„Es gibt Gewinner und Verlierer“
Fußball: Reaktionen aus der Region zur Annullierung der Meisterschaftsrunde 2020/21
EHINGEN (aw) - Die Fußball-Meisterschaftsrunde 2020/21 im württembergischen Amateurfußball ist Geschichte. Mit dem Beschluss des Beirats des Württembergischen Fußballverbandes (WFV), die Runde mit sofortiger Wirkung abzubrechen und zu annullieren, ist klar, dass es in diesem Jahr weder Auf- noch Absteiger gibt. Für Mannschaften, die um Titel und Aufstieg mitgespielt hätten, wurden damit Träume und Hoffnungen zunichte gemacht, für Teams im Abstiegskampf bedeutet die Entscheidung den sicheren Verbleib in der Liga. Die SZ hat Reaktionen eingeholt von Vereinen, die durch die Streichung der Saison mehr verloren oder gewonnen haben als andere und sich teilweise auch eine andere Lösung als Abbruch mit Annullierung gewünscht hätten.
Verbandsliga
Der Saisonabbruch sei „die logische Konsequenz dessen, was sich angebahnt hatte“, sagt Michael Bochtler, Trainer des SSV Ehingen-Süd. Bochtler bezieht sich auf gestiegene Infektionszahlen und auf die Entscheidung der Politik, Lockerungen und damit erlaubte Aktivitäten auch für Sportvereine an regionale Inzidenzwerte zu knüpfen. Da sei klar gewesen, dass es schwierig werden würde, die Saison fortzusetzen. Für Sport im Freien hätte es aus Sicht des SSV-Trainers aber Raum und Möglichkeiten gegeben. Sportlich war für Bochtler die Runde, auch wenn nur noch die Hinserie ausgetragen worden wäre, noch nicht abgehakt – trotz Tabellenplatz sieben nach zwölf von 19 VorrundenSpieltagen. „Ich hätte uns nicht abgeschrieben. Essingen auf Platz eins hätte es vollends durchgezogen, aber wenn wir unser Nachholspiel in Hollenbach gewonnen hätten, wäre Platz zwei noch drin gewesen“, so Bochtler. Diese Chance ist dahin, der Blick richtet sich nach vorn. „Die spannendere Frage wird sein, wann die neue Saison losgeht.“Angesichts der Anzahl an Mannschaften in der Verbandsliga müsste die neue Punkterunde Anfang August starten, sagt der Süd-Coach. Unverändert aus 20 Teams wird die höchste württembergische Spielklasse bestehen, bei einem Modus mit Hinund Rückrunde ergibt das 38 Spieltage.
Bezirksliga Donau
Der WFV-Beschluss war ein Schlag für die TSG Ehingen, die mit klarem Ziel Landesliga-Aufstieg in die Runde gestartet war und diesem Ziel auch entgegenstrebte – nach 13 der 17 Vorrunden-Spieltag war Ehingen ungeschlagen Erster. Vier Punkte Vorsprung hatte die TSG, dazu die klar bessere Tordifferenz gegenüber dem Tabellenzweiten Blönried/Ebersbach. Die Rückkehr in die Landesliga war zum Greifen nah. Doch 2021 wird daraus nichts. Die Entscheidung, abzubrechen, „hatte sich ja angedeutet und wir konnten uns drauf einstellen“, sagt TSG-Abteilungsleiter Michael Schleicher. Gleichwohl „ist es für uns, für unsere erste Herren-Mannschaft, bitter, weil wir eine gute Runde gespielt haben“. Nun aber sei die gute Ausgangslage weg, „wir beginnen wieder bei Null“. Nicht nur deshalb, sondern auch mit Blick auf die neue Saison hätte Schleicher eine andere Lösung bevorzugt. „Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, dass wir nächste Saison in die gleiche Situation reinlaufen. Dann hätten wir wieder eine Saison, die nicht gewertet wird, und wieder eine verlorene Saison“, so der TSG-Abteilungsleiter, der die Frage stellt: „Wäre es nicht besser gewesen, das Ziel anzustreben, die aktuelle Saison zu Ende zu spielen?“Dann wäre auch der Spielplan entzerrt gewesen. „Diese Option offen zu halten“, das hatte sich Schleicher gewünscht. Ähnlich sieht es TSGTrainer Udo Rampelt, dem die Enttäuschung über die Verbandsentscheidung ebenfalls anzumerken ist. „Es war fast klar, dass es darauf hinausläuft“, so Rampelt, der eine andere Lösung für möglich hielt. „Ich bin der Meinung, dass man das Thema in den Griff kriegt mit Hygienekonzepten, mit mehr Tests, dass man auch Geisterspiele machen kann“, so Rampelt. Auch hätte man nicht am spätesten Starttermin 9. Mai, auf den sich der WFV festgelegt hatte, festhalten müssen, sondern ihn „vielleicht noch vier Wochen nach hinten schieben können“, sagt der TSG-Trainer, der seine Vorschläge auch dem Verband mitteilte. Wie sein Süd-Kollege Bochtler spricht sich auch Rampelt dafür aus, die Vorzüge einer Freiluftsportart zu berücksichtigen, das Infektionsrisiko sei gering. Dass der Bezirkspokalwettbewerb 2020/21, in dem die TSG noch vertreten sind, nicht abgesetzt wurde und womöglich im Sommer zu Ende gespielt wird, ist für die Ehinger nicht einmal ein schwacher Trost. „Der Pokal ist recht und gut“, sagt Rampelt, „aber lieber wäre mir gewesen, wenn wir die Vorrunde der Meisterschaft zu Ende gespielt hätten.“Die Verantwortlichen hoffen nun, dass die Mannschaft zusammenbleibt, um mit einem eingespielten Team in der nächsten Saison einen weiteren – dann bereits dritten – Anlauf zum Aufstieg in die Landesliga zu unternehmen.
Der FV Schelklingen-Hausen lag bei Aussetzung der Bezirksliga-Runde Ende Oktober auf dem vorletzten und damit einem Abstiegsplatz. Die Mannschaft hatte aber drei Spiele weniger als die drei unmittelbar vor ihr platzierten Teams und den Verbleib in der Liga noch selbst in der Hand. Durch die Annullierung der Runde fällt der Abstiegskampf aus, der FV bleibt Bezirksligist. Trainer Fabian Flinspach hätte es mit seiner Mannschaft lieber sportlich erledigt. „Klar hat man den Klassenerhalt jetzt sicher, aber wir wollten uns in der Liga beweisen, gegen vier oder fünf Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte hatten wir noch gar nicht gespielt“, sagt Flinspach. Die Entscheidung des Verbands hält er „aufgrund der Fakten und der Entwicklung“gleichwohl für richtig, doch spannend sei für ihn der Blick auf die kommende Saison. Einen anderen Modus als Hin- und Rückrunde hält der Schelklinger Trainer für überlegenswert. „Eventuell wäre ein Ansatz, nur die Hinrunde und dann Play-offs und Play-downs spielen. Damit wäre für die kalten Monate ein größerer Puffer geschaffen.“Denn nicht nur wegen der Pandemie, sondern auch wegen der Witterung könnten Spiele ausfallen und das Programm in der weiter 17 Teams umfassenden Liga im weiteren Verlauf groß werden. Im Amateursport jedoch „kann man nicht nur mit englischen Wochen planen“so Flinspach. „Man muss die Gesundheit der Spieler im Blick haben, nicht nur wegen Corona, sondern auch aus Verletzungsprophylaxe.“
Kreisliga A1 Donau
„Wir haben es sportlich aufgenommen“, sagt Joachim Oliveira, Trainer des SV Ringingen, über den Saisonabbruch, der dem unbesiegten Spitzenreiter der Kreisliga A1 die Chance nimmt, in diesem Jahr ins Bezirksoberhaus aufzusteigen. Doch aus Sicht von Oliveira war die Meisterschaftsrunde noch zu wenig weit fortgeschritten. „Erst ein gutes Drittel war gespielt, zwei Drittel der Spiele lagen noch vor uns“, so Oliveira. Und Meister zu sein und aufzusteigen, ohne dass man zumindest die Hälfte der Spiele absolviert hat, „das hätte sich nicht richtig angefühlt“. Modelle, die Runde zu einem späteren Zeitpunkt zu Ende zu spielen, sieht er eher skeptisch. Dies hätte „das Ganze verzerrt und auch Konsequenzen für die nächsten Jahre“gehabt, sagt der Ringinger Trainer. Deshalb stehe er zu 100 Prozent zum Beschluss des Verbandes. „Ich hätte es nicht anders entschieden“, auch wenn es den SVR als Tabellenführer etwas mehr treffe als andere Mannschaften.
Tabellenschlusslicht in der Kreisliga A war der TSV Rißtissen, der Ende Oktober noch kein Spiel gewonnen und nach neun der 15 VorrundenSpieltage sieben Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz hatte. Doch Absteiger wird es in diesem Jahr nicht geben, das ist nun gewiss. „Sportlich gesehen ist es gut für uns“, sagt TSVAbteilungsleiter Felix Rieber. „Dennoch hätten wir lieber gespielt.“Für den WFV habe es aber keine andere Wahl gegeben, als die Saison abzubrechen – „wenn man sich die Infektionszahlen anschaut“, so der Rißtissener Fußball-Abteilungsleiter. „Meiner Meinung nach fiel die Entscheidung sogar etwas zu spät.“Man sei lange im Ungewissen geblieben, dabei „war für mich schon länger klar, dass man die Saison nicht zu Ende spielen kann“. Schließlich wäre es nicht sinnvoll gewesen, Amateurfußball zuzulassen, „wenn Restaurants und Geschäfte nicht offen sind“.
Kreisliga A2 Donau/Iller Später als im Bezirk Donau hatte im Fußballbezirk Donau/Iller die Runde begonnen, erst im September wurde der erste Spieltag ausgetragen. Der TSV Erbach und seine Liga-Konkurrenten hatten daher Ende Oktober, als der Betrieb gestoppt wurde, erst acht von 15 Vorrunden-Spieltagen hinter sich. Erbach war gut gestartet, lag auf Rang drei, zwei Punkte hinter Tabellenführer Blaustein II und einen Zähler hinter Eggingen. Dass man durch die Annullierung der Runde um die Chance auf die Rückkehr in die Bezirksliga gebracht wurde, sieht TSVAbteilungsleiter Dominik Essl nicht. „Acht Spieltage sind nur eine Momentaufnahme. Nach acht Spieltagen spricht man noch nicht von Meisterschaft und Aufstieg“, so Essl. „Außerdem wären für uns noch die direkten Duelle gegen Blaustein und Eggingen angestanden. Erst dann hätten wir gewusst, wo wir stehen.“Schon bei einer Niederlage mehr hätte es nur noch Rang fünf oder sechs sein können. Essl hält die Entscheidung, die Saison zu annullieren und auf Auf- und Absteiger zu verzichten, für richtig.
Kreisliga B1 Donau
So gut wie lange nicht mehr war der SV Niederhofen in dieser Spielzeit unterwegs. Ende Oktober, nachdem neun von 13 Vorrunden-Spieltagen absolviert waren, stand der SVN an der Tabellenspitze – zwei Punkte vor Türkgücü Ehingen und sechs vor dem FC Schmiechtal, der jedoch zwei Spiele weniger ausgetragen hatte. Durch die Annullierung der Runde ist die gute Bilanz der Niederhofener Makulatur, der Traum vom Aufstieg in diesem Jahr geplatzt. „Schade. Wir hatten berechtigte Hoffnungen“, sagt SVN-Abteilungsleiter Markus Hügle. „Aber wir müssen die Entscheidung akzeptieren, und sie ist auch nachvollziehbar.“Dennoch hätte er sich eine andere Lösung gewünscht – „dass man den Terminplan enger gesteckt oder dass man die Runde in den Sommer hineingezogen hätte“.
Kreisliga B2 Donau
Die SG Öpfingen II führte nach 13 von 17 Vorrunden-Spieltagen die Tabelle der ausschließlich mit zweiten Mannschaften besetzten Liga an. „Wir standen aussichtsreich da und hätten gern um die Meisterschaft gespielt“, sagt SGÖ-Abteilungsleiter Steffen Lehmann. Das Saisonziel sei allerdings nicht der Aufstieg in die Kreisliga A gewesen. Mit der A-Liga müssen sich die Öpfinger vorerst auch nicht befassen. Die Entscheidung des Verbandes sei für ihn „absolut nachvollziehbar“, sagt Lehmann. „Von der aktuellen Lage und den Aussichten blieb dem WFV nichts anderes übrig, als zu annullieren.“Weiter auf Zeit zu spielen hätte den Vereinen und Spielern wenig Perspektiven gegeben.
Regionenliga 5 Frauen
Als der Vorhang fiel Ende Oktober, nach acht von 15 Spieltagen der Vorrunde, lag die SGM Munderkingen/ Griesingen auf Platz eins. Die Runde hatte somit gut begonnen für die Spielgemeinschaft, deren Trainer Alexander Knapp den Abbruch der Saison nicht nur aus Ergebnis-Gründen bedauert. „Für uns ist es traurig – wegen der Tabellensituation, aber vor allem hätten wir gern wieder Fußball gespielt“, sagt Knapp. Aus seiner Sicht war es aber schon vor einem Jahr absehbar gewesen, „dass es schwierig werden würde“2020/21, zumal mit einer größeren Liga. Aus 13 Teams bestand die Regionenliga in der Saison 2019/20, in der nun beendeten Runde 2020/21 waren es 15. Knapp hätte sich schon im vergangenen Jahr gewünscht, eine Spielzeit über eineinhalb Jahre zu erstrecken, und er hätte es daher begrüßt, wäre die Saison 2020/21 erst 2022 zu Ende gegangen. Dennoch ist für den SGM-Trainer der Beschluss des WFV, die Spielzeit zu beenden, nachvollziehbar. Eine Fortsetzung in absehbarer Zeit wäre kaum möglich gewesen.