Berblinger-Jubiläum geht in die Verlängerung
Die Stadt Ulm will die Feier zum 250. Geburtstag des Schneiders von Ulm fortsetzen und vieles nachholen
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ULM - Volle zwei Jahre lang Geburtstag feiern? Ob sich der Ulmer Flugpionier Albrecht Ludwig Berblinger, zu Lebzeiten lächerlich gemachter und inzwischen rehabilitierter, genialer Erfinder, darüber freuen würde?
Sabine Schwarzenböck, Chefin der Ulmer Kulturabteilung, ist sich dessen nicht so sicher: Vielleicht wäre Berblinger einfach zu bescheiden gewesen, zwei Jahre lang im Zentrum der Ulmer Aufmerksamkeit zu stehen. Doch andererseits – damit, dass Widrigkeiten unverhofft dazwischenkommen und große Ideen und Träume platzen lassen, kannte sich Berblinger aus, sein erzwungener Flugversuch von der Adlerbastei endete aufgrund fehlender Aufwinde in der Donau.
Die anhaltende Pandemie zwingt die Stadt Ulm, die Pläne der Berblinger-Geburtstagsfeiern nun auf einen derart langen Zeitraum zu dehnen. Doch manches, sagt Schwarzenböck, passt einfach so gut zu Ulm, dass man es zwei Jahre nach Berblingers 250. Geburtstag auch einfach mit dem verbindet, was Ulm ausmache.
Mut und Innovation – diese Themen weisen weit über Berblinger hinaus, und möglicherweise wird das
Publikum die beiden Großveranstaltungen des Jubiläumsprogramms – die „Digital Wall“am Donauufer und ein Familienfest mit erwarteten 10 000 Besuchern, die erst Ende Mai 2022 stattfinden können – dann nicht mehr hundertprozentig mit Berblinger in Verbindung bringen. Genießen soll man die Events trotzdem dürfen. Hoffentlich sei bis dahin die Pandemie durch Impfungen so weit im Griff, dass Berblingers Geburtstag mit diesen Großereignissen enden kann, sagt Schwarzenböck.
Womit Berblinger bestimmt schon jetzt zufrieden sein könnte: Mehr als 140 000 Besucher bestiegen inzwischen seinen neuen Ulmer
Turm, und trotz Corona konnten mehr als 25 000 Personen die Ausstellungen des Jubiläumsjahres besuchen. Einiges muss die Stadt Ulm aber auch streichen: Der möglichst emissionsfreie Flug von der Quelle bis zur Mündung der Donau muss wegen der Pandemie entfallen, und auch die geplante Ausstellung im Haus der Stadtgeschichte, bei der Sammler ihre Schätze rund um Berblinger und das Fliegen gezeigt hätten, wird nicht stattfinden.
Beim Musical „Ich bin ein Berblinger“bewundert Schwarzenböck das Durchhaltevermögen und die Energie des Autorenteams Helmut Pusch, Christof Biermann und Hermann Skibbe: Wegen der Pandemie musste die Premiere des Musicals mehrfach verschoben werden. Nun soll es in abgespeckter Form für jeweils 250 Zuschauer – dafür mit etwa sieben Aufführungen – Ende August/Anfang September auf der Wilhelmsburg zu sehen sein. „Es ist toll, dass das Team das einfach nicht aufgibt“, sagt sie.
Die meisten der Veranstaltungen des Jubiläums, die wegen der Pandemie bisher nicht mehr stattfinden konnten, sollen – teilweise in weiterentwickelter Gestalt – noch auf die Bühne: Schon im April soll die Ausstellung „Akku alle?“des HelmholtzInstituts (mit Partnern) starten, so möglich. Dabei wird es um Batterieund Wasserstoffforschung und deren Grenzen gehen, so Schwarzenböck. „Hinter dieser Ausstellung steckt ein unglaubliches Engagement.“In den Monaten Juni und Juli sind Carlotta Öfverholms Tanztheater und das Gesprächskonzert „Berblinger auf der Bühne – Suchender, Komiker, Rebell“des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben geplant.
Noch im Mai soll eine Veranstaltung im Stadthaus einen Blick in die Zukunft des Fliegens werfen, bei der es auch einen Rückblick geben wird auf den Berblinger-Flugwettbewerb 1987, und im September ist die Multimedia-Show des Kollektivs „A.N.N.A.“geplant. Noch länger warten müssen die Schauspieler von Eva Ellerkamps integrativem Heyoka-Theater: Weil einige der Schauspieler des Ensembles aufgrund von Vorerkrankungen besonders gefährdet wären, soll Ellerkamps Stück „Flugschneider“erst 2022 auf die Bühne. Umsetzen, was möglich ist, das ist Sabine Schwarzenböcks Devise. „Damit die Kultur nicht vergessen wird. Damit die Menschen spüren, wie wichtig die Kultur für die Gesellschaft ist, damit sie das Vertrauen nicht verlieren, dass man Kunst und Kultur wieder wird leben können.“