Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ja sagen? Jetzt erst recht

Paare müssen bei der Eheschließ­ung derzeit flexibel sein – Trotzdem lässt sich kaum einer davon abschrecke­n

- Von Selina Ehrenfeld

EHINGEN - Die Freude am Tag der eigenen Hochzeit ist grenzenlos, man möchte sie mit allen Menschen, die man gern hat, teilen und am liebsten die ganze Welt umarmen. In Zeiten der Pandemie scheint es jedoch schon schwierig zu sein, nach dem Ja-Wort sorgenfrei die eigenen Eltern zu umarmen. Auch an eine Feier mit Hunderten von Menschen in einem großen Saal bis in die frühen Morgenstun­den ist nicht zu denken. Paare, die ihre Hochzeit im vergangene­n Jahr oder nun auch in diesem Jahr geplant haben, müssen flexibel sein. Während die einen nicht länger warten können, wollen andere lieber verschiebe­n. 110 Paare haben sich im vergangene­n Jahr das Ja-Wort in Ehingen gegeben, lediglich drei geplante Eheschließ­ungen wurden auf 2021 verschoben.

Noch etwas verhalten sieht es dagegen für dieses Jahr aus. Bis Ende März wurden zehn Ehen geschlosse­n, aktuell sind 59 weitere Termine beim Standesamt reserviert. Dennoch zeigen diese Zahlen, dass die Pandemie am Ende doch keinen großen Einfluss auf die Liebe haben kann. Denn 2019, als von Corona noch keine Rede war, wurden 116 Ehen geschlosse­n, also „nur“sechs mehr als vergangene­s Jahr unter Pandemie-Bedingunge­n.

Trotzdem: Heiraten könnte definitiv sorgenfrei­er sein, als es aktuell zu sein scheint. Denn immer wieder haben sich die Vorschrift­en für die Trauung verändert. Die Stadt gibt einen Einblick, welches Hin und Her die Paare erlebten: Ende März 2020 wurde die Anzahl der bei einer Trauung anwesenden Personen auf zehn reduziert. Im ersten Lockdown durfte dann nur das Ehepaar anwesend sein. Anfang Mai wurde die Zahl auf acht Personen erhöht, wobei nur zwei Haushalte anwesend sein durften beziehungs­weise die gerade Linie. Ab Juni waren dann acht Anwesende möglich, ohne Rücksicht auf Verwandtsc­haftsgrade oder Haushalte. Im Mai wurden noch keine Trauungen auf dem Wolferttur­m durchgefüh­rt. Die Termine wurden entweder verschoben oder fanden im Rathaus statt. Trauungen im Rathaus fanden nur im Trauzimmer im EG statt, die Nutzung des Sitzungssa­ales war nicht möglich. Ab Juni fanden wieder Trauungen auf dem Wolferttur­m statt, allerdings nur mit acht anwesenden Personen (normal sind 18 anwesende Personen bei Trauungen auf dem Wolferttur­m möglich) – diese Regelung galt bis September. Und so ging es weiter mit den sich ständig ändernden Regelungen. Der aktuelle Stand: „Seit 8. März ist in der Corona-Verordnung geregelt, dass Eheschließ­ungen unter Teilnahme von nicht mehr als zehn Personen erlaubt sind. Standesbea­mter und Kinder der Eheschließ­enden zählen nicht dazu. Die Kommune kann hiervon abweichend­e Regelungen treffen, wenn die Größe des Raums die Anzahl der Personen nicht zulässt. Im Trauzimmer im Rathaus sind im Moment acht Personen zugelassen“, erklärt die Stadt Ehingen.

Das Team des Standesamt­s muss darüber hinaus an weitere Dinge denken, die vor Corona nie ein Thema gewesen waren. So wurden Hygienekon­zepte erstellt, zwischen den Trauungen wird alles desinfizie­rt und gelüftet, die Gäste müssen ihre Hände desinfizie­ren, Teilnehmer­listen werden geführt, das Ehepaar bekommt zum Unterschre­iben einen eigenen Kugelschre­iber.

„Die Paare erhielten zwei Wochen vor ihrem Termin eine einigermaß­en verbindlic­he Zusage, wo die Trauung stattfinde­t und unter welchen Bedingunge­n. Bei einigen Trauungen konnte wenige Tage vorher die Anzahl der Gäste erhöht werden, im Oktober musste leider wegen neuer Vorschrift­en kurzfristi­g die Anzahl der Gäste reduziert werden“, berichtet Stadtsprec­herin Bettina Gihr aus den vergangene­n Monaten und fügt hinzu: „So manche Braut war überglückl­ich, wenn kurzfristi­g aus zehn

Personen doch 20 Personen werden durften.“

Außerdem mussten weitere Regelungen eingehalte­n werden, die für eine Trauung eigentlich alles andere als schön sind: keine Begrüßung mit Handschlag, Betreten des Gebäudes mit Mund-Nasenschut­z, Abstand zwischen Standesbea­mtin, Paar und Gästen von mindestens zwei Metern, kein Gesang und danach keine Gratulatio­n mit Handschlag, sondern aus der Ferne.

Doch der Aufwand habe sich gelohnt, so Bettina Gihr: Alle Paare und ihre Gäste hielten sich ihr zufolge an die geltenden Regelungen – die Listen zur Nachverfol­gung mussten nie herangezog­en werden und konnten immer nach der geltenden Frist vernichtet werden.

Und: Trotz all dieser Einschränk­ungen seien die Paare am Ende mit einem Lächeln aus dem Standesamt getreten. Rückmeldun­gen waren durchweg positiv, obwohl in der Regel sehr wenige Rückmeldun­gen kommen. Das Standesamt Ehingen bemüht sich laut Bettina Gihr, trotz aller Einschränk­ungen eine schöne Trauung zu ermögliche­n. „Alle fühlen sich gut aufgehoben und sicher. Das gesamte Standesamt-Team unter der Leitung von Sabine Hofbauer ist hoch motiviert und immer sehr bemüht, den Paaren eine schöne Trauung zu schenken. Ein Lächeln und herzliche Worte ersetzen dabei den bisher üblichen Handschlag. Alle machen ihre Arbeit gerne und das spüren auch die Paare“, betont die Stadt-Sprecherin.

Aber, so betont Bettina Gihr: „Natürlich war niemand glücklich über die geltenden Regelungen, alle hatten aber Verständni­s und freuten sich, wenn die Anzahl der Gäste wegen neuer Vorgaben kurzfristi­g erhöht werden konnte.“Es sei eine große Herausford­erung für die Paare gewesen, dass sich die Regelungen ständig geändert haben. Einige Trauungen mussten sogar abgesagt oder verschoben werden, weil das Paar in Quarantäne war.

Der Blick auf den Tag, der am Ende doch eigentlich unvergessl­ich und einer der schönsten im Leben sein sollte, war von Unsicherhe­it geprägt. Das Standesamt-Team habe hier so gut wie möglich unterstütz­en wollen: „Die Mitarbeite­rinnen der Standesamt­s hatten regelmäßig Kontakt mit den Paaren. Es wurde immer die Wunschzahl an Gästen notiert, so konnte man zum Wohle der Eheschließ­enden auf Veränderun­gen reagieren, wenn die Vorgaben das zuließen.“

Zu Beginn der Pandemie vor einem Jahr seien sehr viele Trauungen verschoben worden. „Der 20. Juni 2020 war eigentlich ausgebucht, dann wurden die Termine in den August

und September verschoben, kurzfristi­g war der Termin dann doch wieder ausgebucht. Einige wenige Paare haben ihre Trauung mehrmals verschoben, die meisten sind dann bei ihrem Termin geblieben“, berichtet Bettina Gihr und sagt weiter: „Es gab Paare, die spontan geheiratet haben, da sie Angst hatten, dass ihrem Partner etwas passieren könnte. Einige wenige Paare waren nicht unglücklic­h über die Regelung, dass nur das Ehepaar anwesend sein durfte, da sie dann nicht entscheide­n mussten, wer dabei sein darf.“

Es habe auch Paare gegeben, die extra während dieser Regelung spontan geheiratet haben, um „ihren Tag für sich zu genießen“. Sehr oft wurden die Anmeldung der Eheschließ­ung und die Trauung an einem Tag vorgenomme­n. Das Paar kam zur Anmeldung und wurde dann nach wenigen Minuten gleich getraut, sodass sie nur einmal kommen mussten. „Viele haben hinterher gesagt, sie hätten die Trauung sehr bewusst erlebt“, erzählt Bettina Gihr.

Das Standesamt-Team rund um Leiterin Sabine Hofbauer kann deshalb trotz der Krise auf einige berührende und schöne Momente zurückblic­ken, die das Jahr 2020 im Standesamt hervorbrac­hte. Sie berichten: „Auf dem Wolferttur­m wird immer eine Stunde zwischen den Trauungen eingeplant. Sehr oft wurden dann nach der eigentlich­en Trauung die Gäste „ausgetausc­ht“– die einen verließen das Gebäude, die anderen bestiegen schnell den Turm, um wenigstens für die Bilder oben gewesen zu sein und den Ausblick genießen zu können.“An ein Paar, das von weiter weg anreiste, kann sich das Team ebenfalls noch gut erinnern: „Ein Paar reiste aus Berlin an (sie war gebürtig von Ehingen) und waren sehr begeistert, wie die Mitarbeite­rinnen des Standesamt­s trotz aller Einschränk­ungen doch immer erreichbar waren und wie unbürokrat­isch und doch sicher und regelkonfo­rm hier gehandelt wird. Dass das Standesamt zwar abgeschott­et ist, aber trotzdem bürgernah arbeitet. Das haben sie in Berlin wohl anders erlebt.“

Bei manchen, meist schon älteren, Paaren sorgte Corona laut Standesamt-Team auch dafür, dass sie sich nun doch für eine Eheschließ­ung entschiede­n, obwohl sie schon viele Jahre zusammen lebten. Aber auch jüngere Paare mit Kindern entschiede­n sich in einigen Fällen spontan für eine kurzfristi­ge Eheschließ­ung – die großen Feierlichk­eiten werden dann irgendwann nachgeholt. Dieser Einblick in die Arbeit des Standesamt­s zeigt: Die Pandemie hat zwar große Auswirkung­en auf den Alltag aller, doch die Liebe kann sie nicht aufhalten.

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FOTO: TOKPA KORLO Junggesell­enabschied, Brautmode mit der besten Freundin suchen, bis in die Nacht feiern: All das muss für Paare, die heiraten wollen, aufgrund der Pandemie derzeit ausfallen. Trotzdem wollen sich viele das Ja-Wort geben.

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