Wer negativ ist, darf ins Klassenzimmer
Land will nach Ostern mehr Schülern Präsenzunterricht durch Schnelltests bieten
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STUTTGART - Die Osterferien stehen vor der Tür. Und dann? Wie geht es an den Schulen in Baden-Württemberg ab dem 12. April weiter? Was die Landesregierung plant, wo noch Unsicherheiten bestehen und was Eltern und Lehrer fordern.
Können die Kinder nach den Ferien ● zurück zur Schule?
Dazu will sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kommende Woche mit Lehrern, Eltern und Schulleitern austauschen, wie er am Mittwoch im Landtag erklärt hat. Das Kultusministerium kenne keine Details zu dem Treffen, erklärt eine Sprecherin von Ministerin Susanne Eisenmann (CDU). Noch gebe es auch keinen Termin, aber das Kultusministerium werde eingebunden, betont eine Sprecherin Kretschmanns. Dabei soll ein Konzept zum Schulbetrieb entstehen mit dem Ziel, möglichst viele Schüler zurück in die Schule zu holen. Denkbar sei zudem Wechselunterricht dort, wo sich viele Menschen neu mit dem Coronavirus infizieren. Spätestens ab 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in einer Woche soll immer nur die Hälfte der Schüler im Klassenzimmer lernen dürfen.
Gibt es dann Tests für alle?
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„Nach den Osterferien kommt eine weitere Sicherheitssäule an den Schulen dazu“, so Kretschmann. Der Plan der Landesregierung sieht zwei Tests pro Woche in der Schule vor – und zwar für Lehrer und für Schüler. „Dadurch werden die Schulen sicherer und Spielräume für mehr Präsenz möglich“, sagte der Regierungschef. Kultusministerin Eisenmann unterstützt laut einer Sprecherin dieses Vorhaben, das sie schon lange fordere. Zwölf Millionen Schnelltests zur Selbstanwendung seien bereits geordert, erklärt Kretschmanns Sprecherin. Allein für den Schulbetrieb im Land seien etwa 3,5 Millionen Tests pro Woche nötig. Das werde nicht lange und nicht für alle reichen, entgegnet Norbert Brugger vom Städtetag. Die Kommunen sollen zusätzliche Tests bestellen und beim Land abrechnen können, fordert er. Etliche Städte haben längst mit flankierenden Tests für Schüler begonnen – etwa Ulm und Tübingen.
Wird es eine Testpflicht geben?
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Die Landesregierung will sich an Österreich orientieren. Kein Kind muss dort einen Test machen. Wer sich aber verweigert, darf nicht in die Schule und muss von zu Hause aus lernen. Das Land prüfe gerade, ob dies auch hier möglich sei, erklärt Kretschmanns Sprecherin. Ideal wäre aus Landessicht, wenn der Bund eine entsprechende Regelung ins Inden fektionsschutzgesetz aufnehmen würde – wie die geplante Testpflicht nach Auslandsreisen. Erste rechtliche Anhaltspunkte kann Sachsen liefern, wo der Zugang zur Schule bereits an negative Corona-Tests geknüpft ist. Das Oberverwaltungsgericht dort hat dieses Vorgehen gerade als verhältnismäßig bezeichnet. Urteile zu etlichen weiteren Klagen stehen aber noch aus.
Auch die Eltern setzen auf eine Testpflicht. „Die Nicht-Getesteten müssen draußen bleiben. Alles andere wäre unsinnig, dann hätten die Virusmutationen leichtes Spiel“, sagt Michael Mittelstaedt, Vorsitzender des Landeselternbeirats. Laut Landesgesundheitsamt sind die ansteckenderen Mutanten bereits für 82 Prozent der Infektionen verantwortlich. Deshalb reichten zwei Tests pro Woche auch nicht aus, erklärt er.
Auch die Bildungsverbände liebäugeln mit einer Testpflicht – aber nur, wenn externes Fachpersonal bei den Tests an Schulen hilft, erklärt Gerhard Brand vom Verband Bildung und Erziehung. Matthias Schneider von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert rechtliche Klarheit. „Eigentlich darf eine Lehrerin einem Kind nicht mal ein Pflaster auf die Wange drücken.“Ältere Kinder könnten sich selbst testen, bei jüngeren Kindern sollten externe Testteams helfen. Was sich die Lehrer zudem wünschten, sei Klarheit. „Es braucht verbindliche Regelungen zwischen dem Land und
Schulträgern“, sagt Schneider. Auch Städtetagsdezernent Brugger fordert: „Hier braucht es ein einheitliches Vorgehen, auch über die Landesgrenze hinaus. Da erwarten wir eine baldige Entscheidung des Landes dazu, ob es sich der Entscheidung Bayerns anschließt.“Der Freistaat hat bereits angekündigt, nur getesteten Schülern und Lehrern den Schulbesuch zu gewähren.
Thomas Speck, Landeschef des Berufsschullehrerverbands, ärgert sich über die verzögerte Teststrategie. Seit Oktober gebe es darüber Debatten. Eine Testpflicht sei nötig, „gerade mit Blick auf Abschlussprüfungen“, wie er sagt. „Es wäre gut, wenn die Schüler bei den Prüfungen ihre Masken abnehmen könnten.“
Margit Stumpp nimmt auch den Bund in die Pflicht. Die Bildungsexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion aus dem Wahlkreis Aalen-Heidenheim fordert in einem Antrag, der der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt, einen bundesweit einheitlichen und verlässlichen Stufenplan für den sicheren Schulbetrieb in der Pandemie sowie zwei bis drei kostenlose Schnelltests pro Person und Woche. Sie spricht von einem „Schnelltestprogramm in Höhe von einer Milliarde Euro, um flächendeckend sicheres Lernen zu realisieren“.
Bleibt die Maskenpflicht in der ●
Schule auch mit Tests bestehen?
„Die wird man sicher erst mal weiter beibehalten“, sagt Kretschmanns
Sprecherin. „Jeder Baustein hilft.“Zumal es bei den Schnelltests auch falsch negative Ergebnisse geben kann. Sollte die Maskenpflicht gelockert werden, seien zuerst die Grundschulen dran, sagt sie. Dort sei die Pflicht am umstrittensten – im Gegensatz zu anderen Bundesländern gilt sie im Südwesten erst seit Montag. Ihn erreichten pro Tag sicher 70 Beschwerden dazu von Grundschul-Eltern, berichtet der oberste Elternvertreter Mittelstaedt. „Offensichtlich laufen Eltern gegen die Masken Amok.“Er bringt erneut Trennscheiben aus Plexiglas und Luftfilter als Alternativen zu Masken ins Spiel. Wenn nun die Heuschnupfensaison beginne, weiche die Maske bei jedem Nieser mehr durch.
Was ist für Kitas geplant?
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Bisher nicht viel, beklagt Städtetagsdezernent Brugger. Zwar soll das Personal ebenso wie Lehrer zwei Selbsttests pro Woche bekommen. Für Kita-Kinder ist dies aber mehr als fraglich. Dabei steigt laut Landesgesundheitsamt gerade in ihrer Altersgruppe die Zahl der Infektionen derzeit rasant. Brugger zitiert einen Leiter eines Gesundheitsamtes, der sich für regelmäßige Tests in den Kitas ausspricht. Es gebe Tests, die auch gut bei kleinen Kindern anwendbar seien. In einem Pilotprojekt testet der Ostalbkreis nun Kita-Kinder in Schwäbisch Gmünd, wo die Zahl der Ansteckungen gerade bei kleinen Kindern zuletzt rasant gestiegen ist.