Buche Namens Berti: Baum erzählt über den Klimawandel
Im Botanischen Garten wird ein 60 Jahre alter Baum verkabelt und zum „Sprechen“gebracht
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ULM - Berti ist eine 60 Jahre alte Buche, zwölf Meter hoch und hat vom Botanischen Garten aus einen Blick aufs Ulmer Münster. Besonders viel hören kann man nicht, wenn man vor ihr steht. Doch zahlreiche Kabel und Gerätschaften lassen vermuten, dass es sich hier nicht um einen gewöhnlichen Baum handelt. Drei Mal wurde dieser angebohrt, um verschiedene Sensoren und Messgeräte anzubringen, die Einblick gewähren in das Innere des Baumes.
Der Baum wurde schon am 14. Dezember auf den Namen Berti getauft, nun stellten die Verantwortlichen das Projekt öffentlich vor. Die BUND-Hochschulgruppe der Universität Ulm kooperiert dabei mit dem Institut für Systematische Botanik und Ökologie um Professor Steven Jansen sowie dem Botanischen Garten Ulm. Finanziert ist das Projekt durch die Momo-Landesstiftung des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Im September vergangenen Jahres startete das Projekt.
Die Installation der Technik begann im November und Dezember. Die Rotbuche wurde mit allerlei Sensoren ausgestattet, um die Folgen des Klimawandels, insbesondere den Stress eines Baumes bei Trockenheit, zu veranschaulichen. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet eine Rotbuche verkabelt wurde. Die heimischen Wälder sind vor allem Buchenmischwälder. Wenn Berti also an Trockenstress leidet, verrät das auch einiges über den Zustand der umliegenden Wälder.
Die vielen Kabel und metallenen Kästchen sind nicht ohne Grund am Baumstamm angebracht, dahinter verbergen sich Messgeräte. Da gibt es einen Saftflussmesser, der über Sensoren misst, wie viel Wasser durch den Stamm fließt.
Fühlt man die von außen trockene Rinde eines Baumes, ahnt man gar nicht, welche Mengen an Wasser durch den Körper des Baumes fließen. Am Tag können das zwischen 60 und 100 Liter sein. Ein metallenes Band um den Stamm misst mit einer Feder auf 0,001 Millimeter genau die tageszeitlichen Schwankungen des Baumumfangs. Auch wenn man es mit dem menschlichen Auge selbst gar nicht wahrnehmen kann, verändert sich der Umfang des Baumes über den Tag hinweg. Spatenstiche auf dem Boden lassen erahnen, dass sich auch unter der Erde einiges tut.
Einen halben Meter tief im Boden sind zwei unterschiedliche Sensoren, die die Bodenfeuchtigkeit messen, angebracht. Es wird gemessen, wie groß der Wassergehalt ist und wie gut das Wasser für den Baum zugänglich ist. Gegenüber von Berti ist eine Wärmebildkamera angebracht. Über einen QR-Code kann man live vor Ort auf dem Smartphone die Wärmebilder abrufen. Auf den Bildern ist Berti ganz blau, woran man erkennen kann, wie sehr Bäume ihre Umgebung kühlen auch wenn das im Augenblick wegen der niedrigen Temperaturen so noch nicht zu spüren ist.
In einem Kasten fließen alle Daten zusammen, die dann über ein kompliziertes Verfahren umgewandelt werden und auf einer Website rund um die Uhr verfügbar sind.
Berti ist nicht der einzige sprechende Baum, die Buche hat Kollegen überall auf der Welt. Der erste sprechende Baum steht in Belgien. Eine belgische Wissenschaftlerin hat darüber einen Vortrag an der Universität Ulm gehalten.
So ist Cora Carmesin, Sprecherin der Hochschulgruppe und Doktorandin
am Institut, auf das Konzept aufmerksam geworden. Der Name der Buche ist nicht nur eine nette Spielerei. „Wir haben selbst gemerkt, sobald wir Berti einen Namen gegeben hatten, traten wir in eine ganz andere Beziehung zum Baum“, sagt Carmesin. Auch Katharina Müller, die Biologie auf Lehramt studiert und Bildungsformate zum Projekt entwickelt, erklärt, dass Kinder und Jugendliche über emotionales Lernen einen anderen Zugang zu Pflanzen bekommen. „Wir vergessen oft, dass Bäume auch Lebewesen sind, anders als bei Tieren“, sagt Katharina Müller. Sobald es wieder möglich ist, werden im Botanischen Garten Workshops für Kinder und Jugendliche vor Ort stattfinden.
Berti ist aber nicht nur ein Bildungsprojekt für Laien, sondern die Daten der Rotbuche werden auch an der Universität Ulm zur Forschung genutzt. Professor Steven Jansen, tätig am Institut für Systematische Botanik und Ökologie, sagt: „Wir erforschen, wie die Pflanzen Wasser transportieren und Baumstämme funktionieren.“
Die Forschung soll genutzt werden, um künstlich Bäume oder Baumstämme nachzubilden. Das kann zum Beispiel bei der Kühlung von Räumen und Gebäuden zum Einsatz kommen. Auch für die Erforschung des Klimawandels stellt Berti der Wissenschaft wichtige Daten zur Verfügung. Es wird erforscht, wie Pflanzen auf den lokalen Klimawandel reagieren. Im Augenblick entwickeln die Wissenschaftler günstige Sensoren, mit denen sich deutlich mehr Bäume ausstatten ließen. Steven Jansen träumt davon, „einen ganzen Wald zum Sprechen zu bringen“.