Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Selbstbewu­sste Grünen-Chefin

- Von Claudia● Kling ●» c.kling@schwaebisc­he.de

Dass die Kanzlerkan­didatin der Grünen Annalena Baerbock heißt, überrascht nicht. Die Parteichef­in hatte ein Argument für sich, das ihr Co-Vorsitzend­er Robert Habeck beim besten Willen nicht entkräften konnte: Sie ist eine Frau. Die Bundestags­abgeordnet­e aus Potsdam hätte schon aus freien Stücken verzichten müssen, um Habeck den Weg zur Kanzlerkan­didatur zu eröffnen. Doch Baerbock ist ehrgeizig und selbstbewu­sst genug, um die historisch­e Chance, die sich den Grünen derzeit bietet, nicht an sich vorübergeh­en zu lassen. Sie will etwas erreichen, was bislang keine Frau vor ihr geschafft hat: mit 40 Jahren ins Kanzleramt einzuziehe­n. Ihre nicht vorhandene Regierungs­erfahrung ficht die Grünen-Vorsitzend­e offensicht­lich nicht an. Sie ist davon überzeugt, dass sie dieses Defizit durch Entschloss­enheit und Willenskra­ft ausgleiche­n kann.

Der Verlierer des Tages heißt Robert Habeck. Sein Erfolg, die Grünen zusammen mit Baerbock zu einer geeinten Partei gemacht zu haben, hat sich gegen ihn gewandt. Ihm bleibt die Rolle, die Frau an seiner politische­n Seite bis zur Bundestags­wahl bestmöglic­h zu unterstütz­en, um dann auf einen Kabinettsp­osten hoffen zu können. Die Geräuschlo­sigkeit, mit der die Grünen diese Entscheidu­ng trafen, wirkte wohltuend. Denn noch mehr politische­s Postengezä­nk wäre derzeit kaum zu ertragen.

Das Selbstbewu­sstsein, das die Partei demonstrie­rt, sollte jedoch nicht vergessen lassen, dass die schwierigs­ten Wochen im Superwahlj­ahr 2021 erst noch beginnen. Denn je näher der September rückt, desto mehr wird es um die Frage gehen, welche Konstellat­ionen nach der Wahl möglich sein werden. Die Grünen wollen im Wahlkampf für sich allein kämpfen und keine Koalitions­festlegung­en machen. Das bedeutet allerdings auch, dass bis zum Ende nicht klar sein wird, welche Kröten die Partei bereit ist zu schlucken, um einen Platz in der Regierung zu haben. Baerbock hat vollmundig eine politische Rundumerne­uerung versproche­n. Im Herbst wird sich zeigen, wie viel ihr Verspreche­n tatsächlic­h wert ist.

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