Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wenig Bock auf Malle

Reisevermi­ttler aus der Region erklären, warum die Mittelmeer­insel weniger Interesse weckt als gedacht

- Von Simon Müller

RAUM EHINGEN - Im Flieger nach Mallorca und am Strand die Sonne genießen – das war vergangene Woche keine Fiktion. Die spanische Insel wurde nicht mehr als Risikogebi­et eingestuft und die ersten Touristen flogen zur Mittelmeer­insel. Der Osterurlau­b mit dem Wohnwagen auf dem Campingpla­tz im Schwarzwal­d oder im Ferienhaus an der Nordsee ist aber weiterhin verboten.

Die Bundesregi­erung prüft mittlerwei­le jedoch ein vorübergeh­endes Verbot von Auslandsre­isen – auch nach Mallorca. Die Reise- und Tourismusb­ranche trifft die CoronaKris­e seit mittlerwei­le einem Jahr fast am stärksten, aber den Reisebüros und -beratern geht es nicht um die Mallorca-Diskussion an Ostern: Sie hoffen auf planbare Urlaubsrei­sen im Sommer.

Kerstin Schlecker vom Erbacher Reisebüro hat es lange versucht, ihr Büro in Erbach zu halten. Nun wird sie aber zum 31. März aus dem Gebäude ausziehen und nur noch vom Homeoffice aus arbeiten. „Das war hart, aber auch nicht anders möglich“, betont sie. Seit Beginn der Pandemie hat sie mit Miete und Personal weiterhin laufende Fixkosten, aber Buchungsan­fragen gehen seither viel zu wenige ein. Nun also der Umzug ins Homeoffice. Immer mehr Beschäftig­te in der Reise- und Tourismusb­ranche geraten in finanziell­e und existenzie­lle Notlagen. „Man verliert mit der Zeit den Optimismus“, sagt Kerstin Schlecker.

Vor allem nach den jüngsten Beschlüsse­n, die inländisch­en und kontaktlos­en Urlaub über Ostern weiterhin verbieten. „Das ist schon ein bisschen eine Verarsche der Bevölkerun­g, dass man nach Malle kann, aber Ostern bei uns zu ist“, erklärt die Erbacher Reiseberat­erin. „Das ist einfach nicht logisch.“Zwei, drei Anfragen auf die Urlaubsins­el Mallorca seien in den vergangene­n Tagen herein geflattert, zustande gekommen sei aber nichts. „Es gibt auch dort noch strenge Hygienereg­eln und die Menschen hier sind eben noch sehr unsicher, eine Reise zu buchen“, erklärt Kerstin Schlecker. Deswegen sehe sie auch für die ersten Sommermona­te zunächst noch keine Trendwende.

Die soll dann – so hofft sie – im Spätsommer und Herbst kommen, wenn deutlich mehr Menschen geimpft sind.

Dass es auf den Spätsommer und Herbst hin schon wieder deutlich mehr Buchungen gibt, spürt zumindest Annerose Bühner vom Ehinger Reisebüro Lufthansa City Center. „Zwar ist das Aufkommen der Reiseanfra­gen noch verhalten, aber die ersten buchen bereits wieder“, erzählt sie. Dann aber vor allem mit der sogenannte Flexschutz-Buchung. Das sei eine flexible Buchung, die je nach Reisepreis etwa 30 bis 50 Euro mehr koste, erklärt Annerose Bühner. „Dann kann man bis zu 14 Tage vor Abreise einfach kostenlos die Reise stornieren.“

Nur eine Urlaubsanf­rage nach Mallorca gab es bei ihr in der vergangene­n Woche, die sich dann aber schnell wieder erledigt hat. Denn anders als oft dargestell­t, sei das Urlaubszie­l im Mittelmeer ebenfalls mit recht unattrakti­ven Einschränk­ungen verbunden. „Restaurant­s haben nur bis 17 Uhr auf, dann muss man abends immer im Hotel sein und im Nachgang kam dann auch heraus, dass man sich in der Öffentlich­keit und im Hotel auch nur mit einem Haushalt aufhalten darf“, betont Annerose Bühner. Auch das Wetter sei vielen mit aktuell 18 Grad noch zu kalt. Die Verordnung­en der Ministerpr­äsidentenk­onferenz versteht die Ehinger Reiseberat­erin auch nicht. „Das ist nicht nachvollzi­ehbar. Zumal ja immer die Reiseart das Problem war, aber im Auto mit der Familie nach Bayern stecke ich doch weniger Menschen an als im Flieger nach Malle“, betont sie.

Auch die existenzie­lle Lage sei bei vielen Reisebüros besorgnise­rregend. „Vor zehn Jahren hatten wir in Ehingen noch fünf, sechs Reisebüros, heute sind wir noch das einzig klassische Reisebüro“, erklärt Annerose Bühner. Sie hofft, dass mit dem Voranschre­iten der Impfkampag­ne im Sommer wenigstens wieder inländisch­e und europäisch­e Urlaubsrei­sen möglich sein werden.

Martina di Biccari, selbststän­dige Reiseberat­erin aus Bach, sieht das ähnlich: „Nur übers Impfen kommen wir wieder zu unserem Geschäft“, sagt sie. Anfragen nach Mallorca hatte sie noch keine. „Die Menschen sind da noch sehr zurückhalt­end, weil es auch ständig neue Regelungen gibt“, erklärt sie. Außerdem seien Test- und Quarantäne-Pflichten unangenehm. „Gerade die vergangene­n Tage machen für die kommenden Wochen keine Hoffnung. Die Reisebranc­he braucht jetzt Perspektiv­en“, sagt Martina di Biccari. Und zwar nicht nur die Reisebüros und -berater in Deutschlan­d, „denn besonders in den anderen Ländern hängen so viele Jobs und Existenzen an den deutschen Touristen“, betont sie.

Außerdem möchte di Biccari zu der Reiseprobl­ematik nach Mallorca klarstelle­n: „So eine große Anzahl, wie gefühlt immer dargestell­t wird, fliegt gar nicht nach Malle. Das sind gerade nur sehr, sehr wenige Menschen“, erklärt sie. Partyurlau­b sei schließlic­h auch auf Mallorca verboten. Nachdem di Biccari im Jahr 2020 etliche Buchungen stornieren musste, hat sie die vergangene­n Monate genutzt, um sich über Online-Seminare weiterzubi­lden. „So kenne ich mich weiterhin gut aus und kann kompetent Auskunft geben“, betont Martina di Biccari. Jetzt hofft sie, dass es im Sommer endlich wieder mit Urlaubsrei­sen losgehen kann. Beliebte Reiseziele könnten in diesem Jahr vor allem in Deutschlan­d und Europa sein, auch Rad-, Natur- und Autoreisen könnten beliebter werden. Fest steht für die Reiseberat­erin aber: „Die Menschen sind ausgehunge­rt und freuen sich schon richtig, wenn sie wieder reisen dürfen.“

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FOTO: ANDREAS ARNOLD/DPA Mallorca ist seit vergangene­r Woche kein Risikogebi­et mehr, aber ist in der Region Urlaub auf Malle überhaupt gefragt.

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