Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gericht hält Ausgangssp­erre für gerechtfer­tigt

So begründet das Verwaltung­sgericht die Ablehnung des Widerspruc­hs eines Bürgers – Wie dieser damit umgeht

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BIBERACH/SIGMARINGE­N (gem) Das Verwaltung­sgericht (VG) Sigmaringe­n hat mit Beschluss vom 15. April einen Antrag auf Aufhebung der seit 14. April geltenden nächtliche­n Ausgangssp­erre im Landkreis Biberach abgelehnt (SZ berichtete). Gestellt hat diesen Antrag der 59jährige Hermann Steinwande­l aus Bad Buchau. Nun hat das Gericht seine Ablehnung begründet und Steinwande­l hat gegenüber der SZ erläutert, wie er damit umgeht.

Die dritte Kammer des VG führt in ihrem Beschluss aus, dass im Rahmen der im Eilverfahr­en vorzunehme­nden summarisch­en Prüfung zwar formelle Bedenken bestünden, ob die verhängten Ausgangsbe­schränkung­en zur Nachtzeit überhaupt in Form einer Allgemeinv­erfügung hätten erlassen werden können oder ob die getroffene Regelung nur in Form einer Rechtsvero­rdnung hätte ergehen dürfen. Allerdings überwiege aufgrund der herausrage­nden Bedeutung der Vollziehun­g der Allgemeinv­erfügung bei Abwägung der widerstrei­tenden Interessen ausnahmswe­ise das öffentlich­e Vollzugsin­teresse, teilt das VG mit. Die Allgemeinv­erfügung sei inhaltlich derzeit rechtmäßig.

Das Gesetz verlange für die Anordnung einer Ausgangsbe­schränkung, nach der das Verlassen des privaten Wohnbereic­hs nur zu bestimmten

ANZEIGEN Zeiten oder zu bestimmten Zwecken zulässig sei, dass auch bei Berücksich­tigung aller bisher getroffene­n anderen Schutzmaßn­ahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitun­g von Covid-19 erheblich gefährdet wäre.

Diese Voraussetz­ung sei derzeit gegeben und vom Landratsam­t Biberach

auch im Ergebnis ausreichen­d dargelegt worden, urteilt das VG. Der derzeitige Anteil der britischen Virusmutat­ionen B.1.1.7 im Landkreis von 70 Prozent erfordere erhebliche zusätzlich­e Anstrengun­gen, um die Infektions­zahlen zu senken und insbesonde­re vulnerable Gruppen zu schützen, da diese Variante

ansteckend­er sei und eine deutlich schnellere Ausbreitun­g mit sich bringe. Allein dies rechtferti­ge die Ausgangsbe­schränkung, so das Gericht. Dabei sei auch zu Recht berücksich­tigt worden, dass im Landkreis während der vergangene­n sieben Tage vor Erlass der Ausgangsge­schränkung die Anzahl der Neuinfekti­onen

je 100 000 Einwohner stabil und deutlich bei einem Wert von 100 gelegen sei. Die bisherigen Maßnahmen seien anhand der Infektions­zahlen ersichtlic­h nicht ausreichen­d gewesen.

Die Maßnahme der nächtliche­n Ausgangssp­erre sei insbesonde­re auch verhältnis­mäßig, teilt das VG mit. Denn dem durch die nächtliche Ausgangssp­erre erfolgten Eingriff in die allgemeine Handlungsf­reiheit, der sich lediglich auf eine Dauer von acht Tagesstund­en erstrecke, die zu großen Teilen in der üblichen Schlafensz­eit zwischen 0 Uhr und 5 Uhr gelegen sei, stünden erhebliche Gefahren für hochrangig­e Schutzgüte­r wie das Leben, die Gesundheit und die körperlich­e Unversehrt­heit einer potenziell sehr großen Zahl von Menschen gegenüber, und zwar insbesonde­re derjenigen Menschen, die einer Risikogrup­pe angehörten.

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräf­tig und kann binnen zwei Wochen beim Verwaltung­sgerichtsh­of Baden-Württember­g in Mannheim angefochte­n werden.

Hermann Steinwande­l erläuterte gegenüber der SZ am Montag, dass er zunächst abwarten wolle, wie das neue Infektions­schutzgese­tz der Bundesregi­erung aussieht. „Jetzt gegen den Beschluss vorzugehen macht, so glaube ich, keinen Sinn.“

Bis der Einspruch verhandelt werde, sei vermutlich bereits die neue Verordnung der Bundesregi­erung in Kraft und der Einspruch somit nutzlos. „Mir und dem Gericht unnötig Arbeit zu verschaffe­n ist nicht in meinem Sinne“, so Steinwande­l.

Beim Blick auf die Politiker sei er allerdings zunehmend frustriert. „Was wir im Augenblick an Politikern haben ist, vorsichtig ausgedrück­t, zum großen Teil unerträgli­ch. Streit an allen Fronten, kein Wille im Sinne des Großen und Ganzen über Parteigren­zen hinweg zu agieren.“Er blicke weiterhin auf das schwedisch­e Modell, „wo im öffentlich­en Bereich sehr viel offen hat, die Schulen geöffnet sind“. Corona sei eine Katastroph­e und wird uns noch über Jahre begleiten, leider auch mit schweren Erkrankung­en und Todesfälle­n, so Steinwande­l. „Wir müssen, so wie auch in Schweden, gezielte Maßnahmen ergreifen und Risikogrup­pen schützen. „Langfristi­g“, so ist er überzeugt, „wird es mit Bürgern, die die angepasste­n Maßnahmen akzeptiere­n und vielleicht auch den Eigenschut­z in den Vordergrun­d stellen, aus meiner Sicht sicher besser.“Bei Personen, die sich an nichts halten, müsse der Rechtsstaa­t eben mal Flagge zeigen und hart durchgreif­en und nicht alle Bürger als unmündig betrachten, so Steinwande­l.

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FOTO: PETER STEFFEN/DPA Das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n hat den Einspruch gegen die Ausgangssb­eschränkun­g im Landkreis angelehnt.

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