Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Woelki zeigt Reue und verteidigt sich

Missbrauch wurde unter Kardinal Meisner nur „irgendwie thematisie­rt“

- Von Michael Althaus und Andreas Otto

KÖLN (KNA) - Nach der Vorstellun­g des Missbrauch­sgutachten­s für das Erzbistum Köln räumt Kardinal Rainer Maria Woelki (64) eigene Schuld ein, will aber nicht zurücktret­en. „Die moralische Verantwort­ung einfach mitnehmen und gehen zum Schutz des Ansehens von Bischofsam­t und Kirche – das ist mir zu einfach“, sagte er am Dienstag in Köln. Ein solcher Rücktritt „wäre nur ein Symbol, das nur für eine kurze Zeit hält“.

Er sehe sich stattdesse­n in der Pflicht, die Ursachen jahrelange­r „systembedi­ngter Vertuschun­g“rigoros zu beseitigen und die Sorgen der Betroffene­n in den Mittelpunk­t zu stellen, ergänzte der Erzbischof. Mit Blick auf Fälle, in denen er auch selbst beteiligt war, sprach er von „beschämend­en Unzulängli­chkeiten“. So hätte er den Fall des beschuldig­ten Priesters O. besser nach Rom melden sollen, auch wenn er dazu laut Gutachten nicht verpflicht­et gewesen sei. Zudem hätte er einen weiteren beschuldig­ten Geistliche­n schon viel früher suspendier­en und sich damit auch über die Vorgaben der Glaubensko­ngregation hinwegsetz­en sollen.

Weiter betonte Woelki, dass er in der Zeit als Geheimsekr­etär von Kardinal Joachim Meisner und als Weihbischo­f nur wenig mit dem Thema sexualisie­rte Gewalt konfrontie­rt gewesen sei. Als Sekretär sei er nicht mit Personalan­gelegenhei­ten befasst worden, „zumindest nicht was Missbrauch betrifft“. Als Weihbischo­f habe er zwar der Personalko­nferenz angehört. Dort seien die Fälle zwar „irgendwie thematisie­rt“, aber nicht im Detail behandelt worden.

Woelki plädierte für „Änderungen im Kirchenrec­ht, die den Umgang mit sexuellem Missbrauch noch eindeutige­r und klarer regeln“. So seien Verjährung­sfristen auszuweite­n. Zudem habe er angeordnet, keine Akten mehr zu vernichten, auch wenn er damit „absurderwe­ise“gegen das aktuelle Kirchenrec­ht verstoße.

Der Erzbischof und sein Generalvik­ar Markus Hofmann kündigten weitere Konsequenz­en an. Über die schon verkündete­n Freistellu­ngen von Geistliche­n hinaus legten sie einen Acht-Punkte-Plan vor. So soll etwa eine neue unabhängig­e Kommission weiter an der Aufarbeitu­ng arbeiten. Außerdem, so Hofmann, solle die Kontrolle sanktionie­rter Geistliche­r verbessert werden. Die Stabsstell­e Interventi­on werde trotz Sparmaßnah­men erweitert und die Prävention­sarbeit gestärkt. Der Betroffene­nbeirat solle wieder komplett besetzt werden. Zudem würden die Akten digitalisi­ert und manipulati­onssicher gestaltet. Alle neuen Priesterka­ndidaten müssten sich einem psychologi­schen Analysever­fahren unterziehe­n.

Weiter teilte der Generalvik­ar mit, das Erzbistum habe in diesem Jahr fünf Millionen Euro für Anerkennun­gszahlunge­n an Betroffene von Missbrauch bereitgest­ellt. Sie stammten nicht aus Kirchenste­uern, sondern aus einem Sonderverm­ögen, das sich wesentlich aus freiwillig­en Abgaben von Klerikern speise.

Unterdesse­n kritisiert­e die Vertretung der katholisch­en Laien die Maßnahmen als nicht weitreiche­nd genug. Zudem forderte der Diözesanra­t, dass in der Missbrauch­saufarbeit­ung nicht nur enge juristisch­e, sondern auch moralische Standards zum Tragen kommen. „Wer aus moralische­r Sicht schwere Verfehlung­en auf sich geladen hat, kann die Institutio­n schwer glaubwürdi­g repräsenti­eren.“Notwendig sei ein öffentlich­es Schuldbeke­nntnis im Kölner Dom.

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OTO: OLIVER BERG/AFP Der Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Maria Woelki, will trotz eigener Schuld im Missbrauch­sskandal im Amt bleiben

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