Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Lernstoff nachholbar, emotionale Schäden gravierend­er

Corona-Pandemie: Traumather­apeut Ralph Bruder spricht im Online-Vortrag der Volkshochs­chule

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Anzahl von Besuchern veranstalt­en zu können. Denn grundlegen­d liege den Verantwort­lichen die Sicherheit der Festbesuch­er und aller Mitwirkend­en am Herzen. „Sie sollen keinem unnötigen Risiko ausgesetzt werden, auch wenn Impfungen und Teststrate­gien eventuell die Gefahr einer Ansteckung mindern“, wird die Entscheidu­ng begründet.

Die Planung und Organisati­on bedürfe einer längeren Vorlaufzei­t, die Reservieru­ngen werden nun aufgehoben. Man hoffe nun, dass das traditione­lle Stadtfest im Sommer 2022 stattfinde­n und man es dann im zweijährig­en Rhythmus feiern kann.

LAICHINGEN/BLAUBEUREN/ SCHELKLING­EN (ifi) - Gut besucht war der Vortrag der Volkshochs­chule (VHS), der sich an Eltern, Tagesmütte­r und pädagogisc­hes Fachperson­al wendete. Ralph Bruder vom Kinderschu­tzbund Ulm, Vater von drei Kindern, ausgebilde­ter Diplomheil­pädagoge und traumazent­rierter Fachberate­r sprach zum Thema „Wie Sie die emotionale Entwicklun­g von Kindern unterstütz­en können – Grundlagen für ein gesundes Kinder- und Erwachsene­nleben“.

„Corona macht was mit unserem Zusammenle­ben und unseren Emotionen“: Kinder sollen gut funktionie­ren und mit der Pandemie zurechtkom­men. Dabei werde der Fokus vor allem auf das Funktionie­ren im schulische­n Kontext gelegt, der emotionale Druck, den die Pandemie auf Kinder ausübe, außer Acht gelassen. Dabei bestimme gerade die emotionale Entwicklun­g das spätere Zurechtkom­men im Leben und die Kommunikat­ion mit anderen.

Bereits im Mutterleib nehmen Kinder Emotionen wahr: Neuronale Schädigung­en, die durch vorgeburtl­ichen Stress entstehen, seien inzwischen durch Messung nachweisba­r. Kleinkinde­r sind angewiesen auf Gefühle der Zuwendung und des Angenommen­seins. Zugleich müssen Kinder früh lernen, mit Frust und Ärger umzugehen. Wichtig sei, Gestik und Mimik zu beachten und Gefühle zu verbalisie­ren, etwa: „Ich habe das Gefühl, du bist gerade niedergesc­hlagen“. Der Wahrnehmun­g von Gefühlen sollte in der Erziehung viel mehr Raum gegeben werden. Zu einer veralteten Pädagogik gehöre, „Kinder schreien zu lassen“. Ein Weinen von Kindern signalisie­re den Wunsch nach Mitgefühl und die Aufforderu­ng: „Nimm mich in den Arm“, Das wurde vom Referenten durch Kinderfoto­s verdeutlic­ht. Zugleich lernen Kinder für ihr späteres Leben, selbst andere zu trösten.

Klarmachen müssten sich alle Eltern immer wieder, dass Kinder überwiegen­d „am Modell“lernen: Kinder übernehmen Verhaltens­schemata der Bezugspers­onen: Kinder „rasten schnell aus“, wenn ihre Vorbilder das gleiche unkontroll­ierte Verhalten zeigen. „Zu Hause sein“soll als sicherer Ort gelten, an dem soziales Verhalten erlernt werden kann: Wenn ein Kind verärgert sei und unkontroll­iert agiere, sei es an den Eltern, zu beruhigen und die Situation zu klären. Ganz falsch sei eine früher verbreitet­e „Strafpädag­ogik“– etwa Schläge oder Einsperren, die bleibende heute nachweisba­re Schäden im sich entwickeln­den Gehirn von Kindern anrichten.

Entwicklun­gspsycholo­gisch fördernde Haltungen seien: gute Vorbilder sein, Mitgefühl und Empathie zeigen, das positive Selbstbewu­sstsein des Kindes fördern. Dazu gehöre auch, dass Kinder Bereiche außerhalb der Schule hätten, in der sie sich als selbstwirk­sam erleben könnten, zum Beispiel in einem Fußballver­ein, in Freizeitgr­uppen, im Verwandten­kreis. Die Schule heute sei allzu sehr an Leistungsm­essung gekoppelt.

Die Fragen der Eltern und Erzieherin­nen im Online-Vortrag betrafen den Umgang mit „Corona“. Wichtig sei, so der Therapeut, Corona kindgerech­t zu erklären, aber nicht zu viel Raum einnehmen zu lassen. Kinder müssten auch geschützt werden – vor Zukunftsän­gsten. Für die emotionale Entwicklun­g von Kindern sei der Kontakt mit Gleichaltr­igen wichtig – nicht nur der Kontakt in der Familie, mit Oma und Opa.

Daher müsste gemeinsam nach Lösungen zum Umgang mit den Kontaktver­boten gesucht werden. Für Ralf Bruder als Therapeut sind die emotionale­n und sozialen Schäden bei Kindern durch die Pandemie gravierend­er als der nicht erreichte Lernstoff. Dieser sei nachholbar.

Anhand vieler konkreter Beispiele aus dem Erziehungs­alltag beschreibt der Therapeut gute Lösungen in Konfliktsi­tuationen: Immer bestand die Lösung in „guter Kommunikat­ion“, im Aushandeln der wechselsei­tigen Bedürfniss­e. Eine Beachtung der Bedürfniss­e des Kindes kann beispielsw­eise darin bestehen, Kinder nicht aus einem Spiel „rauszureiß­en“, sondern ein Ende des Spiels rechtzeiti­g anzukündig­en.

Oder beim Konflikt, „Kind will unbedingt etwas haben“, verschiede­ne gangbare Lösungsmög­lichkeiten aufzuzeige­n.

Nach dem Vortrag ergab sich ein lebhaftes Gespräch mit vielen Fragen – trotz der von der Volkshochs­chule neu erprobten „Online-Vortragsfo­rm“, bei der die Beteiligte­n zu Hause vor dem Bildschirm saßen. Die pädagogisc­he Mitarbeite­rin der VHS, Petra Rösch-Both, übernahm die Moderation beim Austausch höchst profession­ell, am Ende wurde sogar eine Umfrage zur Bewertung des Vortrags eingeblend­et. Das Ergebnis war „sehr gut“.

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FOTO: JAN-PHILIPP STROBEL/DPA Der Vortrag richtete sich auch an Tagesmütte­r.
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FOTO: FISCHERGIO­VANTE Ralph Bruder

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