„Sport unter freiem Himmel wäre gut möglich“
Fabian Hummel, Manager des FV Ravensburg, über fehlendes Training und leere Bundesligastadien
RAVENSBURG/MUNDERKINGEN Das letzte Pflichtspiel des FußballOberligisten FV Ravensburg war am 24. Oktober 2020 beim 1. Göppinger SV. Die U23 des FV spielte in der Landesliga letztmals am 28. Oktober. Seither gab es bei den aktiven Mannschaften kein Training mehr – beim FV Ravensburg genauso wie bei allen Mannschaften unterhalb der Oberliga. Der Munderkinger Fabian Hummel, Manager beim FV Ravensburg und Trainer des Landesligisten FV II, spricht im Interview mit Thorsten Kern über den Lockdown, die Auswirkungen bei Kindern und Jugendlichen und über Profitrainer in leeren Stadien.
SZ: Im Sport ging lange gar nichts, dann war ein bisschen was möglich. Seit Oktober ist wieder alles dicht. Kam Ihnen der Sport in all den Öffnungsdiskussionen der Politik zu kurz?
Hummel: Absolut. Natürlich sind die finanziellen und wirtschaftlichen Themen erst mal vordergründig, da geht es um Existenzen und Arbeitsplätze. Dann geht es um Kinder und Jugendliche und deren Bildung. Ich halte es für richtig und wichtig, dass Schulen und Kindergärten wieder aufgemacht haben. Ich hoffe, das bleibt so. Aber es fehlt an der einen oder anderen Stelle die Vergleichbarkeit und die Nachvollziehbarkeit. Ich glaube, der Sport an sich war und ist kein Pandemietreiber. Es wurden gute Konzepte erstellt und die Kinder und Jugendlichen waren bereit, viel hinzunehmen – etwa schon umgezogen zum Training zu kommen. Sport unter freiem Himmel wäre aus meiner Sicht gut möglich.
Im vergangenen Sommer und Herbst hatten die Vereine mit viel Aufwand Hygienemaßnahmen getroffen, um Zuschauer zuzulassen. War letztlich alles umsonst oder profitiert man davon auch in Zukunft? Ich glaube schon, dass die Konzepte bei einer Öffnung im Amateursport wieder wichtig werden und aus der Schublade geholt werden können. Etwa bei der Zuschauerthematik. Da lag für mich eines der Probleme.
Warum?
Ich glaube, manch einer hat es etwas zu lax genommen. Viele Zuschauer waren froh, wieder Sport, etwa Fußball, vor der Haustür zu erleben. Aber sie waren sich vielleicht manchmal der Situation nicht bewusst, was passieren kann, wenn sie sich nicht an die Regeln halten. Ich hoffe, das wird besser. Die Vereine haben super Konzepte.
Einige Fußballfans haben etwas die Lust an der Bundesliga verloren. Wie sieht es bei Ihnen aus?
Ich halte die Diskussion, warum die Bundesliga spielen darf und wir nicht, grundsätzlich für falsch. Es sind für mich Neiddiskussionen. Das sind Berufsfußballer, die gehen ihrem Beruf nach. Und da gehört noch viel mehr dazu: Busfahrer, Catering. Ich unterstütze es vollkommen, dass die Bundesliga spielen darf. Ich schaue regelmäßig zu, weil ich Interesse am Fußball habe und als Trainer schaue, wie es andere machen.
Da haben Sie in leeren Stadien derzeit sogar einen Vorteil: Sie können hören, was die Trainer sagen.
Es ist momentan sehr interessant, wie und was gecoacht wird. Manchmal
muss ich schmunzeln, weil nicht extrem anders gecoacht wird als im Amateurbereich. Da geht es auch viel um Motivation, um Einstellung, um kleine Taktikdetails. Man bekommt schon viel mit derzeit.
Aber wie geht es Ihnen, nachdem Sie im Grunde ein Jahr nicht mehr Ihrer Leidenschaft nachgehen konnten, nicht mehr selbst trainieren durften und dürfen?
Ich bin ein positiver Mensch, habe viel Zeit mit meiner Familie und meinen zwei kleinen Kindern verbracht. Ich konnte meine Frau etwas mehr als sonst unterstützen. Aber natürlich wünscht man sich den normalen Alltag zurück.
Wann haben Sie das letzte Mal Ihre Mannschaften gesehen? Wöchentlich, aber leider nur per Video. Sonst tatsächlich Ende Oktober beim letzten Heimspiel mit der U23 gegen die TSG Balingen.
Die Oberliga- und Landesligaspieler schaffen es wahrscheinlich ganz gut, die Trainingspläne einzuhalten, das Ballgefühl zu behalten. Aber wie geht es den jungen Fußballern? Sind sie nicht die größten Verlierer des Lockdowns? Absolut. Deshalb sind wir froh, dass wir mit der U10 bis U15 wieder auf den Platz zurückkehren durften. Soziale und gesellschaftliche Aspekte rücken im Lockdown in den Hintergrund, dabei sind sie extrem wichtig.
Muss die Jugend neu Fußball spielen lernen?
Es wird natürlich um Abläufe, um Ballgewöhnung gehen. Aber auch Teamgeist und das Miteinander müssen wieder angelernt werden. Viele Kinder und Jugendliche sitzen zu Hause vor dem Computer und dem Fernseher. Es ist wichtig, das Teamgefühl wieder aufzubauen.
Was würde passieren, wenn man auch im Herbst nicht spielen kann? Werden Vereine verschwinden? Nicht nur in der Oberliga würde es ein großes Problem geben. Viel mehr als in der Oberliga würde es die Regionalliga treffen, in der die Vereine deutlich höhere Kosten haben – für Fahrten, Übernachtungen und den gesamten Staff. Durch Sponsoren- und Fernsehgelder kommt relativ wenig rein. Aber wir müssen uns nichts vormachen: Je weiter man nach unten geht, desto weniger spielen vielleicht die finanziellen Aspekte eine Rolle, dafür die sozialen. Da sagen Spieler vielleicht: Jetzt habe ich ein Jahr nicht gespielt, andere Dinge wie Job und Familie sind mir jetzt wichtiger. Es bleibt spannend. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir spätestens ab Sommer wieder trainieren und spielen können.