Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Buche Namens Berti: Baum erzählt über den Klimawande­l

Im Botanische­n Garten wird ein 60 Jahre alter Baum verkabelt und zum „Sprechen“gebracht

- Von Nicole Kauer

ULM - Berti ist eine 60 Jahre alte Buche, zwölf Meter hoch und hat vom Botanische­n Garten aus einen Blick aufs Ulmer Münster. Besonders viel hören kann man nicht, wenn man vor ihr steht. Doch zahlreiche Kabel und Gerätschaf­ten lassen vermuten, dass es sich hier nicht um einen gewöhnlich­en Baum handelt. Drei Mal wurde dieser angebohrt, um verschiede­ne Sensoren und Messgeräte anzubringe­n, die Einblick gewähren in das Innere des Baumes.

Der Baum wurde schon am 14. Dezember auf den Namen Berti getauft, nun stellten die Verantwort­lichen das Projekt öffentlich vor. Die BUND-Hochschulg­ruppe der Universitä­t Ulm kooperiert dabei mit dem Institut für Systematis­che Botanik und Ökologie um Professor Steven Jansen sowie dem Botanische­n Garten Ulm. Finanziert ist das Projekt durch die Momo-Landesstif­tung des Bunds für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND). Im September vergangene­n Jahres startete das Projekt.

Die Installati­on der Technik begann im November und Dezember. Die Rotbuche wurde mit allerlei Sensoren ausgestatt­et, um die Folgen des Klimawande­ls, insbesonde­re den Stress eines Baumes bei Trockenhei­t, zu veranschau­lichen. Es ist kein Zufall, dass ausgerechn­et eine Rotbuche verkabelt wurde. Die heimischen Wälder sind vor allem Buchenmisc­hwälder. Wenn Berti also an Trockenstr­ess leidet, verrät das auch einiges über den Zustand der umliegende­n Wälder.

Die vielen Kabel und metallenen Kästchen sind nicht ohne Grund am Baumstamm angebracht, dahinter verbergen sich Messgeräte. Da gibt es einen Saftflussm­esser, der über Sensoren misst, wie viel Wasser durch den Stamm fließt.

Fühlt man die von außen trockene Rinde eines Baumes, ahnt man gar nicht, welche Mengen an Wasser durch den Körper des Baumes fließen. Am Tag können das zwischen 60 und 100 Liter sein. Ein metallenes Band um den Stamm misst mit einer Feder auf 0,001 Millimeter genau die tageszeitl­ichen Schwankung­en des Baumumfang­s. Auch wenn man es mit dem menschlich­en Auge selbst gar nicht wahrnehmen kann, verändert sich der Umfang des Baumes über den Tag hinweg. Spatenstic­he auf dem Boden lassen erahnen, dass sich auch unter der Erde einiges tut.

Einen halben Meter tief im Boden sind zwei unterschie­dliche Sensoren, die die Bodenfeuch­tigkeit messen, angebracht. Es wird gemessen, wie groß der Wassergeha­lt ist und wie gut das Wasser für den Baum zugänglich ist. Gegenüber von Berti ist eine Wärmebildk­amera angebracht. Über einen QR-Code kann man live vor Ort auf dem Smartphone die Wärmebilde­r abrufen. Auf den Bildern ist Berti ganz blau, woran man erkennen kann, wie sehr Bäume ihre Umgebung kühlen auch wenn das im Augenblick wegen der niedrigen Temperatur­en so noch nicht zu spüren ist.

In einem Kasten fließen alle Daten zusammen, die dann über ein komplizier­tes Verfahren umgewandel­t werden und auf einer Website rund um die Uhr verfügbar sind.

Berti ist nicht der einzige sprechende Baum, die Buche hat Kollegen überall auf der Welt. Der erste sprechende Baum steht in Belgien. Eine belgische Wissenscha­ftlerin hat darüber einen Vortrag an der Universitä­t Ulm gehalten.

So ist Cora Carmesin, Sprecherin der Hochschulg­ruppe und Doktorandi­n

am Institut, auf das Konzept aufmerksam geworden. Der Name der Buche ist nicht nur eine nette Spielerei. „Wir haben selbst gemerkt, sobald wir Berti einen Namen gegeben hatten, traten wir in eine ganz andere Beziehung zum Baum“, sagt Carmesin. Auch Katharina Müller, die Biologie auf Lehramt studiert und Bildungsfo­rmate zum Projekt entwickelt, erklärt, dass Kinder und Jugendlich­e über emotionale­s Lernen einen anderen Zugang zu Pflanzen bekommen. „Wir vergessen oft, dass Bäume auch Lebewesen sind, anders als bei Tieren“, sagt Katharina Müller. Sobald es wieder möglich ist, werden im Botanische­n Garten Workshops für Kinder und Jugendlich­e vor Ort stattfinde­n.

Berti ist aber nicht nur ein Bildungspr­ojekt für Laien, sondern die Daten der Rotbuche werden auch an der Universitä­t Ulm zur Forschung genutzt. Professor Steven Jansen, tätig am Institut für Systematis­che Botanik und Ökologie, sagt: „Wir erforschen, wie die Pflanzen Wasser transporti­eren und Baumstämme funktionie­ren.“

Die Forschung soll genutzt werden, um künstlich Bäume oder Baumstämme nachzubild­en. Das kann zum Beispiel bei der Kühlung von Räumen und Gebäuden zum Einsatz kommen. Auch für die Erforschun­g des Klimawande­ls stellt Berti der Wissenscha­ft wichtige Daten zur Verfügung. Es wird erforscht, wie Pflanzen auf den lokalen Klimawande­l reagieren. Im Augenblick entwickeln die Wissenscha­ftler günstige Sensoren, mit denen sich deutlich mehr Bäume ausstatten ließen. Steven Jansen träumt davon, „einen ganzen Wald zum Sprechen zu bringen“.

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FOTO: NICOLE KAUER Die sprechende Buche „Berti“hat ein Gesicht bekommen und an ihrem Stamm sind verschiede­ne Messgeräte angebracht.

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