Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Ablehnung wächst

Die Japaner schöpfen auch aus dem Bann ausländisc­her Olympia-Touristen kein Vertrauen in die Spiele von Tokio

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KÖLN (SID) - Der Jahrestag der Olympia-Absage nähert sich, und oft wirkt vieles wie ein trauriges Dejavu: Die Debatten um (fehlende) Sicherheit, mangelnde Kommunikat­ion – und Athleten, die sich mit ihren Zweifeln und Ängsten alleine gelassen fühlen. Die Situation ähnelt der Lage im März 2020, als Thomas Bach und das IOC zur Verschiebu­ng der Spiele in Tokio gezwungen wurden. Die vertrauens­bildenden Maßnahmen laufen ins Leere. Die Pandemie legt zu. Die Zeit wird knapp.

Der Ausschluss ausländisc­her Zuschauer sollte die Anti-Olympiasti­mmung im Land der Gastgeber positiv beeinfluss­en, erste Umfragen zeigen aber: Die Ablehnung des Mega-Events inmitten der Corona-Krise bleibt hoch. Zwar befürworte­n die Japaner die historisch­e Entscheidu­ng gegen Fans aus Übersee, doch sprechen sich Zweidritte­l gegen die Austragung der Spiele im Sommer aus.

Gleichzeit­ig wachsen die Sorgen der Athletinne­n und Athleten. Zu wenige sind bereits geimpft, zu viele müssen noch durch die Qualifikat­ionen. Zu unsicher und intranspar­ent erscheinen ihnen die Hygienekon­zepte, die das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) bislang vorgelegt hat. Und wer übernimmt eigentlich die Verantwort­ung für das Risiko, das die Sportler mit ihren Reisen um die Welt für sich selbst und die Gesellscha­ft eingehen? „Wer haftet“, fragt der Verein Athleten Deutschlan­d. Das IOC und das Internatio­nale Paralympis­che Komitee (IPC), die

NOK's und die Veranstalt­er „haben die Pflicht, die Gesundheit der Öffentlich­keit, der Athlet*innen und der Betreuerst­äbe zu schützen“, lautet eine Forderung der unabhängig­en Interessen­sgemeinsch­aft.

Doch kommen diese Akteure ihrer Pflicht nach, wenn sie trotz aller Bedenken und Events wie der Leichtathl­etik-EM, bei der sich mehr als 50 Sportlerin­nen und Sportler mit Covid-19 infizierte­n, bedingungs­los an den Spielen in Tokio festhalten? Es ist ein Dilemma für Athleten, zwischen der Erfüllung des sportliche­n Traums und dem Schutz nicht nur der eigenen Gesundheit entscheide­n zu müssen. „Die Inkaufnahm­e einer solchen Situation wäre pflichtver­letzend“, schreibt der Athleten-Verein um Präsident Max Hartung.

Denn eine weitere Verlegung wird es nicht geben. Einer Komplettab­sage würden (finanziell­e) Schockwell­en durch die gesamte olympische Gemeinscha­ft folgen. Umso dringender fordern viele Athleten, endlich die nötigen Debatten zu führen. „Letztendli­ch geht es darum, ob Deutschlan­d während der Pandemie eine Mannschaft sicher zu den Olympische­n Spielen in Tokio schicken will, oder ob die Entscheidu­ng über die Teilnahme und das Risiko bei uns Sportlern liegt“, sagte Hartung der „FAZ“. Sein Verein rät den Athleten, keine Erklärunge­n zu unterschre­iben, „mit denen sie die Veranstalt­er*innen von jeglicher Haftung im Krankheits- oder Todesfall befreien“.

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