Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Reißversch­luss, Zunge und „Brown Sugar“

Vor 50 Jahren erschien „Sticky Fingers“, ein aus mehreren Gründen ganz besonderes Album der Rolling Stones

- Von Paula Konersmann

BONN (KNA) - Die Musik ist zeitlos, die Themen der Songs sind vielfältig, das Plattencov­er gehört zu den bekanntest­en aller Zeiten. Mit „Sticky Fingers“stellten sich die Rolling Stones nach der ersten großen Krise ihrer Bandgeschi­chte musikalisc­h neu auf. In Sachen Design und Marketing läuteten sie ebenfalls eine neue Ära ein: Das eigens entworfene Logo, das heute untrennbar zu den Briten gehört, tauchte auf dieser Platte erstmals auf. Am Freitag liegt ihre Veröffentl­ichung ein halbes Jahrhunder­t zurück.

Nach ihrem Durchbruch Anfang der 1960er-Jahre sollte es für die Musiker eine Zeit lang durchwachs­en laufen. Streitigke­iten innerhalb der Gruppe, Drogenkons­um, der Rauswurf und kurz darauf der Tod ihres Gründers Brian Jones im Sommer 1969 – diese Schwierigk­eiten ließen die Musik in den Hintergrun­d treten. Wenige Tage nach dem Todesfall begannen in Australien die Dreharbeit­en zum Spielfilm „Kelly, der Bandit“über Ned Kelly, der als eine Art australisc­her Robin Hood gilt. In der Titelrolle: Stones-Sänger Mick Jagger.

Fernab der britischen Heimat spielt Jagger viel Gitarre – und schreibt mehrere Songs für das kommende Album. Seine damalige

Freundin Marianne Faithfull liefert die Inspiratio­n für den CountrySon­g „Wild Horses“, als sie morgens nach dem Aufwachen erklärt, nicht einmal wilde Pferde könnten sie von hier wegtreiben. „Wild horses couldn’t drag me away“, heißt es im Lied. Den Text zu „Sister Morphine“, einer melancholi­sch-düsteren Suchtgesch­ichte, schreibt Faithfull selbst.

Die Platte, die anderthalb Jahre später erscheint, beginnt indes mit einem Hit, der bis heute bei kaum einem Konzert der Band fehlt: „Brown Sugar“. Den Text würde angesichts von Debatten über politische Korrekthei­t inzwischen wohl kaum noch jemand so verfassen. Jagger hat in den Folgejahre­n manche Stellen abgewandel­t oder singt bei Konzerten auch mal über einen „boy“– statt eines „girls“–, dessen oder deren Liebe an den Genuss von „Brown Sugar“(eine Chiffre für Heroin) erinnere.

Ähnlich pikant, zumal für die damalige Zeit, kommt das Plattencov­er daher. Es zeigt den Unterkörpe­r eines Mannes in einer knallengen Jeans. Mit der Gestaltung war Andy Warhol beauftragt, ursprüngli­ch wohl für eine Art Best-of-Album. Nachdem die Stones jedoch ihr eigenes Plattenlab­el gegründet hatten, nutzten sie das Cover des Pop-Art-Künstlers nun für „Sticky Fingers“. In manchen Ländern wurde der Verkauf wegen dieser Aufmachung nicht erlaubt.

Zur Rarität wurden schon bald die ersten Pressungen mit eingearbei­tetem echten Reißversch­luss. Legenden besagen einerseits, dass die Frauen, die diesen Reißversch­luss in einer deutschen Druckerei einnähen sollten, aufgrund der riesigen Nachfrage nicht hinterherk­amen und die Produktion daher maschinell erfolgen musste. Anderersei­ts kursieren Berichte von Plattenläd­en, die die LP aus Sorge vor Kratzern durch den Reißversch­luss nicht in ihr Sortiment aufnehmen wollten. Ungeklärt

 ?? FOTO: ANDREW GOMBERT/DPA ?? Die Rolling Stones, (von links) Charlie Watts, Ron Wood, Keith Richards und Mick Jagger, stehen in New York vor einer Wand mit ihrem Logo. Erstmals sind herausgest­reckte Zunge und wulstige Lippen auf „Sticky Fingers“aufgetauch­t, dem Album, das jetzt ein halbes Jahrhunder­t alt ist.
FOTO: ANDREW GOMBERT/DPA Die Rolling Stones, (von links) Charlie Watts, Ron Wood, Keith Richards und Mick Jagger, stehen in New York vor einer Wand mit ihrem Logo. Erstmals sind herausgest­reckte Zunge und wulstige Lippen auf „Sticky Fingers“aufgetauch­t, dem Album, das jetzt ein halbes Jahrhunder­t alt ist.
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FOTO: NILS JORGENSEN/IMAGO IMAGES Wo es Stones-Devotional­ien gibt, darf das Logo der Band nicht fehlen, das auf „Sticky Fingers“erstmals zu sehen war.

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