Wenig Bock auf Malle
Reisevermittler aus der Region erklären, warum die Mittelmeerinsel weniger Interesse weckt als gedacht
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RAUM EHINGEN - Im Flieger nach Mallorca und am Strand die Sonne genießen – das war vergangene Woche keine Fiktion. Die spanische Insel wurde nicht mehr als Risikogebiet eingestuft und die ersten Touristen flogen zur Mittelmeerinsel. Der Osterurlaub mit dem Wohnwagen auf dem Campingplatz im Schwarzwald oder im Ferienhaus an der Nordsee ist aber weiterhin verboten.
Die Bundesregierung prüft mittlerweile jedoch ein vorübergehendes Verbot von Auslandsreisen – auch nach Mallorca. Die Reise- und Tourismusbranche trifft die CoronaKrise seit mittlerweile einem Jahr fast am stärksten, aber den Reisebüros und -beratern geht es nicht um die Mallorca-Diskussion an Ostern: Sie hoffen auf planbare Urlaubsreisen im Sommer.
Kerstin Schlecker vom Erbacher Reisebüro hat es lange versucht, ihr Büro in Erbach zu halten. Nun wird sie aber zum 31. März aus dem Gebäude ausziehen und nur noch vom Homeoffice aus arbeiten. „Das war hart, aber auch nicht anders möglich“, betont sie. Seit Beginn der Pandemie hat sie mit Miete und Personal weiterhin laufende Fixkosten, aber Buchungsanfragen gehen seither viel zu wenige ein. Nun also der Umzug ins Homeoffice. Immer mehr Beschäftigte in der Reise- und Tourismusbranche geraten in finanzielle und existenzielle Notlagen. „Man verliert mit der Zeit den Optimismus“, sagt Kerstin Schlecker.
Vor allem nach den jüngsten Beschlüssen, die inländischen und kontaktlosen Urlaub über Ostern weiterhin verbieten. „Das ist schon ein bisschen eine Verarsche der Bevölkerung, dass man nach Malle kann, aber Ostern bei uns zu ist“, erklärt die Erbacher Reiseberaterin. „Das ist einfach nicht logisch.“Zwei, drei Anfragen auf die Urlaubsinsel Mallorca seien in den vergangenen Tagen herein geflattert, zustande gekommen sei aber nichts. „Es gibt auch dort noch strenge Hygieneregeln und die Menschen hier sind eben noch sehr unsicher, eine Reise zu buchen“, erklärt Kerstin Schlecker. Deswegen sehe sie auch für die ersten Sommermonate zunächst noch keine Trendwende.
Die soll dann – so hofft sie – im Spätsommer und Herbst kommen, wenn deutlich mehr Menschen geimpft sind.
Dass es auf den Spätsommer und Herbst hin schon wieder deutlich mehr Buchungen gibt, spürt zumindest Annerose Bühner vom Ehinger Reisebüro Lufthansa City Center. „Zwar ist das Aufkommen der Reiseanfragen noch verhalten, aber die ersten buchen bereits wieder“, erzählt sie. Dann aber vor allem mit der sogenannte Flexschutz-Buchung. Das sei eine flexible Buchung, die je nach Reisepreis etwa 30 bis 50 Euro mehr koste, erklärt Annerose Bühner. „Dann kann man bis zu 14 Tage vor Abreise einfach kostenlos die Reise stornieren.“
Nur eine Urlaubsanfrage nach Mallorca gab es bei ihr in der vergangenen Woche, die sich dann aber schnell wieder erledigt hat. Denn anders als oft dargestellt, sei das Urlaubsziel im Mittelmeer ebenfalls mit recht unattraktiven Einschränkungen verbunden. „Restaurants haben nur bis 17 Uhr auf, dann muss man abends immer im Hotel sein und im Nachgang kam dann auch heraus, dass man sich in der Öffentlichkeit und im Hotel auch nur mit einem Haushalt aufhalten darf“, betont Annerose Bühner. Auch das Wetter sei vielen mit aktuell 18 Grad noch zu kalt. Die Verordnungen der Ministerpräsidentenkonferenz versteht die Ehinger Reiseberaterin auch nicht. „Das ist nicht nachvollziehbar. Zumal ja immer die Reiseart das Problem war, aber im Auto mit der Familie nach Bayern stecke ich doch weniger Menschen an als im Flieger nach Malle“, betont sie.
Auch die existenzielle Lage sei bei vielen Reisebüros besorgniserregend. „Vor zehn Jahren hatten wir in Ehingen noch fünf, sechs Reisebüros, heute sind wir noch das einzig klassische Reisebüro“, erklärt Annerose Bühner. Sie hofft, dass mit dem Voranschreiten der Impfkampagne im Sommer wenigstens wieder inländische und europäische Urlaubsreisen möglich sein werden.
Martina di Biccari, selbstständige Reiseberaterin aus Bach, sieht das ähnlich: „Nur übers Impfen kommen wir wieder zu unserem Geschäft“, sagt sie. Anfragen nach Mallorca hatte sie noch keine. „Die Menschen sind da noch sehr zurückhaltend, weil es auch ständig neue Regelungen gibt“, erklärt sie. Außerdem seien Test- und Quarantäne-Pflichten unangenehm. „Gerade die vergangenen Tage machen für die kommenden Wochen keine Hoffnung. Die Reisebranche braucht jetzt Perspektiven“, sagt Martina di Biccari. Und zwar nicht nur die Reisebüros und -berater in Deutschland, „denn besonders in den anderen Ländern hängen so viele Jobs und Existenzen an den deutschen Touristen“, betont sie.
Außerdem möchte di Biccari zu der Reiseproblematik nach Mallorca klarstellen: „So eine große Anzahl, wie gefühlt immer dargestellt wird, fliegt gar nicht nach Malle. Das sind gerade nur sehr, sehr wenige Menschen“, erklärt sie. Partyurlaub sei schließlich auch auf Mallorca verboten. Nachdem di Biccari im Jahr 2020 etliche Buchungen stornieren musste, hat sie die vergangenen Monate genutzt, um sich über Online-Seminare weiterzubilden. „So kenne ich mich weiterhin gut aus und kann kompetent Auskunft geben“, betont Martina di Biccari. Jetzt hofft sie, dass es im Sommer endlich wieder mit Urlaubsreisen losgehen kann. Beliebte Reiseziele könnten in diesem Jahr vor allem in Deutschland und Europa sein, auch Rad-, Natur- und Autoreisen könnten beliebter werden. Fest steht für die Reiseberaterin aber: „Die Menschen sind ausgehungert und freuen sich schon richtig, wenn sie wieder reisen dürfen.“