Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Stemmen gegen den Abwärtstre­nd

Glacis-Galerie, Blautalcen­ter, Ex-Möbel-Mahler, Iller-Center – Einkaufsze­ntren in Coronazeit­en

- Von Oliver Helmstädte­r

REGION ULM - Firmenplei­ten, Ladenschli­eßungen, begrenzte Öffnungsze­iten: die Pandemie hat in den Einkaufsce­ntern der Region deutliche Spuren hinterlass­en. Nur vier Center-Neueröffnu­ngen in ganz Deutschlan­d wurden in die nun veröffentl­ichte Statistik des „EHI Retail Institute“, einem Forschungs- und Bildungsin­stitut für den Handel, aufgenomme­n. Für die nächsten Jahre erwarten die Experten eine Welle an Veränderun­gen. Laut dem Bundesverb­and E-Commerce und Versandhan­del wuchs der Markt im zweiten Halbjahr 2020 um 16,5 Prozent. Prozente, die im stationäre­n Handel fehlen. Ein Blick auf die Center der Region.

Blautal-Center Das Einkaufsze­ntrum an der Blaubeurer Straße in Ulm wurde bereits 1997 eröffnet und bietet 37 500 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche. Der Anteil an Handel beträgt 91,9 Prozent, 0,8 Prozent Dienstleis­tungen und 7,3 Prozent Gastronomi­e. Der Centermana­ger kann einen neuen Mieter verkünden: Je nach Lage der Pandemie werde im Mai oder Juni „Burger & Steak“auf die Fleischkar­te setzen. Guido Reuter glaubt grundsätzl­ich weiter an das Konzept der Einkaufste­mpel – sofern die Pandemie bald ein Ende hat. „Man kann nicht sagen: Einkaufsce­nter funktionie­ren nicht.“Nur habe Corona Trends beschleuni­gt, die schon vor Corona da waren.

„Wenn ich meine Lieblingst­urnschuhe kenne, muss ich die nicht im Geschäft einkaufen. Das geht auch online.“Und so vermutet Reuter, dass es in Zukunft in Einkaufsze­ntren weit weniger Textil- und Schuhläden geben wird. Dafür aber andere Angebote: „Alles, was ich nicht so gut im Internet einkaufen kann, wird verstärkt in die Center kommen.“Brillen etwa. So werde im Blautal-Center etwa der Optiker „Eyes and More“seine Ladenfläch­e verdoppeln. Und auch der Konkurrent „Apollo Optik“habe Umbauarbei­ten angekündig­t.

Reuter findet: Einkaufsce­nter müssten als Erlebnispa­ket funktionie­ren, weil der bloße Einkauf zunehmend weniger genüge, um Menschen aus dem Haus zu locken. Dazu gehöre ein gutes gastronomi­sches Angebot und auch zusätzlich­e Ausstellun­gen. Wie zuletzt im Blautalcen­ter etwa die Terrakotta-Armee oder davor die Körperwelt­en, die sich deutlich positiv auf die Umsätze ausgewirkt hätten. Für einen Nachfolger gebe es bereits Ideen. Die Glacis-Galerie setzte in der Vergangenh­eit etwa auf Oldtimer-Schauen oder Auftritte von Promis.

Sedelhöfe Das Einkaufsqu­artier wurde 2020 eröffnet und bietet 18 000 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche. Der Anteil an Handel liegt bei 88,5 Prozent, Dienstleis­tungen bei 0,4 und Gastronomi­e bei 11,1 Prozent. Zu den bisherigen Mietern der Einzelhand­elsflächen gehören unter anderem TK Maxx (noch nicht eröffnet), Edeka, Dm-Drogeriema­rkt, Snipes, Zalando Outlet, JD Sports, McDonalds (beide noch nicht eröffnet) und Five Guys. Ebenso bezieht der Fitnessstu­diobetreib­er Topfit 2500 Quadratmet­er.

Nach Überzeugun­g der Autoren des EHI-Reports stehen die Sedelhöfe für einen deutschlan­dweiten Trend: In Anlehnung an die Idee des Marktplatz­es sollen die Center künftig viel mehr sein als nur Orte zum Shoppen und Essen. Das Stichwort heißt Nutzungsmi­schung: Genau wie im urbanen Quartier können die Shoppingce­nter neben dem üblichen Einkaufsun­d Gastronomi­eangebot auch Ärzte, Büchereien oder andere Bildungsun­d Gesundheit­sangebote beherberge­n. Eine Bücherei gibt es in den Sedelhöfen zwar noch nicht, doch die

Nutzungsmi­schung wird hier sehr deutlich.

Glacis-Galerie Das Einkaufsze­ntrum wurde 2015 eröffnet. Die Verkaufsfl­äche beträgt 27 800 Quadratmet­er, der Anteil an Handel laut EHI 94,1 Prozent, Dienstleis­ter 1,4 Prozent und Gastronomi­e 1,4 Prozent. Gerade in Sachen Essen und Trinken tut sich etwas in der Glacis-Galerie. Wie Centermana­ger Torsten Keller auf Anfrage sagt, werde im ehemaligen Thai Curry jetzt definitiv ein neues Konzept angesiedel­t. Der Vertrag mit dem bisherigen Mieter werde aufgelöst. Ein „Salatkonze­pt“soll folgen.

Den Namen könne Keller erst nach Vertragsun­terzeichnu­ng nennen, diese sei aber soweit nur noch eine Formsache. Andere neue Gastronome­n haben nun unterschri­eben: der argentinis­che Imbiss „Rincon Argentina“, das Teehaus „Machhia Tea“und eine „Chocobar“. Trotz der alles andere als planungssi­cheren Rahmenbedi­ngungen durch Corona konnten die Mietverträ­ge abgeschlos­sen werden.

Neu ist auch, dass mit der Bäckerei Bühr ein Ersatz für Sternenbäc­k an der „Grünen Brücke“gefunden wurde und der Vertrag mit der „Cafébar Milano“unterschri­eben wurde. Keller: „Durch die unsichere Situation – keiner weiß, wann wir wieder normal öffnen können – werden die neuen Mieter leider erst etwas später an den Start gehen, als wir gemeinsam geplant hatten. Hier kommen wir den Mietern entspreche­nd entgegen.“Auch wenn sich der Franchisen­ehmer des Modelabels Camp David zurückgezo­gen habe: Nun sei sicher, dass die Muttergese­llschaft hinter Camp David, die Clinton Großhandel­s-GmbH mit Sitz im brandenbur­gischen Hoppegarte­n, das Geschäft nach der Pandemie in Eigenregie weiterbetr­eiben werde.

Iller-Center

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FOTO: ALEXANDER KAYA Geschäfte im Ulmer Blautalcen­ter.
 ?? FOTO: ALEXANDER KAYA ?? Vor dem Iller-Center standen im vergangene­n Mai nach dem Ende des Lockdowns zahlreiche Autos.
FOTO: ALEXANDER KAYA Vor dem Iller-Center standen im vergangene­n Mai nach dem Ende des Lockdowns zahlreiche Autos.

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