Sternekoch eröffnet zwei Restaurants in Weingarten
Kein Dresscode und unterschiedliche Preisklassen – Marco Akuzun will nicht nur Gourmets ansprechen
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WEINGARTEN - Insgesamt 73 Küchenchefs haben sich im vergangenen Jahr 2020 in Baden-Württemberg mindestens einen Stern erkocht. Doch während sich gerade entlang der französischen Grenze sowie rund um Stuttgart die vom Guide Michelin ausgezeichneten Restaurants ballen, gibt es im mittleren und südöstlichen Teil des Landes beinahe keine Sterneküche. Einzig dem SEO Küchenhandwerk in Langenargen und dem Schattbuch in Amtzell ist es im vergangenen Jahr gelungen, diese Auszeichnung zu erhalten. Ansonsten herrscht zwischen Friedrichshafen und Biberach, Sigmaringen und Leutkirch gähnende Leere, wie der Blick auf die Sterne-Karte verrät. Doch das könnte sich zeitnah ändern. Denn Marco Akuzun, langjähriger Küchenchef des Sternerestaurants Top Air am Stuttgarter Flughafen, will die Region Oberschwaben kulinarisch bereichern. Im August eröffnet der 39-Jährige mit der Syrlin-Speisewelt gleich zwei Restaurants in Weingarten – damit jeder Bürger zu ihm kommen kann.
Denn nach jahrzehntelanger Gastro-Erfahrung kann Akuzun einschätzen, was funktioniert und was nicht. „Ein reines Sterne-Lokal geht hier nicht. Da stirbst du direkt“, sagt er auch hinsichtlich des Vakuums an Spitzengastronomie in der Region, die er ganz gut kennt. Schließlich ist er in Friedrichshafen geboren, in Ostrach und Uhldingen aufgewachsen. Nach der Realschule und dem abgebrochenen Fachabitur begann er im Gasthof Storchen in Uhldingen seine Kochausbildung, die er eigentlich nur angefangen hatte, damit „meine Eltern Ruhe geben. Ich hatte mit Kochen nie etwas am Hut. Es war klar, dass ich das abbreche.“
Doch so weit kam es nicht. Tatsächlich beendete er die Ausbildung und begab sich danach auf eine jahrelange kulinarische Wanderschaft. Dabei lernte Akuzun in rund 15 Betrieben das Kochhandwerk. Darunter auch in der Residenz am See in Meersburg oder beim ehemaligen Sternekoch Albert Bouley im Ravensburger Waldhorn. Mit großem Ehrgeiz arbeitete er sich nach oben, immer mit dem Ziel: „Mit 30 Jahren möchte ich einen Porsche und einen Stern. Das mit dem Stern hat geklappt, der Porsche wurde gegen ein Familienauto getauscht“, sagt der Vater einer 17-jährigen Tochter.
Und so wurde Akazun bereits mit 24 Jahren Küchenchef, erkochte sich mit 29 Jahren seinen ersten Stern im Top Air am Stuttgarter Flughafen, das im vergangenen Jahr coronabedingt schließen musste. Zehn Jahre hatte er dort als Küchenchef gearbeitet, knapp achteinhalb davon auch als Geschäftsführer.
Dass es nun gerade Weingarten wurde, überraschte Akuzun selbst ein wenig. Denn eigentlich hätte er es sich gut vorstellen können, in der Region rund um Stuttgart zu bleiben und weiterhin in einem Angestelltenverhältnis zu arbeiten. Doch letztlich war das Gesamtpaket in Weingarten, mit der Möglichkeit, sich selbstständig zu machen und dank eines finanzstarken Investors aus der Region – der anonym bleiben möchte – auch die eigenen hohen Ansprüche an eine Gastronomie zu verwirklichen, einfach zu attraktiv. „Von der Bank bekommt man nicht das Geld, das man für so eine Selbstständigkeit braucht“, sagt er.
Dabei hat sich der 39-Jährige diesen Schritt reiflich überlegt und nun ein ganz klares Konzept. So wird er mit Markos – das Restaurant einerseits ein Fine-Dining anbieten, mit dem er perspektivisch auch wieder einen Stern erkochen könnte. Doch will er das Sterne-Thema nicht in den Vordergrund rücken. „Klar hätte ich den Stern auch hier gerne wieder, aber ich mache mir da nicht zu viele Sorgen“, sagt er. „Die Leute sollen nicht denken, dass da ein Schnösel kommt, der den Zampano macht. Ich will keinen klassischen Gourmettempel.“Auch deshalb gibt es das Bistro Kostbar, welches etwas weniger exklusive Gerichte anbieten wird. So entstehen aktuell im neuen SyrlinQuartier an der Ravensburger Straße zwei Restaurants in einer Location mit einer Küche.
Dabei werden Marco Akuzun und seine Frau Nadine, die den Service leiten wird, darauf achten, dass keine Zweiklassengesellschaft entsteht. „Wir möchten niemanden verprellen. Wir wollen etwas für jedermann und jeden Tag machen“, erklärt der Gastronom, der keine Hemmschwellen aufbauen möchte. So werden Hunde in den Restaurants erlaubt sein; eine Kleiderordnung wird es nicht geben. „Es geht nicht darum, den Schein nach außen zu wahren. Es geht um den Spaß am Essen“, sagt Akuzun. „Es ist egal, ob der Gast in Bermuda-Shorts oder im feinen Anzug kommt. Ich will niemandem vorschreiben, was er beim Essen zu tragen hat.“
Denn letztlich soll das Essen im Mittelpunkt des Restaurantbesuches stehen – mit aller Konsequenz. Gerne will er Kooperationen mit regionalen Landwirten, Bäckern oder Jägern eingehen. Aber nur wenn die Qualität stimmt. Ohnehin wird Akuzun bei manchen Produkten auf seine bisherigen Lieferanten aus TopAir-Zeiten zurückgreifen. Denn gerade für sein Fine-Dining im Markos wird er nicht alle der exklusiven Produkte in der Region bekommen.
Denn der Sternekoch will die Gäste auf eine „kleine Weltreise“mitnehmen. Dabei setzt Akuzun vor allem auf die französische und asiatische Küche, die sich im Markos in einem Menü mit sieben oder acht Gängen – die auch einzeln wählbar sind – wiederfinden sollen. Aktuell geht er von Preisen zwischen 140 und 160 Euro aus, was deutlich unter dem Niveau des Top Air liegt. Um an der Qualität der Produkte nicht sparen zu müssen, will er auf kostspieliges Silberbesteck und Tischwäsche verzichten, was in der Sterne-Gastronomie eigentlich Standard ist. „Wenn der Guide Michelin das dann bemängelt, können sie mir den Buckel herunterrutschen“, sagt Akuzun.
Derweil sollen in der Kostbar die Hauptgerichte zwischen 25 und 30 Euro liegen. Den Preisunterschied zwischen den beiden Restaurants rechtfertigt Akuzun mit exklusiveren Produkten und einem höheren Arbeitsaufwand, auch wenn ihm bewusst ist, dass viele Gäste erst einmal die Kostbar testen werden. Doch gerade das ist Teil des Konzeptes. Genau wie Kooperationen mit regionalen Brauereien und Winzern, einer Zigarrenlounge und einer großen Terrasse.
Dass er sich bei diesem Konzept aber wohl nicht völlig frei von SterneErwartungen machen kann, zeigt sich schon jetzt. So hat sich bereits ein Stammgast aus Stuttgart mit einer mittelgroßen Gesellschaft zum 70. Geburtstag angemeldet. Vielleicht rückt Oberschwaben künftig ja tatsächlich ins Blickfeld der Genießer – und auf die Karte des Guide Michelin.