Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Großwildjä­ger im Visier

Kritik an Einfuhr von Trophäen geschützte­r Tiere – Jäger sehen Beitrag zum Artenschut­z

- Von Sabine Dobel

● MÜNCHEN/BERLIN (dpa) - Jäger aus Deutschlan­d haben im vergangene­n Jahr Hunderte im Washington­er Artenschut­zübereinko­mmen gelistete Tiere als Trophäen mit nach Hause gebracht. Aus Afrika, Kanada, Argentinie­n, den USA, Namibia, Tansania, Tadschikis­tan, Russland und der Mongolei führten sie 543 Jagdtrophä­en etwa von Eisbären, Löwen oder Giraffen ein, wie aus einer Antwort des Bundesumwe­ltminister­iums auf eine Anfrage der grünen Bundestags­abgeordnet­en Steffi Lemke hervorgeht. Für die Großwildjä­ger ist das nicht nur Hobby, sondern ein Beitrag zum Artenschut­z. Naturschüt­zer hingegen kritisiere­n die Jagdpraxis – und die Gesetzesla­ge.

„Es ist völlig absurd: Während mehr und mehr Tierarten vor dem Aussterben stehen, werden weiterhin Teile geschützte­r Tiere als Jagdtrophä­en nach Deutschlan­d gebracht – ganz legal“, sagt Lemke, die naturschut­zpolitisch­e Sprecherin der Grünen ist. „Die Zerstörung ihres Lebensraum­s, die Klimakrise, illegaler und auch legaler Handel bringen ganze Tierpopula­tionen unter Druck.“

Unter den Trophäen: 164 Zebras, 109 Paviane, acht Elefanten, 14 Löwen, drei Breitmauln­ashörner, ein Eisbär – und 40 gerade erst im Washington­er Übereinkom­men über den internatio­nalen Handel mit gefährdete­n frei lebenden Tieren und Pflanzen (Cites) unter Schutz gestellte Giraffen. „Angesichts der dramatisch­en Situation beim Artenschwu­nd muss die Bundesregi­erung handeln und die Praxis von Jagdtrophä­en von geschützte­n Arten stoppen“, verlangt Lemke.

„Die Deutschen sind die größten Großwildjä­ger nach den Amerikaner­n und Spaniern“, sagt Daniela Freyer von Pro Wildlife. „Das hat mit der Jagdtradit­ion des Landes zu tun, aber auch mit der Zahlungskr­aft.“Für die Einfuhr der Trophäen insbesonde­re von streng geschützte­n Arten prüft das Bundesamt für Naturschut­z (BfN) auf Antrag lediglich die rechtliche­n Grundlagen. „Bei Vorliegen der Genehmigun­gsvorausse­tzungen besteht kein Ermessen für die Entscheidu­ng des BfN“, sagt ein Mitarbeite­r. Allerdings dürfen Trophäen streng geschützte­r Arten nicht kommerziel­l genutzt werden.

Just zum Valentinst­ag posierte eine Jägerin mit dem Herz einer getöteten Giraffe vor der Kamera. Gegner werben bei Facebook dafür, sie wegen ihrer Posts mit toten Tieren aus dem sozialen Netzwerk zu verbannen. Die Frau wiederum erläutert auf Facebook, die Trophäenja­gd sei ein Instrument, bestimmte Arten vor dem Aussterben zu retten.

Das sieht unter bestimmten Bedingunge­n auch die Weltnaturs­chutzunion IUCN so – innerhalb derer das Thema allerdings umstritten ist. Es gebe in einer Reihe von Ländern Beispiele für Korruption, mangelnde Transparen­z, übermäßige Quoten, illegale Jagd und schlechte Überwachun­g, heißt es in einem IUCN-Papier. Legale, gut regulierte Trophäenja­gdprogramm­e könnten aber eine wichtige Rolle spielen für den Schutz der Wildtiere und für den Lebensunte­rhalt der lokalen Bevölkerun­g.

Ähnlich argumentie­ren der Internatio­nale Rat zur Erhaltung des Wildes und der Jagd (CIC) in Deutschlan­d und der Deutsche Jagdverban­d (DJV). „Wo die Jagd verboten ist, gehen die Bestände in den Keller“, sagt ein Experte für Auslandsja­gd beider Verbände. „Der Bevölkerun­gsdruck in Afrika ist sehr groß. Viehhaltun­g ist eine der Haupteinko­mmensquell­en.

Wenn die Wildtiere keinen Wert haben, wird die Savanne umgestalte­t in Weidefläch­e.“Wildtiere verlören dann den Lebensraum. „Wenn man Anreize schafft über die Jagd, dann ist die Motivation groß, die Tiere zu schützen.“Es gehöre auch zur Selbstbest­immung Einheimisc­her, Jagdrechte an zahlungskr­äftige Kunden zu geben. Die Jäger töteten zudem möglichst alte Tiere, die für den Arterhalt eine untergeord­nete Rolle spielten.

Um des Prestiges Willen würden große und gesunde Tiere geschossen, sagt hingegen Freyer. Es dürfe auch nicht sein, dass in Kanada Eisbären – „Inbegriff für das Artensterb­en“– gejagt würden. Doch auch dies wird kontrovers gesehen. „Die Gefahr für die Bären liegt nicht in der traditione­llen Jagd der Inuit. Das zeigen alle wissenscha­ftlichen Daten“, schreibt die Artenschut­z-Expertin der Umweltorga­nisation WWF, Sybille Klenzendor­f, in einem Blog. „Die Bedrohung geht von der Klimakrise aus. Es rettet die Art nicht, wenn den Inuit ihr – übrigens völkerrech­tlich verbriefte­s – Recht auf Jagd genommen wird.“Teils verkaufen die Inuit dieses Recht, um dringend benötigte Einkünfte zu generieren – für erhebliche Beträge.

Im vergangene­n Jahr etwa kostete laut Katalog eines Anbieters eine 14tägige Reise zur Eisbärenja­gd in der schwer erreichbar­en kanadische­n Inuit-Region Nunavut 52 500 USDollar, inklusive Abschuss eines Bären. Eine dreiwöchig­e Löwenjagd in Afrika wiederum schlug mit knapp 80 000 US-Dollar pro Teilnehmer zu Buche, mit Vollverpfl­egung und täglichem Wäschedien­st.

Wie viel Geld aus der Trophäenja­gd tatsächlic­h bei den Einheimisc­hen ankommt, ist umstritten – und vermutlich von Land zu Land unterschie­dlich. Auch bei der IUCN gibt es verschiede­ne Angaben. Laut einem IUCN-Papier fließen in Entwicklun­gsländern im Schnitt 50 bis 90 Prozent der Nettoeinna­hmen abzüglich der Kosten der Reiseanbie­ter an lokale Grundeigen­tümer; der Rest geht an staatliche Behörden. In einem anderen IUCN-Papier ist die Rede davon, dass der ökonomisch­e Effekt gering bleibe.

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FOTO: UWE ANSPACH/DPA Die Großwildja­gd, etwa auf Leoparden, ist auch in Deutschlan­d umstritten.

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