Am Pulsschlag der Landespolitik
Der Ehinger Landtagsabgeordnete Hagel gehört zum Kernteam der Verhandlungen – Was er bisher erlebt hat
● EHINGEN/STUTTGART - Das politische und auch private Leben des Ehingers Manuel Hagel hat seit der Landtagswahl am 14. März eine neue Dimension erreicht. Er gehört zum Kernteam der Landes-CDU, das mit dem Team von Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Koalitionsvertrag verhandelt, der die Zukunft Baden-Württembergs bestimmen wird. Für Hagel eine Zeit mit teilweise 19-Stunden-Tagen und Presseanfragen aus der ganzen Republik.
Es kommt nicht oft vor, dass ein Ehinger in der Tagesschau der ARD zur besten Sendezeit über den Bildschirm flimmert. Für Manuel Hagel sind solche Momente in den vergangenen Wochen fast schon zur Normalität geworden. Der 32-jährige Ehinger, der bei der Wahl am 14. März mit 36 Prozent wieder das beste CDU-Ergebnis im Land holte, ist als Generalsekretär im Kernteam der CDU. Neben ihm verhandeln Innenminister Thomas Strobl, der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Reinhart, Sigmaringens Landrätin Stefanie Bürkle und die Parlamentarische Geschäftsführerin Nicole Razavi mit dem Kernteam der Grünen um Ministerpräsident Winfried Kretschmann den neuen Koalitionsvertrag. Bis es dazu kommen konnte, musste Manuel Hagel seit dem 14. März durch mehrere Höhen und Tiefen.
Denn schon der Wahltag war für den Ehinger ein Tag, den er so schnell nicht vergessen wird – vor allem die Stunden nachdem klar wurde, dass die Landes-CDU das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hat. Doch der Reihe nach. Noch am Wahltagmorgen war Hagel in der heiligen Messe in der Ehinger Liebfrauenkirche. Danach ging er mit seiner Frau und den zwei Buben in den Kindergarten Nasgenstadt, Hagels Wahllokal. Und schon dort bekam der 32-Jährige einen kleinen Vorgeschmack darauf, was ihn am Wahlabend alles noch so beschäftigen würde. „Es waren ein Kamerateam und Presseleute in Nasgenstadt. Eine Herausforderung war, dass ich meine Kinder vor den Fotos schützen wollte. Mir ist es wichtig, dass meine Kinder nicht auf Pressefotos sind“, erklärt Hagel, der sich nach seiner Stimmabgabe dann auf den Weg nach Stuttgart machte, um seiner Rolle als Landes-Generalsekretär gerecht zu werden. Eine Rolle, die wenige Tage vor der Wahl durchaus mit viel Gegenwind zu kämpfen hatte. „Wir hatten schon das Problem, dass wir auf den letzten Metern keinen Rückenwind bekommen haben. Im Gegenteil. Die Maskenaffäre und Unzufriedenheit mit kultuspolitischen Entscheidungen haben uns sicher nicht geholfen“, sagt Hagel, der am Wahlsonntag dann ab 13 Uhr in Stuttgart Sitzungen mit seinen Mitarbeitern, Thomas Strobl und dem Präsidium der Landespartei hatte, um die Szenarien der drohenden, heftigen Wahlniederlage durchzusprechen. Gegen 15.30 Uhr wurde dann die desaströse Niederlage immer wahrscheinlicher, denn dann kamen die sogenannten Exit-Polls (am Tag der Wahl werden Wähler beim Verlassen des Wahllokals durch Interviewer nach ihrer Stimmabgabe befragt), die nichts Gutes verhießen. „Uns war relativ schnell klar, was nach 18 Uhr passieren wird, wenn die Wahllokale geschlossen haben“, betont Hagel, der dann als Generalsekretär an vorderster Front erklären musste, warum die CDU nun die Scherben der vergangenen 50 Jahre in Baden-Württemberg nur noch zusammenkehren kann.
Hagel war der erste, der vor das SWR-Mikrofon trat und er war am Wahlabend einer der letzten, die Rede und Antwort gestanden haben. „Ich war von 18 bis 0.45 Uhr fast pausenlos mit Medien aus ganz Deutschland im Gespräch. In den wenigen Minuten dazwischen habe ich immer auf meinem Handy geschaut, wie das Ergebnis im Wahlkreis ist und wie ich in den einzelnen Städten und Gemeinden abgeschnitten habe. So oft habe ich glaube ich noch nie die Seite des Landratsamtes aktualisiert“, sagt Hagel. Doch sein sehr gutes Ergebnis von 36 Prozent interessierte an diesem Abend kaum jemanden. Hagels Job war es, das desaströse Ergebnis zu erklären, schon ein wenig in die Zukunft zu blicken und denen, die es gut mit der CDU meinen, trotz der Schlappe wieder ein wenig Mut zu machen. „Ich bin dann nachts ins Bett gefallen und war total platt. Ich hatte schon sehr gemischte Gefühle. Zum einen Dankbarkeit und Freude über mein persönliches Ergebnis und die Unterstützung der Menschen in meiner Heimat, zum anderen aber war dann das schlechte Ergebnis der CDU insgesamt immer präsent. Das ist ja nicht nur irgendeine Prozentzahl, dahinter stecken auch tolle, engagierte Kolleginnen und Kollegen.“
Dass die CDU so schlecht abgeschnitten hat, liege laut Hagel indes nicht an dem Wahlprogramm, das vor wenigen Tagen sogar von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im Fernsehen live als „sehr gut“bezeichnet wurde. „Noch nie in der Geschichte der baden-württembergischen CDU haben wir uns so viel Zeit für das Wahlprogramm genommen. Wir haben Vereine, Verbände, Ehrenamtliche, Wirtschaftsexperten und auch Forscher befragt, vor welchen strukturellen Herausforderungen das Land steht. Wir wollten wissen, wie es in fünf, zehn und 15 Jahren aussehen könnte. Wir haben nach vorne geblickt und das Programm hat beim Parteitag bei einer nichtöffentlichen Abstimmung 100 Prozent Zustimmung erfahren“, macht der Ehinger, unter dessen Federführung das Regierungsprogramm „Neue Ideen für eine neue Zeit“entstanden ist, klar.
Der deutliche Sieg der Grünen, das streitet Hagel natürlich nicht ab, habe mit der Beliebtheit von Kretschmann zu tun. Dass Kultusministerin Susanne Eisenmann, die bereits ihren Rücktritt von ihren politischen Ämtern verkündet hat, von vielen, auch CDU-Mitgliedern, als die falsche Kandidatin bezeichnet wurde, sieht Hagel differenzierter. „Ich werde nie ein schlechtes Wort über Susanne Eisenmann sagen“, betont Hagel, der sich auch in den Stunden und Wochen der Niederlage loyal zeigt.
„Klar ist auch: Für und in der CDU darf es jetzt kein einfaches Weiter so geben. Dieses desaströse Ergebnis tragen wir mit Haltung. Wir brauchen jetzt die Kraft, aber vor allem auch den Mut, einen inhaltlichen und personellen Aufbruch zu starten. Für diese Aufarbeitung nehmen wir uns richtig Zeit und müssen uns auch ehrlich machen gegenüber uns selbst. Sie werden keine verbitterte, geschlagene CDU erleben. Sondern eine, die gelernt hat und die weiter dazu lernt. Die sich verändern wird und die mit einem offenen Herzen und einem fröhlichen Gesicht ihrer Verantwortung für unser Land nachkommen wird. Da muss auch die eine oder andere Gewohnheit, die eine oder andere bequeme Struktur oder auch das eine oder andere alte Denkmuster abgelegt werden“, sagt Hagel, der die Tatsache, dass er als Politiker in den vergangenen Wochen nicht nur von der Politik, sondern vor allem von den Medien in den Fokus genommen wurde, so bewertet: „Das schöne ist doch, dass wir in unserer Region rund um Ehingen quasi mit der Muttermilch gelernt haben, was Bodenständigkeit und Fleiß bedeuten. Hinzu kommt eine Portion Demut und Bescheidenheit. Ich bin in die Politik gegangen, um etwas zu verändern, um Dinge besser zu machen. Dazu gehört auch, Verantwortung zu übernehmen.“
Und diese Verantwortung bekommt der Ehinger gerade mehr denn je zu spüren. Denn fast jedes Wort, fast jede Mimik und Gestik wird mittlerweile bei Hagel öffentlich analysiert. „Da wird festgestellt, dass ich zu einem Sondierungsgespräch mit den Grünen weiße Turnschuhe getragen habe. Dann, dass ich eine Chino-Hose getragen habe. Oder es gibt den Zuruf, doch eine Krawatte zu tragen“, verrät Hagel und sagt: „Das ist halt so, wenn man unter einem Brennglas wahrgenommen wird. Jedem kann man es eben nie Recht machen – das ist aber auch nicht mein Anspruch“Dabei bekommt der Ehinger mittlerweile Ratschläge
aus der ganzen Republik, sei es von Journalisten, anderen Politikern, Menschen aus der Wirtschaft und von Menschen „die ich einfach mal kennengelernt habe oder mich aus den Medien kennen“. Am Ende aber, so Hagel, höre er darauf, was seine Familie, seine Freunde und engsten Mitarbeiter sagen. „Schließlich mache ich es so, wie es zu mir passt – ohne mich zu verbiegen.“Das sei ungefiltert und vielleicht tut er auch gut daran, Leuten zu vertrauen, die es wirklich gut mit dem Menschen Manuel Hagel meinen und nicht nur mit dem Politiker.
Dieser Politiker jedenfalls mischt derzeit in der obersten Liga des Landes mit. „Wenn wir mit den Grünen sprechen, sprechen wir mit einem Partner. Wir sind uns nach fünf Jahren gemeinsamer Regierung nicht fremd“, sagt Hagel, der auch Fehler der Vergangenheit einräumt. „Vor rund einem Jahr sind wir als CDU von einem kooperativen in einen konfrontativeren Regierungsstil gewechselt. Das passte einfach nicht in die Zeit. Das darf auch nicht unser Anspruch sein. Deshalb wollen wir gemeinsam einen Aufbruch starten, wollen einen Neustart und ein neues Kapitel in der Erfolgsgeschichte unseres Landes aufschlagen“, sagt Hagel, der in letzter Zeit oft mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu tun hat. „Wenn wir miteinander reden, dann natürlich auf Schwäbisch. Weder er noch ich können unseren Dialekt verbergen. Und ein gemeinsamer Dialekt verbindet ja auch“, sagt Hagel, dem es wichtig ist, dass die Koalition zwischen Grün und Schwarz „in der größten Krise des Landes“nicht nur funktioniert, sondern partnerschaftlich läuft. „Wohl wissend, dass die Grünen diese Landtagswahl deutlich gewonnen haben.“
Hagel befindet sich derzeit also in der intensivsten Zeit seiner noch jungen politischen Karriere, eine Zeit, die der 32-Jährige als „spannend, lehrreich und total intensiv“bezeichnet. 16 bis 19 Stunden politische Arbeit am Tag seien in den vergangenen Wochen seit der Wahl normal gewesen, 70 Prozent seiner Zeit verbringt der Ehinger momentan in Stuttgart. „Ich versuche dennoch, so gut es geht, zuhause bei meiner Familie zu übernachten“, so Hagel, der seit dem Wahlsonntag keinen freien Tag ohne Politik mehr hatte. „Tagsüber folgt ein Termin dem andern, nachts sind dann die Akten dran“, beschreibt Hagel seine Arbeit als Generalsekretär.
Ob er dies bleiben wird – oder ob er bald ein höheres Amt wie beispielsweise den Fraktionsvorsitz der Landtagsfraktion oder einen Ministerposten übernehmen wird, sei für Hagel aktuell nicht wichtig. „als Oberschwabe arbeitet man dort mit, wo man gebraucht wird. Und ich habe das Gottvertrauen, dass am Ende alles so ist, wie es sein soll.“