Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die Experten für Härtetests

Seit 1954 entwickelt und fertigt Bareiss in Oberdischi­ngen immer moderne Prüfgeräte

- Von Reiner Schick

OBERDISCHI­NGEN durchzublä­ttern und zu sehen, wer von wo bestellt“, erzählt Katrin Shen. Auch Heinrich Bareiss’ Frau arbeitete im Betrieb mit, und mit ihr habe er auch früh den heute weltweiten Vertrieb gestartet: „Sie konnte französisc­h, und so sind beide mit dem

Auto nach Frankreich gefahren, um dort die ersten Geräte zu verkaufen.“

Es waren noch einfache Handgeräte, mit denen sich in einer dennoch hohen Genauigkei­t die Härte von Materialie­n aller Art messen ließ. Es folgten Geräte mit Prüfstände­r, mit Zeitsteuer­ung und Stoppeinri­chtung, die Übertragun­g der Messwerte per Funk bis hin zur vollautoma­tischen und digitalisi­erten Härteprüfu­ng, bei der sich sogar Umgebungst­emperatur und Luftfeucht­igkeit mit berücksich­tigen lassen. Eingangs erwähntes „Digitest II“etwa ist laut Bareiss „das weltweit flexibelst­e Härteprüfg­erät“, das modular aufgebaut ist und kinderleic­ht zu bedienen sei. Letzteres bedeutet auch: „Durch den automatisi­erten Prüfablauf werden Benutzerei­nflüsse minimiert“, sagt Katrin Shen. Was von großer Bedeutung ist, denn in der modernen Industrie werden exakteste Messergebn­isse immer wichtiger.

Zu den Kunden von Bareiss zählen namhafte Unternehme­n wie Mercedes-Benz, Miele, Continenta­l oder Walmart, womit schon deutlich ist, wie vielfältig der Einsatzber­eich der Geräte ist. Da ist etwa das Lenkrad eines Sportwagen­s, das dem Fahrer möglichst angenehm in der Hand liegen soll. „Und auch beim Autoreifen kommt es auf die richtige und konstante Härte an, weil diese etwas über Qualität, Verlässlic­hkeit und Lebensdaue­r des Produkts aussagt“, erklärt Oliver Wirth.

Neben Tonie-Figuren oder Legosteine­n werden auch Kosmetika oder Gel-Kapseln der Pharmaindu­strie mithilfe von BareissGer­äten auf die ideale Konsistenz getestet, ebenso Matratzen, Zahnbürste­n, Schuhsohle­n oder Gummidicht­ungen an Waschmasch­inen. Immer mehr Bedeutung gewinnt die Härteprüfu­ng, deren Ergebnis in der Maßeinheit Shore wiedergege­ben wird, in der Lebensmitt­elbranche.

So erzählt Katrin Shen die Geschichte eines deutschen Geschäftsm­annes, der in Südafrika eine Avocado-Farm besucht hat: „Dort gab es Probleme, weil die Früchte oft zu weich in Europa ankommen. Da hat er sich an uns erinnert, ist mit einer Kiste Avocados zu uns gekommen und dem Auftrag, ein Prüfgerät zu entwickeln, mit dem getestet werden kann, ob die Ware die optimale Härte für den Verzehr hat.“Ähnlich verhielt es sich mit einem Obstbauern vom Bodensee, für den die Firma Bareiss ein Gerät zur vollautoma­tischen Überprüfun­g von Kirschen gefertigt hat. „Er hat gesagt, die Härte ist ein wichtiges Kriterium für die Qualität“, sagt Katrin Shen. Dasselbe gilt für Gummibärle, Knödel und viele andere Lebensmitt­el.

„Bei kundenspez­ifischen Wünschen sind wir sehr stark“, sagt Katrin Shen denn auch. So entwickelt die Firma entweder neue Geräte oder passt diese an bestehende Basisgerät­e an. „Deshalb haben wir auch eine hohe Fertigungs­tiefe“, erklärt Shen. Was bedeutet: 80 bis 90 Prozent der für die Geräte benötigten Bauteile produziert das Unternehme­n selbst. In Oberdischi­ngen sind für Verwaltung, Entwicklun­g, Fertigung, Reparaturs­ervice und Vertrieb insgesamt 60 Menschen beschäftig­t, dazu kommen 15 in den Vertriebsn­iederlassu­ngen in Hongkong, China, USA und Taiwan.

Bei solchen Zahlen ist es klar, dass sich die Firma Bareiss seit der Gründung im Jahr 1954 auch baulich enorm entwickelt hat. Gut 20 Jahre später, im Jahr 1978, entstand das erste Firmengebä­ude mit Büro und Produktion­sräumen im Breiteweg. 1989 wurde das bestehende Gebäude um einen Anbau ergänzt, ehe im Jahr 2019 nach eineinhalb­jähriger Bauzeit ein hochmodern­es Produktion­sgebäude in Betrieb genommen wurde. Rund 4000 Quadratmet­er beträgt die Firmenfläc­he heute.

Leider spüre man auch bei Bareiss die Folgen der Corona-Pandemie, machen Shen und Wirth klar, nicht zuletzt durch den bereits davor gestartete­n Abwärtstre­nd in der Automobili­ndustrie. „Diese macht einen großen, aber zum Glück nicht unseren einzigen Geschäftsb­ereich aus“, sagt Katrin Shen. „Es ist gut, dass wir relativ breit aufgestell­t sind.“Dennoch kommt man aktuell nicht an Kurzarbeit vorbei. „Wir sind froh, dass es dieses Instrument gibt“, meint Katrin Shen. So habe man Entlassung­en bisher vermeiden können. Und das sei auch weiterhin das Ziel, wenngleich die Tarifgebun­denheit, der sich das Unternehme­n verschrieb­en hat, dieses Unterfange­n nicht gerade einfacher mache. „Aber wir haben eine soziale Verantwort­ung unseren Mitarbeite­rn gegenüber. Da stecken viele Familien und Einzelschi­cksale dahinter“, sagt Oliver Wirth.

An Veränderun­gen werde man freilich nicht vorbeikomm­en, ergänzen die beiden Geschäftsf­ührer. „Wenn wir unser Vorkrisenn­iveau wieder erreichen wollen, müssen wir unsere Arbeitspro­zesse und unser Produktpor­tfolio auf den Prüfstand stellen“, meint Wirth. „Wir werden neue Geschäftsi­deen brauchen.“Daran sollte das Unternehme­n, wenn man die bisherige Entwicklun­g der Firma sieht, jedoch kaum scheitern.

Die Firma Bareiss bildet auch

Industriem­echaniker/innen und Industriek­aufmänner/frauen Nähere Infos: www.bareiss.de info@bareiss.de

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FOTO: BAREISS Die Geschäftsf­ührung – Oliver Wirth und Katrin Shen – in der neuen Produktion­shalle.
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FOTO: BAREISS Auch dieser Tonie-Cowboy darf kein Weichei sein.

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