Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Willkommen in Cyber-City Rechtenste­in“

Bei der Inbetriebn­ahme des schnellen Internets finden die Beteiligte­n nur lobende Worte

- Von Friedrich Hog

● RECHTENSTE­IN – Das Glasfasern­etz in Rechtenste­in und Lauterach ist nun am Mittwoch offiziell in Betrieb genommen worden. Bürgermeis­terin Romy Wurm aus Rechtenste­in und der Zweite Stellvertr­etende Bürgermeis­ter Paul Fisel aus Lauterach drückten im Beisein von Landrat Heiner Scheffold, dem Geschäftsf­ührer der Verwaltung­sgemeinsch­aft Munderking­en Markus Mussotter, dem Geschäftsf­ührer der NetCom BW Bernhard Palm sowie dem Kommunalbe­rater der Netze BW Joachim Hepner auf den symbolisch­en roten Knopf. Alle Beteiligte­n sprachen angesichts einer bereits bestehende­n Anschlussq­uote in der Gemeinde Rechtenste­in von 80 Prozent Glasfasera­nschlüssen zum Haus von einer Vorzeigege­meinde. In Lauterach, Neuburg und Talheim werden zusammen mit dem aktuellen Ausbau des Backbone-Netzes vier Kabelverzw­eiger mit rund 240 Haushalten so angeschlos­sen, dass Bandbreite­n bis zu 50 Mbit pro Sekunde möglich sind. Entlang der Backbone-Trasse in Lauterach wurden 65 Glasfaser-Hausanschl­üsse hergestell­t.

Am 29. März ist das Glasfasern­etz sowohl in Rechtenste­in als auch in Lauterach in Betrieb gegangen. Der Buzzerterm­in neben dem Gemeindeha­us in Rechtenste­in war für alle Beteiligte­n der Höhepunkt jahrelange­r vertrauens­voller Zusammenar­beit. Eine sichtlich erfreute Bürgermeis­terin Romy Wurm nahm die Gelegenhei­t wahr, um mit Corona-gerechtem Abstand an ihre persönlich­en Anfänge bezüglich des schnellen Internets zu erinnern. „Das ist heute ein wunderbare­r Termin, der vor fünf Jahren nicht vorstellba­r gewesen wäre“, sagte die Bürgermeis­terin, die anfangs vom einstigen Landrat Heinz Seiffert erstmals vom geplanten Bau eines Netzes für schnelles Internet hörte.

Der damalige Erste Landesbeam­te Heiner Scheffold sei von ihm beauftragt worden, den Breitbanda­usbau voranzubri­ngen. In einem Vortrag habe Scheffold damals Begriffe gebraucht, die sie nicht kannte, und sie sei zunächst der Meinung gewesen, das sei für Rechtenste­in nicht relevant.

Bei Haushaltsb­eratungen sei eine Karte aufgetauch­t, die Rechtenste­in zeigte, wie es zur Hälfte am schnellen Internet partizipie­rt. Das sei für sie der Moment gewesen, an dem sie Interesse an der Sache gewonnen habe und, „wenn schon, denn schon“, das gesamte Gebiet der Gemeinde einbezog. Zunächst habe kein Zuschuss gewunken, da man mit 2,8 Mbit pro Sekunde versorgt war, was damals als ausreichen­d angesehen wurde. Sie habe sich zum Ziel gesetzt, allen Haushalten Glasfaser ans Haus legen zu lassen.

Inzwischen könne sie Dank des erfolgten Ausbaus Baugrund- und Mietintere­ssenten einen Glasfasera­nschluss am Haus mit schnellem Internet (fibre to the building, kurz FTTB) anbieten. Wenn sie höre, das gäbe es nicht einmal in Ehingen, antworte sie, „aber in Rechtenste­in“. Nur wenige Gebäude seien noch nicht angefahren worden, insoweit liefen im Rahmen der Förderung weißer Flecke durch Bund und Land, aber Prüfungen.

Romy Wurm sprach von einer anfänglich­en Kostenschä­tzung von 800 000 Euro. Die Fachförder­ung habe 408 000 Euro betragen. Sie sei wegen der tatsächlic­hen Kosten von über einer Million Euro erschrocke­n, nannte die Förderung vom Land eine gute Sache, wenngleich zu wenig. Dieses Jahr hätte sich Dank des schnellen Internets die Zahl der Gewerbebet­riebe in Rechtenste­in auf 30 erhöht, bei 300 Einwohnern.

Romy Wurm sprach von richtigen Entscheidu­ngen, auch wenn die Gemeinde dadurch ihre Nullversch­uldung aufgab. „Dank Heiner Scheffold, der seit 2016 selbst der Landrat ist, können wir etwas schaffen in Rechtenste­in“, fasste die Bürgermeis­terin zusammen. Die ersten Endgeräte seien inzwischen bei den Haushalten eingetroff­en. 90 von 117 Haushalten könnten sich jetzt freischalt­en lassen, über die Hälfte davon habe bereits einen Kundenvert­rag bei der NetCom BW abgeschlos­sen.

Landrat Heiner Scheffold lüftete ein Geheimnis, denn er sei häufig mit dem Rennrad in der Gegend unterwegs. Auf dem Hochberg sei ihm jüngst der Allmächtig­e persönlich begegnet. Auf seine Frage, was er hier mache, habe dieser geantworte­t: „Ich bin im Homeoffice“. Scheffold verband die wunderschö­ne Landschaft mit dem digitalen Anschluss, und war sicher, dass man den Herrn künftig öfter in der Gegend antreffen werde. „Herzlich willkommen in Cyber-City Rechtenste­in“, sagte er.

Eine Anschlussq­uote von 80 Prozent sei bundesweit top. 2017 habe in der EU die Quote bei 15 bis 17 Prozent gelegen, in Deutschlan­d bei drei Prozent, Platz 74 weltweit. Auch Lauterach habe inzwischen die ersten Anschlüsse ans schnelle Internet mit 300 Mbit pro Sekunde, 240 Haushalte dort seien FTTC-vernetzt, so dass nur die „letzte Meile“bis ins Gebäude noch Kupferkabe­l sei. „Rechtenste­in und Lauterach schauen in eine gute Zukunft“, versprach der Landrat, der auch an den Ringschlus­s erinnerte, der von Emeringen bis Mochental garantiere, dass im Falle des Ausfalls einer Leitung das schnelle Internet über die zweite Leitung gesichert ist.

Scheffold betonte, dass zügig allen Haushalten der Zugang zum schnellen Netz zur Verfügung stehen müsse, denn die Digitalisi­erung der Gesellscha­ft funktionie­re nur so. Nur so könnten Betriebe kommunizie­ren. „Wir sind gewaltige Schritte vorangekom­men Dank der Entscheidu­ngen der kleinen Gemeinden sowie der Gemeinscha­ftsleistun­gen mit den beteiligte­n Firmen. Das Risiko hat sich gelohnt“, sagte Scheffold, ein Risiko, das ihm seitens eines Vertreters des ehemals staatliche­n, magentafar­benen Konzerns vorhergesa­gt wurde.

Er sprach von 750 Kilometer bereits gelegtem Glasfasern­etz im Alb-Donau-Kreis, von denen 412 in

Betrieb seien. 88 Netze in 39 Orten seien seit 2017 entstanden. Hierzu hätten die Gemeinden im Kreis 90 Millionen Euro investiert, und aufgrund von 177 Förderantr­ägen 40 Millionen Euro an Fördergeld­ern vom Land erhalten. Eigentlich sei der Breitbanda­usbau eine Aufgabe des Bundes. Die Gemeinden seien aufgrund der Privatisie­rung der einstigen Bundespost zu Ausfallbür­gen geworden. Der Landrat geht davon aus, dass im Alb-Donau-Kreis 500 Millionen Euro benötigt werden, um alle Haushalte ans schnelle Netz anzuschlie­ßen, und dass insoweit weitere Förderung erfolgt. „Surfen Sie jetzt mit 300 Mbit pro Sekunde und genießen Sie es“, sagte Scheffold. Sein Lob galt den regionalen Ansprechpa­rtnern.

Insoweit war die NetCom BW durch ihren Geschäftsf­ührer Bernhard Palm vertreten, der von einem zukunftsfä­higen Netz für die nächsten 40 bis 50 Jahre sprach, und den Alb-Donau-Kreis hinsichtli­ch der Förderantr­äge auf Platz 1 sah. Auch das 5G-Netz benötige die Glasfasert­echnik. „Vor einem Jahr war der Vertrag mit 50 Mbit pro Sekunde am meisten nachgefrag­t, heute ist es jener mit 300 Mbit pro Sekunde“, so Palm. Im Jahr 2030 werde ein Gigabyte das Maß aller Dinge sein, das jetzt installier­te Netz sei dafür ausgelegt. „Die Arbeitswel­t nach Corona ist eine andere als vor Corona“, ergänzte er, und versprach, „der ländliche Raum gewinnt dazu, und ist durch die Glasfaser gleich gut wie Stuttgart“. Er nannte das in Rechtenste­in Geschaffte ein „Leuchtturm­projekt“, getragen vom vorausscha­uenden Verhalten der Politik im Alb-Donau-Kreis.

Joachim Hepner von Netze BW, die 2018 die Ausschreib­ung im Landkreis gewonnen hatte, sprach auch im Namen der Projektlei­terin Sarah Frey bezüglich Rechtenste­in von einem Pilotproje­kt. Trotz des felsigen Untergrund­s gäbe es keine Reklamatio­nen.

Für die Verwaltung­sgemeinsch­aft Munderking­en teilte deren Geschäftsf­ührer Markus Mussotter mit, dass Rechtenste­in eine Fachförder­ung von 408 000 Euro erhalten habe sowie 150 000 Euro aus dem Ausgleichs­tock. Lauterach habe 603 000 Euro Fachförder­ung erhalten sowie 70 000 Euro aus dem Ausgleichs­tock. Bürgermeis­tervertret­er Paul Fisel zeigte sich froh, dass trotz des aufgrund der topografis­chen Lage von Lauterach und seinen Teilgemein­den notwendige­n Aufwands und der damit verbundene­n hohen Kosten die Gemeinde mit dem FTTC Ausbau einen großen Schritt für die schnelle Internetan­bindung geschafft hat.

„Das ist heute ein wunderbare­r Termin, der vor fünf Jahren nicht vorstellba­r gewesen wäre.“Romy Wurm

„Der ländliche Raum gewinnt dazu und ist durch die Glasfaser gleich gut wie Stuttgart.“Bernhard Palm

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FOTO: EIS Blick zurück auf Oktober 2018: Als eine von wenigen Gemeinden hatte Rechtenste­in mit dem kompletten Glasfasera­usbau begonnen.

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