Was sich nach viel anhört, schrumpft angesichts der Relation auf eine nicht mehr ganz so beeindruckende Zahl. Denn in ganz Baden-Württemberg seien an solchen Hilfen schon 2,16 Milliarden Euro ausgezahlt worden.
Ob es Verzögerungen bei den Auszahlungen an Betroffene im Alb-Donau-Kreis gibt, konnte Scheffold nicht sagen. Da habe der Kreis „keinen Einblick“.
Wohl aber hat er einen guten Draht zur Handwerkskammer (HWK), zur Industrie- und Handelskammer (IHK) und zur Agentur für Arbeit. Die stellen für den Kreis fest: Die Situation für Auszubildende und Firmen, die ausbilden, sei „schwieriger“. Kurzarbeit, Zukunftssorgen, fehlende Infoplattformen wie Bildungsmessen – „Auszubildende und Unternehmer fanden wegen der Pandemie nicht zueinander“, lautet das Fazit des Kreises.
Zuletzt hätten sich nur noch knapp 400 junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk entschieden, ein Minus von 8,3 Prozent. Unterm Dach der IHK ist der Rückgang drastischer. Nur noch 545 Jugendliche nahmen hier eine Ausbildung auf, das sind minus 13,5 Prozent. Folge: Lehrstellen bleiben offen, in Summe sind es 170.
Insgesamt haben 86 000 Erwerbstätige ihren Arbeitsplatz im Alb-Donau-Kreis. Die wirtschaftliche Gesamtsituation beschrieb Landrat Heiner Scheffold unterm Strich als „stabil“. Gründe: eine breit aufgestellte Wirtschaft, ein starkes Handwerk. Scheffold stützt seine Einschätzung auf Befragungen, die sein Haus mit Experten und ausgewählten Personen und Unternehmen geführt hatte.
Das Bild: Je größer eine Firma, desto eher kommt sie, vereinfacht gesagt, durch die Krise. So hätten Industriefirmen mit internationalen Beziehungen diese bislang „gut“gemeistert, auch Maschinenbauer, die einen Schwerpunkt auf den chinesischen Markt legen, hätten sich stabilisiert.
Ein „dickes Minus“hätten aber Zulieferer der Automobilindustrie zu verkraften gehabt. Stark betroffen auch: Marktbeschicker. Scheffold sicherte zu: Mit allem, was in der Macht des Kreises liege, werde dieser helfen.
So halte man zum Beispiel ungeachtet der Pandemie an der Tourismusförderung fest. Jens Kaiser (CDU) gab jedoch zu bedenken. Man dürfe keine falschen Hoffnungen wecken. Mit Blick auf Öffnungen oder Wirtschaftshilfen mahnte er: „Wir können nichts beschließen.“Hier habe der Kreis keine Kompetenz.