Trotz Veranstalter-Kritik: Naidoo soll singen
„Lehnen seine Ansichten ab“: Veranstalter von Klosterhof-Kozerten sieht sich in Bredouille
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ULM - Es ist kein leichter Weg, den der Konzertveranstalter Provinztour (Neuenstadt) in den vergangenen Monaten zurückgelegt hat. Und damit ist nicht Corona gemeint – die Krise, die die Konzertbranche derzeit bis ins Mark erschüttert. Zu allem Überfluss muss sich die Agentur aus der Nähe von Heilbronn seit Monaten mit einem ihrer Zugpferde herum ärgern.
Xavier Naidoo verharmlost die Corona-Pandemie und noch immer sterben viele Menschen an der Viruserkrankung. Trotzdem soll er im Wiblinger Klosterhof auftreten. Alles andere würde ihn als Veranstalter, sagt Provinztour, in die Bredouille bringen. Naidoos Auftritt wurde nun jedoch zum zweiten Mal verschoben, wie der Veranstalter am Dienstag mitteilte.
Eigentlich sollte der begnadete Sänger aus Mannheim schon im vergangenen Sommer in Ulm-Wiblingen auf der Open-Air-Bühne stehen, was Corona dann zunichte machte. Der Ausweichtermin am 5. Juni in diesem Jahr sei nun aber ebenfalls nicht mehr zu halten. Die „Pandemiesituation“sei weiterhin angespannt, es deshalb unwahrscheinlich, dass im Sommer wieder Großveranstaltungen mit mehreren Tausend Zuschauern stattfinden könnten. Neuer Termin, Termin Nummer drei: der 18. Juni 2022.
Schon im vergangenen Jahr hatte die Ankündigung, dass Naidoo im Klosterhof singen soll – der Veranstaltungsort gehört dem Land BadenWürttemberg – Protest ausgelöst. Ulms Landtagsabgeordneter und Kulturfachmann Martin Rivoir (SPD) forderte die Absage, das Land sah allerdings keine Chance, aus den Verträgen auszusteigen. Auch Verweise auf Naidoos Nähe zur „Reichsbürger“-Szene halfen da nicht.
Vom deutschlandweiten SoulLiebling, der mit den Nationalspielern auf der Fanmeile singt, ist nicht mehr viel geblieben. Der Absturz Naidoos, heraus aus dem Mainstream direkt an den rechten Rand, ist bemerkenswert, allerdings kein Einzelfall. Auch Schlagersänger Michael Wendler hat sich mit verschwurbelten Aussagen ins Abseits katapultiert. Der Wendler allerdings muss die Zeche zahlen. Sein Manager schmiss hin, die Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“schnitt ihn aus der Sendung.
Der Wendler ist abgemeldet. Warum aber darf Naidoo trotzdem weiter vor großem Publikum auftreten?
Dass seine Haltung und Ansichten sich mehr als beißen mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Deutschlands, hat Naidoo schon zur Genüge bewiesen. Es gibt ein Video, in dem er den angeblichen Tod von Kindern beweint, die angeblich Opfer wurden von mächtigen Verschwörern. Q-Anon lässt grüßen. Dass dieser Verschwörungskult gefährlich ist, bewies zuletzt ein Mob, der im Januar das Capitol in den USA stürmte. Viele Teilnehmer der Ausschreitung glaubten an das, was die Q-Anon-Lehre vorgibt. Böse Eliten, gegen die man sich zu Wehr setzen müsse.
Naidoo hat mittlerweile einiges auf dem Kerbholz. Kritiker werfen ihm Hetze gegen Minderheiten und Judenfeindlichkeit vor, auch in seinen Songs sollen Bezüge stecken. Dann seine Nähe zur „Reichsbürger“-Bewegung, die als verfassungsfeindlich eingestuft wird. Zudem behauptet er, dass von Corona keine Gefahr ausgeht. Und was der Wendler schaffte, war auch Naidoo gelungen. Auch er flog aus der DSDS-Jury.
Dass er aber weiter für einen Auftritt in Wiblingen eingeplant ist, begründet Veranstalter Provinztour mit den bestehenden Verträgen. Der „Schwäbischen Zeitung“sagt ein Sprecher: Würden sie den Vertrag einseitig kündigen, hätte dies schwerwiegende finanzielle Folgen für Provinztour. So schwere möglicherweise, dass sich der Veranstalter davon nicht mehr so schnell erholen würde.
Im Gegenzug sagt Provinztour allerdings auch: „Wir lehnen seine Ansichten ab.“Man stehe für Weltoffenheit, Vielfalt und Toleranz und verurteile die rechtslastigen und coronaverharmlosenden Einlassungen des Sängers. Man hoffe trotzdem, dass das Konzert im Sommer 2022 „friedlich und erfolgreich“über die Bühne gehe.