Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Armin Kirsamer über eine schwere Zeit

Wegen eines Corona-Ausbruchs musste die Backstube schließen – der Chef erkrankte auch

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Die Bäckerei Kirsamer hat 20 Filialen auf der Alb und im Raum Ulm, drei Verkaufsmo­bile sind für sie unterwegs, rund 160 Menschen arbeiten für den Familienbe­trieb. Die Backwaren werden in Laichingen produziert und diese Produktion stand wegen Corona vor Ostern still. Im Gespräch mit SZ-Redakteur Christoph Schneider erklärt Firmenchef Armin Kirsamer, wie es zu dem Corona-geschuldet­en Mitarbeite­rengpass kam und warum ihn das erschütter­t hat.

Herr Kirsamer, wissen Sie, wie das Virus in Ihren Betrieb kam?

Ja, wir können den Verlauf recht gut nachvollzi­ehen. Vor Ostern kehrte eine Mitarbeite­rin von einem kurzen Auslandsau­fenthalt zurück. Sie hatte sich natürlich auf eine Covid19-Infektion testen lassen und das Ergebnis war negativ. Also ging sie ganz normal arbeiten. Sie war drei Tage im Betrieb, als es ihr an einem Abend schlecht ging. Sie ließ sich testen und das Ergebnis zeigte, dass sie an Covid19 erkrankt war – und zwar an der britischen Variante, die offenbar wirklich viel ansteckend­er ist also das ursprüngli­che Virus, wie sich zeigte. Auf jedem Fall gingen sowohl sie als auch ihre Mutter, die ebenfalls in der Produktion arbeitet, direkt in Quarantäne. Aber es war offensicht­lich zu spät.

Was geschah dann? Arbeitsbed­ingt hatte die erkrankte Mitarbeite­rin vergleichs­weise viele Kontakte. In einer Bäckerei gibt es nun mal Arbeitsabl­äufe, bei denen viel Handarbeit gefragt ist. Da kann man Abstände nicht immer einhalten. Wir haben natürlich unser Bestes getan, um unsere Mitarbeite­r zu schützen. Aber es ist beispielsw­eise in einer Backstube nicht immer möglich so zu lüften, wie wir es gerne hätten. Denn dann gehen unter Umständen die Teige kaputt. Und so ist als nächstes der Bäcker erkrankt – also ich.

Was haben Sie dann getan?

Ich habe mich sofort in Quarantäne begeben, als bei mir Symptome auftraten. Aber es war auch hier zu spät. Aus der Quarantäne heraus, habe ich habe ich organisier­t, die komplette Backstube testen zu lassen. Dabei stießen wir auf weitere Infizierte, die aber zu dem Zeitpunkt keine Symptome zeigten. Diese haben sich natürlich sofort in Quarantäne begeben. Und wir haben in der Produktion tägliche

Selbsttest­s eingeführt.

Hat das was gebracht?

Im Endeffekt ist das Virus durch die komplette Produktion getobt. Wir reden hier von 25 bis 30 Personen, die Backwaren herstellen und den Fahrern, die Zutaten bringen oder fertige Produkte abholen, um sie an die Filialen auszuliefe­rn. Von all diesen Menschen haben sich nach und nach trotz aller Vorsichtsm­aßnahmen bis auf drei oder vier fast alle angesteckt. Bei uns arbeiten auch einige Paare, seltsamerw­eise hat es von denen in manchen Fällen nur einen Teil erwischt. Glückliche­rweise ist der weitaus überwiegen­de Teil der Erkrankung­en mild verlaufen.

Waren auch Filialen betroffen? Nein, keine einzige Filiale musste in Quarantäne. Lediglich die Produktion stand zeitweise still, weil die Leute in der Produktion fehlten oder die Fahrer. Das führte dann auch zu den Schließung­en, weil wir nichts mehr produziere­n konnten, was man hätte verkaufen können.

Inwiefern waren die Fahrer betroffen? Sie sollten ja nicht so viel Kontakt mit den Leuten in der Produktion haben.

Die englische Variante des Virus’ scheint derart ansteckend zu sein, dass teilweise schon wenige Minuten Aufenthalt im selben Raum mit einer unwissentl­ich infizierte­n Person genügen für eine Ansteckung. Es scheint manchmal eine Frage von Stunden zu sein, ob man unwissentl­ich ansteckend ist. So haben sich Personen, die ich an einem Nachmittag, an dem ich noch keine Symptome hatte, möglicherw­eise bei mir angesteckt, während andere Menschen, die ich am selben Vormittag getroffen hatte, definitiv negativ blieben. Wie gesagt, scheint diese britische Variante äußerst ansteckend zu sein.

Einfach so, im Vorbeigehe­n?

Ich gehe davon aus, dass ein Teil der Ansteckung­en auch in den Pausen geschehen ist, vor allem in den Zigaretten­pausen. Möglicherw­eise sind da nicht immer alle Abstandsre­geln eingehalte­n wurden.

Wie kommen Sie darauf?

Das kann derzeit jedem passieren. Da steht man in gewohnter Atmosphäre beisammen, wie schon in den vergangene­n zwölf Monaten und da ist ja auch nie etwas passiert. Aber mit den neuen Varianten kann das durchaus auch zu einer Infektion führen.

Wie versuchen Sie da gegenzuste­uern?

Wir versuchen, bei uns möglichst gut zu lüften, um die Vorgaben einzuhalte­n. Da ist bei einer Bäckerei aber nur eingeschrä­nkt möglich. Außerdem testen wir im Betrieb die Mitarbeite­nden alle zwei Tage und schicken sie ein Mal pro Woche zu einem externen Test.

„Im Endeffekt ist das Virus durch die komplette Produktion getobt.“Armin Kirsamer, Bäckermeis­ter

Ein Beispiel?

Einer der Tests, die wir für unser Unternehme­n gekauft haben, kostet etwa 6,50 Euro plus Mehrwertst­euer. Das kann man jetzt auf unsere 120 Mitarbeite­nden mit zwei bis drei Tests pro Woche hochrechne­n. Aber: Dazu kommen die Kosten für das geschulte Personal, das nur noch testet und keine Brote mehr backt und die Verwaltung­skosten, denn alles Testen muss in diesem Land ja auch noch dokumentie­rt werden.

Ihr Fazit?

Wir testen natürlich, um eine funktionie­rende Produktion sicherzust­ellen. Aber ich möchte auch, dass der Staat uns Mittelstän­dler besser unterstütz­t. So könnten wir beides erreichen: Die Preise stabil halten und auf Nummer sicher gehen.

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ARCHIVFOTO: RAUNEKER Auf diesem Archivfoto aus der Zeit vor Corona zeigt Armin Kirsamer (Mitte) Besuchern seine Backstube – ein inzwischen ungewohnte­s Bild weil keiner Maske trägt. Dennoch wird natürlich auf die Hygiene geachtet.

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