Hähnchen-Verkauf scheitert an Notbremse
Musikverein Ersingen beklagt ungleiches Vorgehen der Kommunen
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ERSINGEN - Mit einem Hähnchenverkauf am 1. Mai wollte der Musikverein Ersingen die finanziellen Folgen des erneuten coronabedingten Ausfalls seines traditionellen Maifests abfedern. Doch diesem Vorhaben hat die Stadt Erbach einen Riegel vorgeschoben. Beim Verein stößt das nur bedingt auf Verständnis.
Ein halbes Hähnchen mit Wecken 7 Euro, inklusive Lieferung im Umkreis von fünf Kilometern und im Stadtgebiet Erbach – das war der Plan, der den Ersinger Musikern in diesen für alle Vereine schweren Zeiten wenigstens eine kleine Einnahme hätte bescheren sollen. Die Werbung über die Social-Media-Kanäle lief auf vollen Touren, erste Bestellungen waren bereits eingegangen - bis den Verein am vergangenen Donnerstag eine Mail der Stadt Erbach erreichte: Das „Maifest to go“dürfe nicht stattfinden. Auch die in den Stadtnachrichten gebuchte Anzeige wurde von der Kommune gestrichen, berichtet der Vereinsvorsitzende Mark Lintl. Tags darauf habe die Stadt ihre Absage dahingehend revidiert, dass der Göckeles-Verkauf unter Einhaltung der gültigen Corona-Schutzverordnung möglich sei.
Im Klartext bedeutete dies: Wegen der neuen „Notbremsen“-Kontaktbeschränkungen hätten nur die über 14jährigen Mitglieder eines Haushalts mit maximal einem weiteren Mitglied aus einem zweiten Haushalt die Hähnchen zubereiten dürfen. „Das ist für uns nicht machbar“, sagt Lintl. „Wir wollten das Ganze auf einem privaten Grundstück – teils im Freien, teils im Haus – machen und hätten dafür fünf bis sieben Leute gebraucht. Die Übergabe der Ware an unseren Lieferdienst wäre kontaktlos in Wärmeboxen erfolgt. Natürlich hätten alle Masken getragen und wir hätten auch alle sonstigen nötigen Hygienemaßnahmen umgesetzt“, sagt der Vorsitzende. Und: „Die Schlossapotheke hätte alle Beteiligten im Vorfeld auf Corona getestet.“
Doch auch damit ließ sich die Stadt Erbach nicht erweichen. Ordnungsamtsleiterin Sara Siebler verweist auf das allgemeine Präsenzveranstaltungsverbot für Vereine und den Paragraphen 9 der Corona-Landesverordnung in Verbindung mit der verschärften Notbremsen-Regel (siehe Kasten). „Wir hätten die Veranstaltung des Vereins als vertretbar angesehen, wenn die geltenden Kontaktbeschränkungen
eingehalten worden wären“, so Siebler. Ausnahmen gebe es nur für Gastronomiebetriebe (siehe auch Stellungnahme des Landratsamts), auch eine Lockerung auf Grund von Coronatests gebe die Verordnung nicht her. „Wir können uns nicht über geltendes Recht hinwegsetzen“, sagt sie. Im Übrigen habe man auch die Meinung des badenwürttembergischen Gemeindetags eingeholt und die entsprechende Empfehlung erhalten.
Mark Lintl kann die Sichtweise zwar nachvollziehen („Ich möchte der Stadt Erbach ja auch nichts Böses“), dennoch fühle sich der Verein ungerecht behandelt, weil sowohl im Gebiet der Stadt Erbach als auch im Umkreis vergleichbare Veranstaltungen trotz jeweils geltender Kontaktbeschränkungen stattgefunden hätten oder geplant seien – und offenbar niemand etwas dagegen einzuwenden habe. Der Vorsitzende sandte der SZ einige Beispiele von Einladungen, die wir an dieser Stelle aber nicht wiedergeben, weil es nicht die Absicht dieses Berichts ist, anderen Vereinen zu schaden. „Das wollen wir auch nicht“, betont Lintl. Aber er frage sich schon, ob in den jeweiligen Gemeinden unterschiedliche Maßstäbe angewandt werden. Auch in vielen Betrieben und Gaststätten mit Abhol- und Lieferservice begegnen sich seiner Meinung nach deutlich mehr Menschen als bei einem einmaligen To-Go-Angebot eines Vereins. Dem Vorwurf, manche Vereine würden sich über die Vorschriften offensichtlich hinwegsetzen, entgegnet Sara Siebler: Vereinsveranstaltungen im Gebiet der Stadt Erbach, bei der die Corona-Verordnung missachtet werde, seien schlicht nicht genehmigt. Für die anderen Kommunen könne sie nicht sprechen.
Nach dem Motto „Wo kein Kläger, da auch kein Richter“verfahren will man beim Musikverein Ersingen nicht, betont Mark Lintl: „Das Risiko und die Verantwortung sind mir zu groß.“So habe man sich schweren Herzens für die Absage des „Maifests to go“entschieden, was einen herben Rückschlag in den Bemühungen bedeute, die Corona-Krise finanziell zu meistern. Das Vereinsleben liege seit über einem Jahr quasi auf Eis, dennoch habe man laufende Kosten – vor allem fürs Vereinsheim – zu stemmen. Ob das lange Ruhen aller musikalischen Aktivitäten, insbesondere der Jugendausbildung, gar die Zukunft des Vereins gefährdet, lasse sich aktuell nicht sagen, aber auch nicht ausschließen, erklärt Mark Lintl.
„Uns ist die finanzielle Lage unserer Vereine durchaus bewusst“, beteuert Sara Siebler. Deshalb habe man die Problematik der To-Go-Veranstaltungen, die sich in den bevorstehenden Sommermonaten wohl noch verschärfen werde, auch dem badenwürttembergischen Gemeindetag geschildert mit der Bitte, es an die entsprechende Stelle im Land weiterzugeben.