Von der Einsamkeit junger Mütter
Manche junge Frau wird sich in diesem messerscharfen Porträt „Kleine Fluchten“von Carole Fives wiedererkennen. Eine alleinstehende Mutter droht von ihrem kräftezehrenden Alltag verschlungen zu werden. Ihr kleiner Sohn ist niedlich, nimmt sie jedoch 24 Stunden am Tag in Anspruch. Der Vater hat sich kurz nach der Geburt aus dem Staub gemacht und zahlt nicht. Als Freiberuflerin kämpft die junge Mutter mit Termindruck und miesen Honoraren. Ohne Netzwerk muss sie alles allein managen. Immer häufiger denkt sie über kleine Fluchten nach und unternimmt längere Auszeiten ins Nachtleben.
Carole Fives schmaler Roman „Kleine Fluchten“ist eine brillante Studie über die Einsamkeit junger Mütter in der Großstadt. Mit geradezu chirurgischer Genauigkeit beschreibt sie die vielen kleinen Alltagsszenen, die mühseligen Routinen eines Lebens im Hamsterrad. Wenn der Kleine endlich schläft, gönnt sich die junge Mutter kleine Fluchten. Sie verlässt die Wohnung, erst nur ganz kurz, dann immer länger. Bis sie einmal eine ganze Nacht lang wegbleibt, das Kind allein zurück in der Wohnung lässt …
Es ist eine Geschichte großer Verlorenheit, aber auch der anmaßenden Selbstgerechtigkeit einer Gesellschaft, die ganz genau weiß, welche Rolle eine Mutter einzunehmen hat. Sogar in Frankreich. (dpa)
Carole Fives: Kleine Fluchten,
Zsolnay Verlag, Wien, 144 Seiten, 19,00 Euro.