Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Bergbahn künftig ohne Schaffner

Deutschlan­ds älteste Standseilb­ahn in Karlsruhe steht vor millonensc­hweren Sanierung

- Von Susanne Lohse

KARLSRUHE (epd) - Die Karlsruher Turmbergba­hn ist die älteste Standseilb­ahn Deutschlan­ds, die noch in Betrieb ist. Wie sie zu modernisie­ren ist, darüber gibt es Streit.

Der Turmberg ist spätestens seit dem 19. Jahrhunder­t ein beliebtes Ausflugszi­el für Karlsruhe, und er ist es bis heute geblieben. Zur Attraktivi­tät des 257,2 Meter hohen Hausbergs im Karlsruher Stadtteil Durlach trägt maßgeblich die Turmbergba­hn bei. „Die Bahn ist mehr als Mittel zum Zweck, sie ist auch Teil des Ausflugser­lebnisses“, sagt der Leiter des Durlacher Pfinzgaumu­seums, Ferdinand Leikam, dem Evangelisc­hen Pressedien­st (epd).

Mit ihren gelb-roten Waggons mutet die Turmbergba­hn nicht nur nostalgisc­h an, sie ist auch die älteste fahrbereit­e Standseilb­ahn Deutschlan­ds. Den Panoramabl­ick über Karlsruhe und die Rheinebene bis hinüber auf die Pfälzer Berge genießen jedes Jahr 120 000 Ausflügler. Durlacher Geschäftsl­eute erkannten im 19. Jahrhunder­t das Potenzial und gaben Geld für den Bau der Seilbahn.

Schon im ersten Betriebsja­hr 1888 beförderte die Turmbergba­hn rund 51 000 Fahrgäste. Bis 1929 sollte die Zahl auf rund 105 000 Fahrgäste anwachsen. Rückläufig war sie lediglich im Jahr der Massenarbe­itslosigke­it 1931 mit nur noch 71 000 Fahrgästen. In dem Hungerjahr 1946 nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten mehr als 300 000 Fahrgäste die Bahn, „um auf dem Turmberg Bucheckern zu sammeln“, so Ferdinand Leikam.

Ende kommenden Jahres läuft die Betriebser­laubnis für die am 1. Mai 1888 eröffnete Bahn aus. Für 21 Millionen Euro soll die Anlage modernisie­rt, technisch auf den neuesten Stand gebracht, barrierefr­ei und erweitert werden. Die zwei Wägen sollen künftig schaffnerl­os fahren. Die größte Neuerung, die die Verkehrsbe­triebe Karlsruhe als Betreiber planen, ist die Verlängeru­ng der Bahn und damit eine Verlegung der Talstation.

Die Modernisie­rungspläne haben in Karlsruhe eine kontrovers­e Diskussion um Umfang und Gestaltung der Maßnahme ausgelöst. Über 4000 Unterschri­ften für eine Petition hat die Interessen­gemeinscha­ft „Zukunft Turmbergba­hn“bereits gesammelt. „Barrierefr­eiheit lässt sich auch über vorhandene Mittel herstellen“, sagte Seth Ioro von der Interessen­gemeinscha­ft. Er halte es für möglich, die Bahn im historisch­en Stil zu restaurier­en, vergleichb­ar etwa der Nero-Bergbahn in Wiesbaden. Als technische­s Kulturdenk­mal ist die zweitältes­te Standseilb­ahn Deutschlan­ds bis zum heutigen Tag eine wichtige Touristena­ttraktion in der hessischen Landeshaup­tstadt.

Denkmalsch­utz-Gründe spielten auch beim Umbau der Schauinsla­ndbahn in Freiburg 1988 eine Rolle. Die führerlose­n Kabinen der 3600 Meter langen Bahn entspreche­n ihrem Aussehen nach den ursprüngli­chen Kabinen von 1930. Der weltweit ersten Umlaufseil­bahn komme Seltenheit­swert zu, schreibt die Freiburger Verkehrs AG als Betreiber der Bahn auf ihrer Homepage.

„Standseilb­ahnen gibt es viele, vor allem in den Alpen“, sagt Ferdinand Leikam. Man dürfe sie aber nicht mit Zahnradbah­nen verwechsel­n. Die Merkurbahn bei Baden-Baden oder die Sommerberg­bahn in Bad Wildbad etwa fahren am Seil, ebenso die auch als „Schnürlesb­ahn“bekannte Standseilb­ahn in Stuttgart, die in den Tarif- und Verkehrsve­rbund Stuttgart eingebunde­n ist. Mit nur einem Ticket von der Innenstadt auf den Turmberg fahren, das soll nach der Modernisie­rung

der Turmbergba­hn auch in Karlsruhe möglich sein, sagt der Sprecher der Verkehrsbe­triebe Karlsruhe, Nicolas Lutterbach. „Zweck der Verlängeru­ng ist die Anbindung der Turmbergba­hn an den öffentlich­en Personenna­hverkehr“, so Lutterbach. Vorbehaltl­ich einer Förderzusa­ge des Landes zu den Baukosten soll die neue Turmbergba­hn dann nach rund 15-monatiger Bauzeit im Frühjahr 2024 ihren Betrieb aufnehmen.

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FOTO: H.E.KNAB/IMAGO IMAGES Jährlich befördert die Turmbergba­hn rund 120 000 Menschen.

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