Gewächshaus mit Theaterbühne
Gärtnerei soll zum Zentrum von Kultur werden – Das Koffertheater steht in den Startlöchern
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RIEDLINGEN - In Riedlingen gibt es eine lebendige Kulturszene, so sie agieren kann. Eines der Projekte ist das Koffertheater von Gisela O’Grady-Pfeiffer. Sie hat im Gewächshaus der Gärtnerei von Bianca und Christian Masetti in der Riedlinger Mühlvorstadt eine neue Bühne für Kulturschaffende ausgemacht und steht dank einer Leader-Förderung bereits in den Startlöchern.
Christian Masetti war es, der auf die Musikpädagogin, Multiinstrumentalistin, Komponistin und Theatermacherin zukam und ihr seine Idee vortrug, eines seiner Gewächshäuser für die Kultur zu öffnen und Wachsen, Blühen, Werden und Vergehen miteinander zu verbinden. Das war vor eineinhalb Jahren und bevor ein Virus das kulturelle Geschehen lahmlegte. Wer Gisela O’Grady-Pfeiffer kennt, weiß, dass sie sich davon nicht aus der Bahn werfen, sondern umso aktiver werden lässt. Mit Erfolg, denn ihr Förderantrag für ein „Leader-Kleinprojekt“wurde bewilligt. Geld gibt es aus dem Regionalbudget der GAK-Förderung des Bundes, des Landes Baden-Württemberg und der LeaderAktionsgruppe, einer Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes, wie es etwas sperrig heißt. Auszugeben ist das Geld für die Ausstattung des 400 Quadratmeter großen Gewächshauses im Zugangsbereich zur Gärtnerei. Dazu gehören eine mobile Bühne, die auch mal für Freiluftveranstaltungen genutzt werden kann, leichte – bei Bedarf in die Innenstadt transportierbare – Hocker und Stühle, aber auch Licht- und Tonanlagen und nicht zuletzt eine Toilette.
„Das Gewächshaus ist ideal“, schwärmt Gisela O’Grady-Pfeiffer und zeigt, wie es in Sommertagen seine Umhüllung öffnen kann. Für kältere Jahreszeiten ist eine Fußbodenheizung geplant. Sie träumt von Kulturevents in kleinen Besetzungen – auch unter Corona-Bedingungen. Zunächst jedoch soll die Bühne als Probenort dienen: für die Akteure des Improvisationstheaters, Musiker, für Lesungen, Kabarett und Kleinkunst und zwar zu den – eventuell auch in die Abendstunden verlängerten –Öffnungszeiten der Gärtnerei. Denn das zum Kulturtempel gestaltete Gewächshaus wird gleichzeitig der Verkaufsraum der Gärtnerei Masetti bleiben. Eine „Win-WinSache“nennt die Theaterfrau das und sieht im Geiste schon Kunden, die sich während ihres Einkaufs nicht nur an der Pflanzenkultur, sondern auch an jener auf der Probenbühne freuen. „Pflanzkultur und Kulturelles können sich so gegenseitig befruchten, ein einzigartiger Kulturort mit nachhaltigem Potenzial kann entstehen“, warb sie um Gelder für ihr Vorhaben. In ihrem Tun unterstützt weiß sie sich sowohl vom Bundesverband der Amateurtheater, wie auch vom Tonkünstlerverband, insbesondere was Informationen anbelangt. „Großartig“nennt sie, was sie für ihre Mitglieder tun.
Gerade auch in der jüngst diskutierten Aufwertung der Attraktivität Riedlingens als Wohnort betont sie den „Mehrwert an Lebensqualität“für die Stadt. Sie hält fest, dass das Projekt ehrenamtlich durchgeführt wird und „Gemeinwohl-stiftend“ist. Zusammen mit ihr bringt sich ihr Mann Lothar Pfeiffer ein. Wenn Aufführungen wieder möglich sind, können bis zu 199 Personen dem jeweiligen Kulturprogramm in dem Gewächshaus folgen.
An den aufzubringenden Eigenmitteln fehlen trotz eines kleinen Polsters in der Kasse des Koffertheaters noch 4000 Euro. Sie sind vorfinanziert, lässt Gisela O’Grady-Pfeiffer wissen, macht aber keinen Hehl daraus, dass sie sich über Spenden für das Projekt freuen würde.
Wenn alles gut läuft, soll die Bühne bis spätestens Juli für den Probenbetrieb zur Verfügung stehen. Für das Koffertheater hat sie bereits konkrete Pläne. So arbeitet sie gerade an einer musikalisch-theatralen Märchenerzählung von Maurice Ravel für Klavier und „seltsame Instrumente“nach der Geschichtensammlung „Märchen meiner Mutter Gans“des Franzosen Charles Perrault. Es ist eine Geschichte aus der Stille, betont die leidenschaftlich für die Kultur engagierte Frau. In der verordneten Abgeschiedenheit der CoronaZeiten wachse auch daraus eine Kraft. Im Übrigen können sich wieder interessierte Kinder melden. Begeisterung fürs Theater und die Fähigkeit, in der Gruppe zu agieren, sind die Voraussetzungen dafür. Freitags und samstags soll geprobt werden, so es wieder geht.
Das 2016 gegründete Riedlinger Koffertheater versteht sich als offenes Angebot für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund. Entstanden ist es, als sich in Riedlingen die Flüchtlingsheime füllten. Kinder aus allen Gesellschaftsschichten zusammen zu bringen, Einheimische und Fremde, war und ist das Ziel der Musikpädagogin. Irgendwann begann sie, nicht nur Spiele mit den Kindern zu machen, sondern kleine Szenen einzustudieren, so auch für das Sommertheater 2017. Die Kinder traten 2018 als musizierende Zeitungen beim verkaufsoffenen Sonntag auf, glänzten 2019 als Mitwirkende beim „Gestiefelten Kater“des Flohmarkttheaters, hatten wenig später beim Kulturfrühstück einen Auftritt und unterhielten das Publikum bei der Verleihung des Ehrenamtspreises des Landkreises Biberach. Das Riedlinger Koffertheater wird unterstützt von der Stadt Riedlingen, durch Zuwendungen und Zuschüsse von kommunalen, kirchlichen und privaten Gebern sowie durch das Ministerium für Wissenschaft und Kunst über den Landesverband Amateurtheater Baden-Württemberg e.V..
Das Gewächshaus der Gärtnerei Masetti in der Mühlvorstadt als Aufführungsort im Blickfeld hat auch Henrike Müller vom Literaturnetzwerk Oberschwaben für das Freiräume-Projekt „Kultur-Pflänzchen“, gefördert vom Ministerium für Kunst und Wissenschaft, mit dem im Herbst gestartet werden kann, so Corona es zulässt.
Kinder, die gerne beim Koffertheater dabei sein möchten, aber auch Erwachsene, die sich für die Kultur im Gewächshaus interessieren und/oder das Projekt unterstützen wollen, dürfen sich per E-Mail bei der Initiatorin melden:
gisela.ogrady-pfeiffer@t-online.de