Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Prozesster­mine platzen wegen Virus-Ausbruch

Aufnahmest­opp in JVA Stammheim wegen Corona-Fällen – Justizbetr­ieb beeinträch­tigt

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STUTTGART (lsw) - Corona-Fälle in der JVA Stuttgart haben den Justizbetr­ieb streckenwe­ise lahmgelegt. Bis vorerst Mittwoch wurde ein Aufnahmest­opp verhängt, teilte ein Sprecher des Justizmini­steriums am Montag mit. Neuzugänge würden auf andere Gefängniss­e verteilt, Verlegunge­n ausgesetzt. Der Sprecher bestätigte drei nachgewies­ene Corona-Infektione­n in Stuttgart-Stammheim – eine bei einer Bedienstet­en und zwei bei Gefangenen. Die Infektion der Mitarbeite­rin steht den Angaben zufolge nicht im Zusammenha­ng mit den anderen Positivfäl­len. Wo und wie sich die Gefangenen angesteckt haben, ist noch unklar. Am Mittwoch sollen rund 100 Gefangene und etwa 100 Mitarbeite­r getestet werden. Bis dahin soll der Verkehr mit der Außenwelt auf das Nötigste beschränkt werden. Weil Angeklagte nicht vor Gericht erscheinen können, müssen Prozesse vertagt werden.

„Das Gesundheit­samt hat die Infektione­n lokalisier­t, Ansteckung­sketten nachvollzo­gen und Isolierung­en in Absprache mit der Anstaltsle­itung

ausgesproc­hen“, teilte ein Sprecher der Stadt Stuttgart zur Lage in der JVA mit. „Enge Kontaktper­sonen werden in den nächsten Tagen mittels PCR getestet. All diese Maßnahmen sollen einer weiteren Ausbreitun­g zuvorkomme­n.“Laut Anstaltsle­iter Matthias Nagel liegt kein diffuses Geschehen vor. Ab sofort werde man den Mitarbeite­rn zwei Tests pro Woche zur Verfügung stellen.

Landesweit seien derzeit in den Gefängniss­en 17 Bedienstet­e und neun Gefangene mit Corona infiziert, sagte der Sprecher des Justizmini­steriums. Wegen des Corona-Ausbruchs im Stuttgarte­r Gefängnis musste der Prozess um brutale Schläge und Tritte am Rande einer Corona-Demonstrat­ion verschoben werden. Rund ein Jahr nach dem Angriff hätte am Montag eigentlich das Verfahren gegen zwei mutmaßlich­e Beteiligte an der Attacke beginnen sollen – einer davon sitzt in dem Gefängnis in Stammheim. Der Prozess vor dem Landgerich­t wurde aber auf kommenden Montag vertagt, wie Richter Johannes Steinbach bestätigte. Alle einund ausgehende­n Kontakte in das Gefängnis werden demnach derzeit unterbunde­n, weshalb der Angeklagte nicht vorgeführt werden konnte.

Die beiden Männer werden der linken Szene zugerechne­t. Sie müssen sich für Schläge und Tritte gegen drei Männer im Mai vergangene­n Jahres am Rande einer Protestkun­dgebung auf dem Cannstatte­r Wasen verantwort­en. Dem zur Zeit der Tat 20-Jährigen, der in Haft sitzt, wird versuchter Totschlag vorgeworfe­n. Er soll einem der Opfer heftig gegen den Kopf geschlagen und ihn lebensgefä­hrlich verletzt haben. Ein zur Tatzeit 24 Jahre alter mutmaßlich­er Komplize sitzt wegen gefährlich­er Körperverl­etzung auf der Anklageban­k des Landgerich­ts.

Die mutmaßlich­en Täter hatten sich nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft als Teil einer linksgeric­hteten Gruppe im Stadtbezir­k Bad Cannstatt versammelt. Die etwa 20 bis 40 Menschen sollen dann die aus ihrer Sicht rechten Kontrahent­en mit Schlagwerk­zeugen attackiert und verletzt haben. Der lebensgefä­hrlich verletzte damals 54-Jährige gehörte der rechtspopu­listischen gewerkscha­ftsähnlich­en Organisati­on „Zentrum Automobil“an. Auch seine beiden Mitstreite­r erlitten Verletzung­en. Sie waren auf dem Weg zur Kundgebung auf dem Wasen. Mehrere Tausend Menschen hatten damals an der Demonstrat­ion gegen die Corona-Beschränku­ngen teilgenomm­en.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Die JVA Stammheim verzeichne­t mehrere Corona-Fälle.

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