Storchengeklapper über den Dächern der Stadt
Die Tiere bereiten ihre Nester für die Aufzucht der Jungen vor – Ehrenamtliche für die Betreuung gesucht
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RIEDLINGEN - Im Minutentakt schweben die Störche über die Riedlinger Fußgängerzone, schleppen unermüdlich Äste, Moos und Gras im Schnabel herbei, um ihre Nester für die Aufzucht der Jungen vorzubereiten. Ein Teil der Riedlinger Störche blieb über den Winter in Riedlingen. Die anderen kehrten mit den ersten warmen Tagen im März zu ihren Stammhorsten zurück. Und seitdem wird mit den Schnäbeln geklappert, gebalzt und mit den Nachbarn gestritten.
Wenn sie über den Winter nicht sowieso in der Region geblieben sind, kehren die Störche – meistens die Männchen zuerst – im März zu ihrem Stammhorst zurück. Nur in etwa einem Drittel der Fälle sind die Weibchen schneller, schreibt der NABU in seiner Pressemitteilung. „Beim Wiedersehen gibt es dann großes Geklapper, und – sollte das Nest schon besetzt sein – mitunter heftigen Streit“, so die Storchenexpertin Ute Reinhard. Wenn nicht gestritten wird, arbeiten die Adebare an ihrer Bleibe in luftiger Höhe.
Und dabei gibt es tatsächlich Störche, die besondere Vorlieben an den Tag legen. Die Dornerhaus-Vögel bleiben über den Winter in ihrem Nest hocken. Anstatt wie die anderen Störche im Frühjahr mit der Renovierung ihres Domizils zu beginnen, warten sie lieber, bis NachbarStorchs ihr Nest verlassen. Flugs fliegen die beiden abwechselnd hinüber und klauen dort das Nistmaterial. Während ihr eigenes Nest immer höher wird, bleibt das Nachbarsnest relativ karg. Nur zur Nahrungsaufnahme zieht es die Störche auf dem Dornerhaus donauaufwärts, hinter den Sportplatz.
Die Vögel im Nest auf dem östlichen Rathausgiebel bevorzugen die Donauwiesen flussabwärts. Allerdings scheint einer der beiden Störche eine leichte Orientierungsschwäche zu haben. Im Anflug auf die Stadt fliegt er erst am eigenen Horst, dann am Nachbarhorst vorbei. Kurz vor der Holzbrücke fällt ihm ein, dass er zu weit geflogen ist. In einer großen Schleife kehrt er elegant um und landet zielsicher in seinem Nest.
In Riedlingen haben in den vergangenen Jahren so viele Störche Nester gebaut, dass man beim Zählen ins Schleudern kommen kann. Reiner Deschle und Ute Reinhard, die die Homepage „Störche Oberschwaben“betreuen, zählten im vergangenen Jahr 16 Horste allein in Riedlingen. Das Nest an der Schwarzach, das auf der Stromleitung thronte, wurde über den Winter abgebaut. Bleiben 15
– eines davon in der Eichenau. Und es sind nicht nur Stammpaare, die sich in ihren Nestern auf die Brut vorbereiten, in der Region unterwegs. Jungstörche benehmen sich wie die Flegel und attackieren regelmäßig die brütenden Paare. Dabei kann es manchmal zu blutigen Kämpfen kommen.
Die Weißstörche im Südwesten haben Aufwind, die Bestände erholen sich seit einigen Jahren. Weil die Zahl der Horste zunimmt, sucht der NABU ehrenamtliche Helfer, die als
Fachleute vor Ort die Horste betreuen, Jungstörche beringen und die Daten an Forschungsstellen und Behörden weitergeben. „Wir suchen dringend engagierte Ehrenamtliche mit einem Herz für die Störche und wollen diese in einer Schulung auf ihre wichtigen Aufgaben vorbereiten“, sagt Storchenexpertin Reinhard. Aufgrund der Corona-Situation ist der Termin noch offen, Informationen zur Schulung gibt es unter www.NABU-BW.de/storchenschulung. „Wir müssen Entwicklungen dokumentieren und die Lebensräume des NABU-Wappentiers noch stärker schützen, damit wir bisherige Erfolge für die Zukunft bewahren können. Vergangenes Jahr war – mit durchschnittlich 1,7 Jungtieren pro Paar – leider nur ein mäßig gutes Storchenjahr“, sagt Reinhard.
Damit die Storcheneltern bis zu ihrem Rückflug ins Winterquartier im Spätsommer genügend Nahrung für sich und den Nachwuchs finden, müssen einige Bedingungen erfüllt sein. „Störche ernähren sich vorwiegend von kleinen Säugetieren und Wirbellosen, wie Mäuse und Regenwürmer, und fangen auch Amphibien, sofern sie noch welche finden“, erklärt die Storchenfachfrau. Mit ihren langen roten Beinen schreiten sie an Tümpeln entlang, staksen über Feuchtwiesen oder folgen bei der Wiesenmahd den Traktoren und lesen dort Insekten und andere Kleintiere auf. Der Tisch für den Storch bleibt aber nur gedeckt, wenn Beutetiere Rückzugsräume finden, in denen sie sich vermehren können. So sollten Wiesen beispielsweise immer zeitlich gestaffelt gemäht werden. Sind diese lückig und nicht zu intensiv genutzt oder werden beweidet, ist dies für Störche optimal.
Die baden-württembergischen Weißstörche fliegen über die Westroute. Wer in Marokko oder gar Mali startet, legt bis zu 4500 Kilometer zurück, bis im März das Ziel erreicht ist. Immer mehr Störche überwintern allerdings weiter nördlich in Spanien, wo sie auf offenen Müllkippen und in Reisfeldern reichlich Nahrung finden. Von dort fliegen sie im Frühjahr an Küste und Alpenrand entlang gen Heimat. Im Flug streckt der Weißstorch seinen Hals gerade nach vorn – im Unterschied zum Graureiher.
Die Brutzeit für die Jahresbrut beginnt Mitte März und endet Anfang August. Das Gelege mit durchschnittlich drei bis fünf Eiern wird von beiden Partnern 32 bis 33 Tage bebrütet. Nach etwa zwei Monaten verlassen die Jungvögel das Nest. Sie sind noch einige Wochen durch ihre schwärzliche Schnabelspitze von den Altvögeln zu unterscheiden.