Klosterschatz auf Heimaturlaub
Ausstellung im Augustinermuseum zeigt das Erbe der Schwarzwälder Abtei St. Blasien
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FREIBURG - Unvergessen ist in Oberschwaben die große Landesausstellung „Alte Klöster – Neue Herren“von 2003 zur Säkularisation. Damals wurde in Bad Schussenried einer staunenden Region zum ersten Mal umfassend vor Augen geführt, wie schändlich man 200 Jahre zuvor bei der Auflösung der geistlichen Herrschaften im Zug der napoleonischen Neuordnung des deutschen Südwestens vielerorts mit Klostergut umgegangen war. Ein Großteil der Bücherschätze, der kostbaren liturgischen Gerätschaften und der Kunstwerke wurde von den neuen weltlichen Besitzern eingesackt, verhökert oder gar zerstört: Prachthandschriften aus Weingarten – heute in New York; Preziosen aus Marchtal – heute in Regensburg; Vasa Sacra aus Zwiefalten – für das Tafelsilber des württembergischen Königs eingeschmolzen.
Vor diesem traurigen Hintergrund mutet wie ein Wunder an, was derzeit in Freiburg zu bestaunen ist. Mehrfach coronabedingt verschoben, kann im Augustinermuseum endlich die grandiose Ausstellung „Der Schatz der Mönche“gezeigt werden, die das Erbe des Klosters St. Blasien im Schwarzwald spiegelt. Denn dieses Erbe einer der wichtigsten Benediktinerabteien in unserem Raum ist durch aparte Umstände fast vollständig beisammengeblieben. Als sich um 1800 die Anzeichen für die Enteignung der Klöster verdichteten, bauten die gewitzten Mönche vor und brachten stillschweigend die wertvollsten Objekte außer Landes.
Dann fiel das zu Vorderösterreich gehörende Kloster 1807 in der Tat an Baden, und so übersiedelte der Konvent zuerst ins oberösterreichische Stift Spital, 1809 dann in seine endgültige Bleibe St. Paul im Lavanttal in Kärnten. Wie genau der Transfer des wertvollen Klosterguts dorthin vor sich gegangen war, wurde wohlweislich nirgendwo festgehalten. Nur eines ist sicher: Als die Beamten des Großherzogs von Baden die nahezu ausgeräumte Abtei in St. Blasien inspizierten, machten sie lange Gesichter.
Das Gegenteil ist nun im Augustinermuseum der Fall. Schon auf den ersten Blick präsentiert sich die noble Schau als Augenweide. Von der Decke hängen Stoffbahnen mit dunklem Tannengrün. Dahinter wölbt sich – ebenfalls auf Stoff – die gewaltige Kuppel des Doms von St. Blasien. Damit ist man auch schon beim eigentlichen Auslöser der Ausstellung. Bauherr des berühmten klassizistischen Zentralbaus war 1783 Fürstabt Martin Gerbert, einer der einflussreichsten Prälaten des Reiches vor der Säkularisation. Ihn wollte das Erzbistum Freiburg zu seinem 300. Geburtstag ehren und fand dazu als Partner das Augustinermuseum sowie das Benediktinerstift St. Paul. Dass sich die Kärntner Mönche für die ursprünglich von November 2020 bis April 2021 terminierte Ausstellung von ihren Schätzen – dem Löwenanteil der exquisiten 170 Exponate – trennten und nun auch der Verlängerung bis 19. September zustimmten, darf als absoluter Glücksfall in der Museumslandschaft gelten.
Beim Rundgang durch die vom Kunsthistoriker Guido Linke kuratierte, sehr geschmackvoll gestaltete Ausstellung wird schnell bewusst, welch imposante Figur dieser 1720 geborene Adelssprössling Martin Gerbert von Hornau aus Horb war. 1736 ins Kloster St. Blasien eingetreten, wurde er 1764 zu dessen Fürstabt und führte es zu einer letzten Blüte. Wobei die Abtei zuvor schon einen gewichtigen Namen hatte. Um 855 wurden Reliquien des heiligen Blasius aus dem heute schweizerischen Kloster Rheinau in eine Mönchszelle im Südschwarzwald überbracht. Aus eher nebulösen Anfängen entwickelte sich dann durch die Förderung der Dynastien der Rheinfelder, Zähringer und später der Habsburger eine bedeutende Abtei.
Nebenbei bemerkt: Es waren Mönche aus St. Blasien, die man 1093 zur Gründung eines Klosters in Wiblingen bei Ulm herbeirief. Im selben Jahr wurde zudem Kloster Ochsenhausen als Priorat von St. Blasien geweiht und blieb es bis 1391.
Seine erste Bewährungsprobe musste der neue Abt bestehen, als 1768 ein Großbrand das Kloster zerstörte. Gerbert ging sofort an den Wiederaufbau und tat dies mit solcher Bravour, dass man heute noch staunend vor dem gern als „Escorial des Schwarzwalds“gerühmten Komplex steht. Stets politisch denkend, plante er unter der Kirche eine Gruft für 14 Habsburger-Granden, deren Gebeine er aus Basel und Königsfelden in der Schweiz umbetten ließ. Dass er mit einer „Waisenkasse“die zweitälteste deutsche Sparkasse ins Leben rief, ein Eisenwerk kaufte und zur Förderung der Wirtschaft die Rothaus-Brauerei gründete, deren „Tannenzäpfle“heute bundesweiten Kultstatus hat, gehört zum Gesamtbild dieser erstaunlichen Persönlichkeit dazu.
Aber vor allem war Gerbert ein universell gebildeter, bestens vernetzter Mann der Kirche und der Wissenschaft zugleich, und das wird in dieser hochkarätig bestückten Schau schlüssig herausgearbeitet. Er schrieb etliche theologische Abhandlungen. Gleichzeitig sammelte er als Musikforscher von hohen Graden das einschlägige Schrifttum und publizierte selbst musiktheoretisch. Da auch die Bibliothek 1768 verbrannt war, besorgte der exzellente Handschriftenkenner neue Bücher, etwa aus dem bereits aufgelösten Kloster Reichenau. So finden sich hier bibliophile Raritäten zuhauf, darunter als singuläres Stück das unter einem Bibel-Kommentar von 700 entdeckte, älteste Fragment der „Naturgeschichte“von Plinius d. Ä. aus dem 5. Jahrhundert. Blickfänge sind zudem einige prunkvoll illuminierte mittelalterliche Handschriften für die Liturgie.
Damit nicht genug: Glanzstück der Ausstellung ist das „Adelheidkreuz“aus dem 11. Jahrhundert, das mit 176 Edelsteinen übersäte größte Gemmenkreuz des Mittelalters. Ihm kaum nach stehen ein Buchkastendeckel um 1260, der europaweit zu den besten Werken der gotischen Goldschmiedekunst zählt, sowie ein bestickter Chormantel aus derselben Zeit. Und weil Mönche wie Gerbert durchaus Kunstkenner waren, auch über die sakrale Kunst hinaus, bietet sich hier noch ein feiner Parcours mit Gemälden, Grafiken und Kleinplastik: Arbeiten von Dürer, Baldung Grien, Rembrandt, Goltzius, Wentzinger, eine hinreißende Ölskizze von Rubens, und auch den Wangener Franz Joseph Spiegler, einen der großen Barockmaler aus Oberschwaben, entdeckt man en passant.
Die religiöse Seite kommt nicht zu kurz. Eine Abteilung widmet sich mit erlesenen Exponaten den Ausformungen des mönchischen Gottesdienstes. Eine andere zieht die Linie vom Ordensgründer Benedikt bis zum Selbstverständnis des Klosters im 18. Jahrhundert. Wie benediktinisches Leben nach 1803 weiterging, lässt sich auf einem Monitor nachvollziehen. Da stellt Erzabt Tutilo Burger von Beuron im Film sehr einprägsam sein 1863 neu gegründetes Kloster vor, in dem – wie einst in St. Blasien – Forschung und Musikpflege einen besonders hohen Stellenwert haben.
Als scharfsinniger, mit den aufklärerischen Ideen bestens vertrauter Prälat ahnte Martin Gerbert die Säkularisation voraus. Und die Erfahrungen mit dem Habsburger Reformkaiser Joseph II. bestätigten seine Befürchtungen vom Ende der Klosterherrlichkeit. Die Abtei St. Blasien untergehen zu sehen, blieb dem 1793 Verstorbenen erspart. Sein Vermächtnis aber wirkt nach – und wir dürfen diesen anregenden Kosmos nun auf Zeit erleben.
Die Ausstellung läuft bis zum 19. September und kann nach vorheriger Voranmeldung unter www.freiburg.de/museen oder der Telefonnummer 0761 / 2012531 besucht werden. Der Katalog umfasst 296 Seiten und kostet 24,80 Euro.