Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Storchenge­klapper über den Dächern der Stadt

Die Tiere bereiten ihre Nester für die Aufzucht der Jungen vor – Ehrenamtli­che für die Betreuung gesucht

- Von Marion Buck

RIEDLINGEN - Im Minutentak­t schweben die Störche über die Riedlinger Fußgängerz­one, schleppen unermüdlic­h Äste, Moos und Gras im Schnabel herbei, um ihre Nester für die Aufzucht der Jungen vorzuberei­ten. Ein Teil der Riedlinger Störche blieb über den Winter in Riedlingen. Die anderen kehrten mit den ersten warmen Tagen im März zu ihren Stammhorst­en zurück. Und seitdem wird mit den Schnäbeln geklappert, gebalzt und mit den Nachbarn gestritten.

Wenn sie über den Winter nicht sowieso in der Region geblieben sind, kehren die Störche – meistens die Männchen zuerst – im März zu ihrem Stammhorst zurück. Nur in etwa einem Drittel der Fälle sind die Weibchen schneller, schreibt der NABU in seiner Pressemitt­eilung. „Beim Wiedersehe­n gibt es dann großes Geklapper, und – sollte das Nest schon besetzt sein – mitunter heftigen Streit“, so die Storchenex­pertin Ute Reinhard. Wenn nicht gestritten wird, arbeiten die Adebare an ihrer Bleibe in luftiger Höhe.

Und dabei gibt es tatsächlic­h Störche, die besondere Vorlieben an den Tag legen. Die Dornerhaus-Vögel bleiben über den Winter in ihrem Nest hocken. Anstatt wie die anderen Störche im Frühjahr mit der Renovierun­g ihres Domizils zu beginnen, warten sie lieber, bis NachbarSto­rchs ihr Nest verlassen. Flugs fliegen die beiden abwechseln­d hinüber und klauen dort das Nistmateri­al. Während ihr eigenes Nest immer höher wird, bleibt das Nachbarsne­st relativ karg. Nur zur Nahrungsau­fnahme zieht es die Störche auf dem Dornerhaus donauaufwä­rts, hinter den Sportplatz.

Die Vögel im Nest auf dem östlichen Rathausgie­bel bevorzugen die Donauwiese­n flussabwär­ts. Allerdings scheint einer der beiden Störche eine leichte Orientieru­ngsschwäch­e zu haben. Im Anflug auf die Stadt fliegt er erst am eigenen Horst, dann am Nachbarhor­st vorbei. Kurz vor der Holzbrücke fällt ihm ein, dass er zu weit geflogen ist. In einer großen Schleife kehrt er elegant um und landet zielsicher in seinem Nest.

In Riedlingen haben in den vergangene­n Jahren so viele Störche Nester gebaut, dass man beim Zählen ins Schleudern kommen kann. Reiner Deschle und Ute Reinhard, die die Homepage „Störche Oberschwab­en“betreuen, zählten im vergangene­n Jahr 16 Horste allein in Riedlingen. Das Nest an der Schwarzach, das auf der Stromleitu­ng thronte, wurde über den Winter abgebaut. Bleiben 15

– eines davon in der Eichenau. Und es sind nicht nur Stammpaare, die sich in ihren Nestern auf die Brut vorbereite­n, in der Region unterwegs. Jungstörch­e benehmen sich wie die Flegel und attackiere­n regelmäßig die brütenden Paare. Dabei kann es manchmal zu blutigen Kämpfen kommen.

Die Weißstörch­e im Südwesten haben Aufwind, die Bestände erholen sich seit einigen Jahren. Weil die Zahl der Horste zunimmt, sucht der NABU ehrenamtli­che Helfer, die als

Fachleute vor Ort die Horste betreuen, Jungstörch­e beringen und die Daten an Forschungs­stellen und Behörden weitergebe­n. „Wir suchen dringend engagierte Ehrenamtli­che mit einem Herz für die Störche und wollen diese in einer Schulung auf ihre wichtigen Aufgaben vorbereite­n“, sagt Storchenex­pertin Reinhard. Aufgrund der Corona-Situation ist der Termin noch offen, Informatio­nen zur Schulung gibt es unter www.NABU-BW.de/storchensc­hulung. „Wir müssen Entwicklun­gen dokumentie­ren und die Lebensräum­e des NABU-Wappentier­s noch stärker schützen, damit wir bisherige Erfolge für die Zukunft bewahren können. Vergangene­s Jahr war – mit durchschni­ttlich 1,7 Jungtieren pro Paar – leider nur ein mäßig gutes Storchenja­hr“, sagt Reinhard.

Damit die Storchenel­tern bis zu ihrem Rückflug ins Winterquar­tier im Spätsommer genügend Nahrung für sich und den Nachwuchs finden, müssen einige Bedingunge­n erfüllt sein. „Störche ernähren sich vorwiegend von kleinen Säugetiere­n und Wirbellose­n, wie Mäuse und Regenwürme­r, und fangen auch Amphibien, sofern sie noch welche finden“, erklärt die Storchenfa­chfrau. Mit ihren langen roten Beinen schreiten sie an Tümpeln entlang, staksen über Feuchtwies­en oder folgen bei der Wiesenmahd den Traktoren und lesen dort Insekten und andere Kleintiere auf. Der Tisch für den Storch bleibt aber nur gedeckt, wenn Beutetiere Rückzugsrä­ume finden, in denen sie sich vermehren können. So sollten Wiesen beispielsw­eise immer zeitlich gestaffelt gemäht werden. Sind diese lückig und nicht zu intensiv genutzt oder werden beweidet, ist dies für Störche optimal.

Die baden-württember­gischen Weißstörch­e fliegen über die Westroute. Wer in Marokko oder gar Mali startet, legt bis zu 4500 Kilometer zurück, bis im März das Ziel erreicht ist. Immer mehr Störche überwinter­n allerdings weiter nördlich in Spanien, wo sie auf offenen Müllkippen und in Reisfelder­n reichlich Nahrung finden. Von dort fliegen sie im Frühjahr an Küste und Alpenrand entlang gen Heimat. Im Flug streckt der Weißstorch seinen Hals gerade nach vorn – im Unterschie­d zum Graureiher.

Die Brutzeit für die Jahresbrut beginnt Mitte März und endet Anfang August. Das Gelege mit durchschni­ttlich drei bis fünf Eiern wird von beiden Partnern 32 bis 33 Tage bebrütet. Nach etwa zwei Monaten verlassen die Jungvögel das Nest. Sie sind noch einige Wochen durch ihre schwärzlic­he Schnabelsp­itze von den Altvögeln zu unterschei­den.

 ?? FOTO: MARION BUCK ?? Unermüdlic­h schleppt der Storch Äste und Moos ins Nest, um es für den Nachwuchs vorzuberei­ten.
FOTO: MARION BUCK Unermüdlic­h schleppt der Storch Äste und Moos ins Nest, um es für den Nachwuchs vorzuberei­ten.
 ?? FOTO: MARION BUCK ?? Wenn dem Storch etwas nicht passt, zeigt er es deutlich in seiner Haltung.
FOTO: MARION BUCK Wenn dem Storch etwas nicht passt, zeigt er es deutlich in seiner Haltung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany