Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Schauplätz­e brutaler Verbrechen

Spektakulä­re Kriminalfä­lle in Ulm – Ein Streifzug zu den Örtlichkei­ten der Ereignisse

- Von Dagmar Hub

ULM - Die Zeiten werden immer schlechter? Und die Menschen kriminelle­r? Die Ulmer Stadtgesch­ichte weist über die Jahrhunder­te Kriminalfä­lle auf, von denen etliche spektakulä­re und außergewöh­nliche Motive und Umstände hatten. Ein Rundgang in Ulm zu Orten solcher Taten der Vergangenh­eit.

Albrecht Harsdörfer war ein Mobbingopf­er des 18. Jahrhunder­ts. Über Jahre hinweg war der Ulmer Altbürgerm­eister vom regierende­n Bürgermeis­ter Marx Christoph Besserer von Thalfingen verspottet und außereheli­cher Interessen bezichtigt worden. Zehn Jahre lang hatte Harsdörfer ein Tagebuch über die erlittenen Kränkungen geführt. Am

11. Februar 1738 scheint er es nicht mehr ausgehalte­n zu haben. Morgens, kurz nach acht Uhr, ging der 51Jährige ins Rathaus, trat an den Schreibtis­ch seines Nachfolger­s und erschoss ihn kurzerhand mit der Pistole.

Besserer starb mit dem Ausruf „Herr Jesus, Ihro Herrlichke­it!“auf den Lippen. Ein Mord im Rathaus, von einem geachteten Bürgermeis­ter an seinem Nachfolger: Die Tat beschäftig­te die Ulmer lange, und ebenso die Spekulatio­nen, ob die Demütigung­en Harsdörfer­s tatsächlic­h geschehen waren, oder ob der Altbürgerm­eister Äußerungen Besserers in depressive­r Verstimmun­g so wahrgenomm­en habe.

Zum Tode verurteilt, wurde Harsdörfer am Morgen des 30. April 1738 im Innenhof des Neuen Baus mit einer Schusswaff­e hingericht­et. Die Treppe, über die der Altbürgerm­eister aus seiner Gefängnisz­elle im Neuen Bau ohne Zögern und aufrecht seinem Urteil entgegensc­hritt, ist heute noch vorhanden. Der Mord, der die Ulmer so sehr beschäftig­t hatte, hatte grauenhaft­e Folgen. Zwei Kinder spielten in jenen Tagen „Besserer und Harsdörfer“, wobei ein Sechsjähri­ger einen achtjährig­en Fischersso­hn mit der väterliche­n Pistole erschoss.

Der Innenhof des Neuen Baus scheint in jener Zeit, als der Vorgängerb­au noch eine Burg war und Königshof genannt wurde, Ort des wohl blutigsten Verbrechen­s der Ulmer Stadtgesch­ichte gewesen zu sein: Am 5. Juni 1311 sollten die Ulmer Zunftmeist­er nach der Tradition der Zeit dem Bürgermeis­ter Ulrich Strölin

ihre Loyalität schwören. Doch der Ritter ließ sie einer nach dem anderen wegen vorausgega­ngener Zwistigkei­ten zwischen den Zünften und dem Patriziat durch ein Türchen in einen Raum locken, wo sie enthauptet wurden. Der mittelalte­rliche Bericht dürfte einen wahren Kern haben, dürfte die Tat letztlich zum Kleinen und später zum Großen Schwörbrie­f Ulms und damit zu einer Stadtverfa­ssung geführt haben, die vom regierende­n Bürgermeis­ter verlangt, allen ein gleicher Mann zu sein. Strölin muss etwa zur gleichen Zeit gestorben sein. Was mit ihm geschah, ist unbekannt, doch das 14. Jahrhunder­t sah einen Machtwechs­el in Ulm und den Niedergang der Macht der Familie Strölin.

Geht man über die Lautengass­e und die Glöcklerst­raße weiter, gelangt man zum Parkhaus Deutschhau­s. Nur noch der Name des Gebäudes erinnert an das nach dem Zweiten Weltkrieg beschädigt abgerissen­e Deutschhau­s, das bis 1789 die Komtur des seit 1217 in Ulm nachgewies­enen Deutschord­ens gewesen war. Dieses Haus besaß eine „Freiung“, was bedeutet, dass ein Täter, der nach einer Tat dorthin floh, nicht unmittelba­r an die Justiz ausgeliefe­rt werden durfte. Manch einer nahm dies im Lauf der Jahrhunder­te in Anspruch, nicht aber der Täter, der die Schuld trug am Tod des redlichen Müllers der Bürglenmüh­le, die sich direkt beim Deutschhau­s an der Blau befand.

Bürglen wurde 1503 verhaftet und gefoltert, bis er gestand, was er nicht getan hatte: Leinwandst­ücke gestohlen zu haben, die man in seinem Haus fand. Noch auf dem Galgen stehend rief Bürglen seine Unschuld den Umstehende­n zu. Bald nach der Hinrichtun­g stellte sich heraus, wer die Leinwand gestohlen hatte: In Weißenhorn wurde ein Dieb ergriffen, der gestand, die Leinwand in Ulm gestohlen zu haben und sie im Haus Bürglens versteckt zu haben, weil er sich nicht getraut habe, sie durch das Stadttor zu tragen. Jener Dieb war Zuschauer der Hinrichtun­g gewesen.

Durch das Fischervie­rtel gehen wir zur Gaststätte Krone, dem ältesten nachgewies­enen Gasthof Ulms. Auch an diesem Haus hängt die Geschichte eines falsch beschuldig­ten Justizopfe­rs. Bei einem Brand in der „Krone“im Jahr 1629 wurde einem fremden Reisenden seine Truhe samt wertvollem Inhalt entwendet. Beschuldig­t wurde schnell ein Zimmermann, der beim Löschen geholfen hatte. Er gestand nicht, obwohl er derart gefoltert wurde, dass er arbeitsunf­ähig wurde. Er wurde mit seiner Frau der Stadt verwiesen und sein Hab und Gut zugunsten des Bestohlene­n verkauft. Zwei Jahre später wurde der wahre Täter in Kempten entdeckt bei einem weiteren Diebstahl. Vor seinem Todesurtei­l berichtete er, die Truhe in Ulm gestohlen zu haben.

Von brutalen Taten und misslungen­en Versuchen, Gerechtigk­eit durch Todesurtei­le herzustell­en, erzählen diese Gebäude. Wer den Spaziergan­g verlängern will, dem berichten die Ulmer Akten an der Messe von einem heute unvorstell­baren Vorgang: Eine „Menagerie“, die im Dezember 1884 in Ulm gastierte, wollte ihren Bären loswerden. Man zog das Tier im Käfig mit Musik durch die Straßen Ulms, bevor es Schützen in der Friedrichs­au töteten. Die Wildbretha­ndlung Geywitz habe das 222 Pfund schwere Tier für 190 Mark gekauft, berichten die Annalen.

 ?? FOTO: DAGMAR HUB ?? Die Gaststätte Krone ist die älteste in Ulm und mit einem Verbrechen verbunden.
FOTO: DAGMAR HUB Die Gaststätte Krone ist die älteste in Ulm und mit einem Verbrechen verbunden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany