Schwäbische Zeitung (Ehingen)

0,011 nach vier Monaten Corona-Eishockey

In der DEL muss der Punktequot­ient über die Play-off-Qualifikat­ion entscheide­n – Er tut es gegen Schwenning­en

-

Andreas Jenike ist kein heuriger Hase. 230 Spiele in der Deutschen Eishockey Liga finden sich in den Statistike­n des Torhüters, DEL-Debüt feierte der bald 33-Jährige 2011/12 im Trikot der Nürnberg Ice Tigers. Mitte April 2021 fängt Andreas Jenike für die Iserlohn Roosters Pucks, Mitte April 2021 ist er – nach einer DEL-Hauptrunde unter Corona-Bedingunge­n – um einige prägende Erfahrunge­n reicher. O-Ton Andreas Jenike zu Beginn der vergangene­n Woche: „Die Konstellat­ion ist wirklich eng. Jeder verlorene Punkt kostet unfassbar viel.“

Stimmt. Und ließe sich problemlos zuspitzen: Setze „unfassbar viel“gleich Play-off-Teilnahme, ersetze den einen, als so wertvoll erachteten Punkt, durch den Bruchteil eines Punktes. Durch 0,011 Punkte je Spiel – denn diese Winzigkeit entschied darüber, dass nun die Straubing Tigers den Hauptrunde­nprimus Adler Mannheim herausford­ern, nicht die Schwenning­er Wild Wings.

Dass das so kam, hat viel mit den Iserlohn Roosters zu tun, noch mehr mit dem Reglement, das sich die DEL für ihre 27. Spielzeit gegeben hat – hatte geben müssen –, als die Saison am 17. Dezember 2020 begann. Regionale Gruppen sollten die Anreiseris­iken für die Mannschaft­en reduzieren, das Hygienekon­zept war ausgefeilt (und funktionie­rte), die Kröten in Sachen null Zuschauer und finanziell­e Einbußen wurden letztlich – notgedrung­en – kollektiv geschluckt.

Was aber, wenn Positivtes­ts zu Spielabsag­en führen würden? Was, wenn die Tabelle deshalb in Schieflage geriete? Hier würde die DEL-Spielordnu­ng greifen, eigens coronamodi­fiziert. Hier griff sie, als die Iserlohn Roosters statt aufs Eis in behördlich angeordnet­e Team-Quarantäne mussten kurz vor Ostern. Das Duell bei den Straubing Tigers blieb ungespielt, einen Nachholter­min gab es nicht angesichts der Dichte der Ansetzunge­n. Hauptrunde­nschluss Sonntag, Play-off-Start Dienstag. Da ging nichts.

Für Christian Hommel, den Sportliche­n Leiter der Roosters, war klar: „Es macht auch keinen Sinn, wenn wir irgendwann vier Tage in Folge spielen. Das ist der Gesundheit der Spieler auch nicht zuträglich.“Für die DEL war klar: „Das ursprüngli­ch auf den 5. April 2021 terminiert­e Hauptrunde­nspiel Straubing Tigers gegen Iserlohn Roosters kann im Rahmen der Hauptrunde leider nicht mehr nachgeholt werden. Somit wird das Spiel gemäß Spielordnu­ng § 10a (13 b) nicht gewertet. Die Platzierun­g in der Hauptrunde erfolgt somit gemäß § 10a (2) in beiden Gruppen (Süd und Nord; d. Red.) zunächst nach dem Punkteschn­itt (Quotient aus Punkten gemäß Abs. (1) und Anzahl der gewerteten Spiele) ...“

So würde man die 37 Iserlohner beziehungs­weise Straubinge­r Spiele fair mit den jeweils 38 ihrer Konkurrent­en vergleiche­n können. Alles ganz sauber, alles korrekt. Ärgerlich nur: Die ausgefalle­ne Partie hätte eigentlich stattfinde­n können, denn der Roosters-Corona-Test war wohl ein falsch positiver. Bei allen Tests davor und danach war der betroffene Spieler negativ.

So litt Andreas Jenikes Nervenkost­üm einige Tage über Gebühr, beim letztlich Play-off-bringenden 3:0 seiner Roosters über den ERC Ingolstadt am Sonntag aber hielt er herausrage­nd. Also standen 56 Punkte für Jenike

und Vorderleut­e (aus 37 Begegnunge­n) 55 (aus 38) der Düsseldorf­er EG gegenüber. Da brauchte es keinen Rechenschi­eber, um den vierten, letzten Play-off-Starter des Nordens zu bestimmen. Im Süden aber war das anders: Die Schwenning­er Wild Wings hatten nach ihrem finalen 5:3 über Kölns Haie 54 Zähler gesammelt, die Straubing Tigers kamen nach einem fulminante­n Schlussdri­ttel in Wolfsburg zu einem 4:2-Erfolg und auf 53 Punkte. Bei einem Spiel weniger. Heißt in Eishockey-CoronaPunk­tequotient­en-Sprech: 1,432:1,421 für die Niederbaye­rn. Sie sind dabei, die Wild Wings haben Urlaub.

Was 0,011 in Pfostensch­üssen, in vergebenen Großchance­n, in ungenutzte­n Powerplays ausgedrück­t bedeutet – darüber sollten sie in Schwenning­en lieber nicht allzu intensiv nachdenken. Ein Törchen mehr zum richtigen Zeitpunkt, ein bisschen Scheibengl­ück mehr im passenden Moment ... 0,011 nach vier Monaten Eishockey! Da brauchte es ein gehöriges Quantum Fassung nach der letzten Schlusssir­ene für die Wild Wings 2020/21. „Es ist sehr schade“, gab ihr Trainer Niklas Sundblad tapfer zu Protokoll, „dass wir den Weg nicht ganz zu Ende gehen konnten, um diese starke Saison in den Play-offs fortsetzen zu dürfen.“

Kein Widerspruc­h. Von nirgendwoh­er. Doch das tröstet wenig. (sz)

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? 1,421:1,432 – den Wild Wings um Trainer Niklas Sundblad fehlte nicht wirklich viel.
FOTO: IMAGO IMAGES 1,421:1,432 – den Wild Wings um Trainer Niklas Sundblad fehlte nicht wirklich viel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany