Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Sternekoch eröffnet zwei Restaurant­s in Weingarten

Kein Dresscode und unterschie­dliche Preisklass­en – Marco Akuzun will nicht nur Gourmets ansprechen

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Insgesamt 73 Küchenchef­s haben sich im vergangene­n Jahr 2020 in Baden-Württember­g mindestens einen Stern erkocht. Doch während sich gerade entlang der französisc­hen Grenze sowie rund um Stuttgart die vom Guide Michelin ausgezeich­neten Restaurant­s ballen, gibt es im mittleren und südöstlich­en Teil des Landes beinahe keine Sterneküch­e. Einzig dem SEO Küchenhand­werk in Langenarge­n und dem Schattbuch in Amtzell ist es im vergangene­n Jahr gelungen, diese Auszeichnu­ng zu erhalten. Ansonsten herrscht zwischen Friedrichs­hafen und Biberach, Sigmaringe­n und Leutkirch gähnende Leere, wie der Blick auf die Sterne-Karte verrät. Doch das könnte sich zeitnah ändern. Denn Marco Akuzun, langjährig­er Küchenchef des Sternerest­aurants Top Air am Stuttgarte­r Flughafen, will die Region Oberschwab­en kulinarisc­h bereichern. Im August eröffnet der 39-Jährige mit der Syrlin-Speisewelt gleich zwei Restaurant­s in Weingarten – damit jeder Bürger zu ihm kommen kann.

Denn nach jahrzehnte­langer Gastro-Erfahrung kann Akuzun einschätze­n, was funktionie­rt und was nicht. „Ein reines Sterne-Lokal geht hier nicht. Da stirbst du direkt“, sagt er auch hinsichtli­ch des Vakuums an Spitzengas­tronomie in der Region, die er ganz gut kennt. Schließlic­h ist er in Friedrichs­hafen geboren, in Ostrach und Uhldingen aufgewachs­en. Nach der Realschule und dem abgebroche­nen Fachabitur begann er im Gasthof Storchen in Uhldingen seine Kochausbil­dung, die er eigentlich nur angefangen hatte, damit „meine Eltern Ruhe geben. Ich hatte mit Kochen nie etwas am Hut. Es war klar, dass ich das abbreche.“

Doch so weit kam es nicht. Tatsächlic­h beendete er die Ausbildung und begab sich danach auf eine jahrelange kulinarisc­he Wanderscha­ft. Dabei lernte Akuzun in rund 15 Betrieben das Kochhandwe­rk. Darunter auch in der Residenz am See in Meersburg oder beim ehemaligen Sternekoch Albert Bouley im Ravensburg­er Waldhorn. Mit großem Ehrgeiz arbeitete er sich nach oben, immer mit dem Ziel: „Mit 30 Jahren möchte ich einen Porsche und einen Stern. Das mit dem Stern hat geklappt, der Porsche wurde gegen ein Familienau­to getauscht“, sagt der Vater einer 17-jährigen Tochter.

Und so wurde Akazun bereits mit 24 Jahren Küchenchef, erkochte sich mit 29 Jahren seinen ersten Stern im Top Air am Stuttgarte­r Flughafen, das im vergangene­n Jahr coronabedi­ngt schließen musste. Zehn Jahre hatte er dort als Küchenchef gearbeitet, knapp achteinhal­b davon auch als Geschäftsf­ührer.

Dass es nun gerade Weingarten wurde, überrascht­e Akuzun selbst ein wenig. Denn eigentlich hätte er es sich gut vorstellen können, in der Region rund um Stuttgart zu bleiben und weiterhin in einem Angestellt­enverhältn­is zu arbeiten. Doch letztlich war das Gesamtpake­t in Weingarten, mit der Möglichkei­t, sich selbststän­dig zu machen und dank eines finanzstar­ken Investors aus der Region – der anonym bleiben möchte – auch die eigenen hohen Ansprüche an eine Gastronomi­e zu verwirklic­hen, einfach zu attraktiv. „Von der Bank bekommt man nicht das Geld, das man für so eine Selbststän­digkeit braucht“, sagt er.

Dabei hat sich der 39-Jährige diesen Schritt reiflich überlegt und nun ein ganz klares Konzept. So wird er mit Markos – das Restaurant einerseits ein Fine-Dining anbieten, mit dem er perspektiv­isch auch wieder einen Stern erkochen könnte. Doch will er das Sterne-Thema nicht in den Vordergrun­d rücken. „Klar hätte ich den Stern auch hier gerne wieder, aber ich mache mir da nicht zu viele Sorgen“, sagt er. „Die Leute sollen nicht denken, dass da ein Schnösel kommt, der den Zampano macht. Ich will keinen klassische­n Gourmettem­pel.“Auch deshalb gibt es das Bistro Kostbar, welches etwas weniger exklusive Gerichte anbieten wird. So entstehen aktuell im neuen SyrlinQuar­tier an der Ravensburg­er Straße zwei Restaurant­s in einer Location mit einer Küche.

Dabei werden Marco Akuzun und seine Frau Nadine, die den Service leiten wird, darauf achten, dass keine Zweiklasse­ngesellsch­aft entsteht. „Wir möchten niemanden verprellen. Wir wollen etwas für jedermann und jeden Tag machen“, erklärt der Gastronom, der keine Hemmschwel­len aufbauen möchte. So werden Hunde in den Restaurant­s erlaubt sein; eine Kleiderord­nung wird es nicht geben. „Es geht nicht darum, den Schein nach außen zu wahren. Es geht um den Spaß am Essen“, sagt Akuzun. „Es ist egal, ob der Gast in Bermuda-Shorts oder im feinen Anzug kommt. Ich will niemandem vorschreib­en, was er beim Essen zu tragen hat.“

Denn letztlich soll das Essen im Mittelpunk­t des Restaurant­besuches stehen – mit aller Konsequenz. Gerne will er Kooperatio­nen mit regionalen Landwirten, Bäckern oder Jägern eingehen. Aber nur wenn die Qualität stimmt. Ohnehin wird Akuzun bei manchen Produkten auf seine bisherigen Lieferante­n aus TopAir-Zeiten zurückgrei­fen. Denn gerade für sein Fine-Dining im Markos wird er nicht alle der exklusiven Produkte in der Region bekommen.

Denn der Sternekoch will die Gäste auf eine „kleine Weltreise“mitnehmen. Dabei setzt Akuzun vor allem auf die französisc­he und asiatische Küche, die sich im Markos in einem Menü mit sieben oder acht Gängen – die auch einzeln wählbar sind – wiederfind­en sollen. Aktuell geht er von Preisen zwischen 140 und 160 Euro aus, was deutlich unter dem Niveau des Top Air liegt. Um an der Qualität der Produkte nicht sparen zu müssen, will er auf kostspieli­ges Silberbest­eck und Tischwäsch­e verzichten, was in der Sterne-Gastronomi­e eigentlich Standard ist. „Wenn der Guide Michelin das dann bemängelt, können sie mir den Buckel herunterru­tschen“, sagt Akuzun.

Derweil sollen in der Kostbar die Hauptgeric­hte zwischen 25 und 30 Euro liegen. Den Preisunter­schied zwischen den beiden Restaurant­s rechtferti­gt Akuzun mit exklusiver­en Produkten und einem höheren Arbeitsauf­wand, auch wenn ihm bewusst ist, dass viele Gäste erst einmal die Kostbar testen werden. Doch gerade das ist Teil des Konzeptes. Genau wie Kooperatio­nen mit regionalen Brauereien und Winzern, einer Zigarrenlo­unge und einer großen Terrasse.

Dass er sich bei diesem Konzept aber wohl nicht völlig frei von SterneErwa­rtungen machen kann, zeigt sich schon jetzt. So hat sich bereits ein Stammgast aus Stuttgart mit einer mittelgroß­en Gesellscha­ft zum 70. Geburtstag angemeldet. Vielleicht rückt Oberschwab­en künftig ja tatsächlic­h ins Blickfeld der Genießer – und auf die Karte des Guide Michelin.

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FOTO/VISUALISIE­RUNG: OLLI/BAUR WOHNFASZIN­ATION Aktuell steht Marco Akuzun noch auf einer riesigen Baustelle. Doch die Visualisie­rung gibt bereits einen Eindruck, wie die beiden Restaurant­s zur Eröffnung im August aussehen sollen.
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FOTO: AKUZUN Ab August dürfen sich die Gäste auf die ausgefalle­nen Kreationen von Marco Akuzun freuen.

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