Wo der Müll zum Ärgernis wird
Wildes Entsorgen als Folge der Pandemie? Dazu gibt es unterschiedliche Thesen
SCHELKLINGEN/ÖPFINGEN/EHINGEN (mtc/reis/kou) - Mehr Müllsünden als Zeichen der Zeit? Als gesellschaftliches Problem? Als Ergebnis von Frust und Gleichgültigkeit in Folge der Corona-Pandemie? Aber mit regional ganz unterschiedlicher Ausprägung? Oder vielleicht auch nur ein subjektiver, gar falscher Eindruck? All diese Fragen drängen sich auf angesichts der vielschichtigen Klagen und Kommentare, welche die „Schwäbische Zeitung“zu diesem gesammelt hat.
Das Thema Müll jedenfalls beschäftigt derzeit einige Schelklinger Stadträte ganz gewaltig, wie bei der jüngsten Gemeinderatssitzung gleich an mehreren Stellen bekannt wurde. Zwar sprachen die Räte unterschiedliche Problematiken an und nannten verschiedene Stellen, an denen aktuell vermehrt Probleme zutage treten, doch ihre Aussagen eint: Sie haben den Eindruck, dass seit der Pandemie vermehrt Müll und andere Hinterlassenschaften die Natur und auch die Stadt belasten.
So klagte beispielsweise Schelklingens Stadtrat Josef Schmid, dass derzeit landwirtschaftlich genutzte Flächen am Manzenbühl und beim Urspringtopf sehr mit Müll verschmutzt seien. „Es ist unerträglich, wie viele Müll auf den Flächen rumliegt“, sagte er. Daher regte er bei der Stadtverwaltung an, dass zumindest mehr Mülleimer an den teils beliebten Spaziergangstrecken, die entlang der Felder führen, aufgestellt werden müssten. Bürgermeister Ulrich Ruckh äußerte zwar sein Verständnis („Ich verstehe, dass man sich Sorgen wegen einer Verunreinigung des Futters macht“), doch die Lösung sei nicht, mehr Mülleimer aufzustellen.
Denn abseits der (Folge)kosten für das Aufstellen und regelmäßige Leeren sei doch jeder einzelne Bürger mit vernünftigem und rücksichtvollem Handeln in der Pflicht. „Dass mehr Müll rumliegt, ist ein bisschen ein Zeichen der Zeit“, sagte er. „Es ist eine Unverschämtheit, dass manche durch Gedankenlosigkeit Schäden verursachen und davon ausgehen, dass die öffentliche Hand diese Schäden schon ausgleichen wird.“Es sei durchaus zumutbar, dass Leute ihren Müll mit nach Hause nehmen. Dass jeder mache, was er wolle, sei ein gesellschaftliches Problem.
Im Vorfeld der „Stadtputzte to go“am Samstag in der Achstadt wies bereits der Bauhof auf mehr Müll insbesondere an „Corona-Treffpunkten“hin. Dazu zählt beispielsweise aus ihrer Sicht der Bereich rund um den Schlossturm. Auch die Räte sagten, dass sie teils den Eindruck hätten, dass es solche Treffpunkte gebe – nicht nur dieser Umstand allein sei besorgniserregend, sondern eben auch die Tatsache, dass Müll zurückbleibe, etwa leere Alkoholflaschen.
Eugen-Alexander Herrmann sprach noch ein weiteres Problem in Schelklingen an: Derzeit gebe es viele Hundehaufen auf den Gehwegen. „So viele wie jetzt waren es noch nie. Und die Verschmutzung zieht sich leider durch das ganze Stadtgebiet“, erklärte er. Stadtrat Paul Glökler wies abseits davon auf einen „Schandfleck“in der Blaubeurer Straße hin. An einer prominenten Stelle, nämlich dem Stadtein und -ausgang, verberge sich hinter einer Palisadenwand „undefinierbares Zeug“, und auch die Wand selbst löse sich schon auf. Dagegen müsse vorgegangen werden. Auch Engelbert Heuschmid sprach eine Stelle an, „dagegen sieht eine gepflegte Müllhalde besser“aus: In der Bemmelberger Gasse staple sich Schrott. „Das schadet unserem Stadtbild“, sagte er.
Was in Schelklingen für Unmut sorgt, scheint kreisweit indes kein größeres Problem (mehr) zu sein – zumindest aus der Sicht und Erfahrung von Helmut Reichelt, dem Leiter des Fachdienstes Umwelt- und Arbeitsschutz im Landratsamt des Alb-Donau-Kreises. Er stellt jedenfalls derzeit keine auffällige Häufung wilder Müllablagerungen im Kreisgebiet
fest. Eher vom Gegenteil berichteten die Mitarbeiter des Straßenbaus, die im Bereich der Straßen und Parkplätze den Müll sammeln. „Im ersten Lockdown gab es viele Müllablagerungen, auch Hausmüll wie alte Sofas oder Möbel, aber dieses Jahr ist es im Normalbereich“, sagt der Fachdienstleiter. Er könne das aus eigener Feststellung, aber auch anhand des Rückgangs der Anzeigen sagen.
Reichelt vermutet, „dass es im letzten Frühjahr wohl viel mehr Menschen gab, die den Lockdown oder auch die Kurzarbeit genutzt haben, um den Speicher und Keller aufzuräumen.“Hinzu komme, dass es im vergangenen Jahr zeitweise zu Zugangsbeschränkungen auf den Recyclinghöfen gekommen sei, die es in diesem Jahr aber nicht gegeben habe. „Wenn die Recyclinghöfe letztes Jahr denn offen waren, haben sich davor teilweise lange Staus gebildet.“Das habe gezeigt, dass viele sich Zeit zum Entrümpeln genommen haben. Das alles sei jetzt aber nicht mehr der Fall. So geht Reichelt davon aus, dass zum einen gar nicht mehr so viel zum Entsorgen anfällt und zum anderen, dass das, was anfällt, dann auch ganz normal auf den kommunalen Recyclinghöfen entsorgt werden kann.
Darüber mag Baron Ernst Freiherr von Freyberg vermutlich nur schmunzeln, wenn ihm denn der Sinn nach Fröhlichkeit stünde. Im vergangenen halben Jahr war der Allmendinger Waldbesitzer dreimal Leidtragender von Sperr- und Sondermüllablagerungen in seinem Gebiet auf Gemarkung Öpfingen: Erst eine alte Küche, dann Glaswolle und kurz vor Ostern allerlei Möbel und sonstiger Hausrat (wir berichteten). Er ärgerte sich darüber derart, dass er 500 Euro Belohnung aussetzte für Hinweise, die zur Ermittlung der Täter führen – bislang ohne Erfolg. Von Freyberg ist überzeugt: „Das hat System. Das sind berufliche Wiederholungstäter mit krimineller Energie. Das ist nicht der Einzelne, der eben mal seine Spülmaschine entsorgt, sondern jemand, der gewerblich Entrümpelungen macht und Kosten sparen will.“Wildes Müllabladen im Wald habe es leider immer schon gegeben, aber diese Größenordnung stellte er erst jüngst fest.
Auch Axel Prosser von der Gemeindeverwaltung in Öpfingen wundert sich über diese Fälle: „In den vergangenen Jahren gab es bis dahin keinen Fall dieser Größenordnung, in dem der Bauhof zur Entsorgung des Mülls ausrücken musste.“Ein Hinweis auf einen allgemein laxeren Umgang mit Abfällen sei dies aber nicht unbedingt, meint der Hauptamtsleiter: „Klar berichtet unser Bauhof, dass im Abfalleimer an der Bushaltestelle an der Bundesstraße schon mal etwas mehr Müll liegt oder dort auch mal ein gelber Sack abgestellt wird. Aber das hatten wir auch schon vor der Pandemie.“
Ähnlich äußert sich Bettina Gihr, Pressesprecherin der Stadt Ehingen. „Wilde Müllablagerungen in Wäldern oder freier Landschaft beschäftigen die Stadtverwaltung immer wieder“, schreibt sie. Eine Zunahme der Fälle seit Beginn der CoronaPandemie könne man aber nicht feststellen. Auch könne man das Problem nicht an bestimmten Jahreszeiten oder ähnlichem festmachen. „Wenn Bürgerinnen und Bürger wilde Müllablagerungen entdecken, freuen wir uns, wenn sie dies an uns weitergeben, gerne auch mit dem Mängelmelder der Stadt-App, damit wir rasch Abhilfe schaffen können.“
Was die Stadt indes seit Beginn der Corona-Pandemie feststelle, sei, dass deutlich mehr Müll, insbesondere Hausmüll und Bioabfälle, in den öffentlichen Mülleimern entsorgt werden. Das sei das deutlich größere Problem als Kleinabfall – etwa Tüten von Fastfood-Restaurants oder Imbissbuden –, den die Bürger aus dem Autofenster werfen. Diese Beobachtung, die etliche SZ-Leser gemacht haben, könne die Stadtverwaltung nicht bestätigen.