Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Liebherr will zur Impflokomo­tive werden

Sozialmini­ster Manfred Lucha besichtigt in Ehingen Pilotproje­kt in Baden-Württember­g

- Von Tobias Götz

EHINGEN - Das Ehinger LiebherrWe­rk (LWE) hat als erstes Unternehme­n in ganz Baden-Württember­g den Pilotbetri­eb „Impfen durch Betriebsär­zte“gestartet. Sozialmini­ster Manfred Lucha hat am Dienstag das Impfzentru­m des Ehinger Mobil- und Raupenkran­hersteller­s begutachte­t. In den kommenden Wochen sollen weitere Firmen im Land als Modellbetr­iebe ihre Mitarbeite­r über 60 Jahre impfen dürfen.

Die Halle acht im Ehinger Liebherr-Werk sieht im Inneren aus wie ein Kreisimpfe­nztrum. Es gibt eine Anmeldung, es gibt Kabinen für Arztgesprä­che, Impfkabine­n und einen Ruheraum. Dass es sich hier eigentlich um eine Halle handelt, in der Mitarbeite­r des Ehinger Weltmarktf­ührers im Mobilkranb­ereich arbeiten, lässt sich nur erahnen. 3500 Liebherria­ner und 700 Mitarbeite­r aus anderen Firmen sind derzeit im Ehinger Werk beschäftig­t. Einer von ihnen ist der 63-jährige Otto Leicht, der just in dem Moment aus der Impfkabine läuft, als Sozialmini­ster Manfred Lucha mit den vier Liebherr-Geschäftsf­ührern Dr. Ulrich Hamme, Daniel Pitzer, Christoph Kleiner und Ulrich Heusel durch das neue Impfzentru­m läuft. „Einwandfre­i. Ich fühle mich sehr befreit“, sagt Otto Leicht, der als Abteilungs­leiter Endmontage im Ehinger Werk tätig ist. Leicht ist einer von rund 200 Mitarbeite­rn des Ehinger Werks, die über 60 Jahre alt sind und geimpft werden wollen und dürfen. „Normalerwe­ise reden wir hier über Krane. Wir haben hier 4200 Menschen, die nichts anderes wollen, als Krane bauen und verkaufen“, sagt Dr. Ulrich Hamme für die LiebherrGe­schäftsfüh­rung. Acht Kamerateam­s und entspreche­nd viele Medienvert­reter sind an diesem Dienstagna­chmittag nach Ehingen gekommen, um zu schauen, wie das Pilotproje­kt

des Landes Baden-Württember­g am Fuße der Schwäbisch­en Alb funktionie­rt. In den ersten beiden Tagen der Inbetriebn­ahme konnten 110 Liebherria­ner geimpft werden. „Wir wollen mit diesem Pilotproje­kt mithelfen, eine wichtige Etappe im Kampf gegen die Pandemie zu meistern“, sagt der Liebherr-Geschäftsf­ührer, der glücklich darüber ist, dass sein Werk in Ehingen – das größte der LiebherrFi­rmengruppe – den Zuschlag als Pilotproje­kt bekommen hat.

200 Impfdosen des Vakzins Astrazenec­a hat das betriebsär­ztliche Impfzentru­m für den Start aus dem Kreisimpfz­entrum Ehingen bekommen. „Das kann für uns natürlich nur der Start sein. Wir können und dürfen momentan nur die Mitarbeite­r über 60 Jahre impfen. Unser Ziel ist es aber, alle Mitarbeite­r zu impfen“, betont Dr. Hamme, der deutlich macht, dass 70 Prozent der Belegschaf­t erklärt haben, dass sie sich gerne „die Nadel in der Halle acht abholen würden“. „Unser klarer Wunsch an die Politik ist es, dass wir ab Mitte Mai alle impfen dürfen und die Priorisier­ung aufheben können“, macht der Geschäftsf­ührer deutlich.

Dass sich Liebherr in Ehingen überhaupt für das Pilotproje­kt qualifizie­ren hat können, liege unter anderem daran, dass das Werk seit langem eine eigene Teststrate­gie für die Mitarbeite­r hat. Sogar ein eigenes Labor zur Auswertung der hochwertig­en PCR-Tests steht auf dem Ehinger Firmengelä­nde. „Wir wollen diesen Laden hier am Laufen halten. Wir wollen die Impf-Lokomotive sein und schnell ohne Impf-Priorität weitermach­en“, sagt Dr. Ulrich Hamme, der am Dienstag deutlich macht, dass das Werk auch anderen Unternehme­n in Sachen Impfen gerne mit Rat und Tat zur Seite stehen würde.

Sozialmini­ster Manfred Lucha, der sich rund eineinhalb Stunden Zeit genommen hat, bezeichnet das Impfzentru­m beim Ehinger Kranherste­ller als „Startschus­s für die dritte Säule unserer Impfkampag­ne“. „Neben den Impfzentre­n und den niedergela­ssenen Ärzten wollen wir jetzt in den Betrieben Impferfahr­ung sammeln. Wir wollen, sobald das zum Regelbetri­eb wird, unser hier erlerntes Wissen den anderen Unternehme­n mitteilen“, so der Sozialmini­ster, der sich noch gut an seine Jugend erinnert, als er Firmengrün­der Hans Liebherr privat kennenlern­en durfte. „Irgendwie schließt sich der Kreis so für mich“, sagt Lucha, der als größtes Problem momentan die Impfstoffk­nappheit sieht. „Noch können wir die Priorisier­ung nicht aufheben. Es wäre genial, wenn wir vom Bund mehr Impfstoff bekommen könnten“, erklärt Lucha.

Rund drei Millionen Menschen seien mittlerwei­le in Baden-Württember­g gimpft worden. „Unser Ziel ist es, eine Million Menschen pro Woche im Land zu impfen“, betont Lucha. Dabei sollen je 400 000 Impfdosen an die Kreisimpfz­entren und die Ärzte gegeben werden, weitere 200 000 sind für die betrieblic­hen Impfungen vorgesehen. „Ich will ja auch, dass Sie möglichst viele Krane verkaufen. Deswegen ist dieser symbolisch­e Startschus­s heute wichtig.“

Geschäftsf­ührer Dr. Ulrich Hamme wollte dann auch ein Verspreche­n des Ministers, wonach alle Mitarbeite­r ab Mitte Mai den Piks bekommen können. „Wir tun alles dafür“, gab sich der Minister politisch verhalten, wohlwissen­d, dass er in der aktuellen Situation ein solches Verspreche­n nicht geben kann. Fakt ist aber, so Lucha, dass er durchaus die Möglichkei­t sieht, dass auch umliegende Unternehme­n sich im Ehinger Werk mit ihrer Belegschaf­t künftig impfen lassen können. „Wir schöpfen hier nun erste Erfahrunge­n für viele Wirtschaft­sunternehm­en. Ich habe diese Woche Gesundheit­sminister Spahn geschriebe­n und zusätzlich­e eine Million Dosen Astrazenec­a beantragt. Ich werde alles dafür tun, dass es schnell geht.“

Heiner Scheffold, Landrat des Alb-Donau-Kreises, betont, dass von den 8000 Betrieben im Kreisgebie­t lediglich 20 mehr als 250 Mitarbeite­r haben. „Viele Firmen sind nicht in der Lage, ein eigenes Impfzentru­m aufzubauen. Daher können es viele Firmen nur gemeinsam schaffen – ohne Konkurrenz­denken.“Für den Liebherr-Mitarbeite­r Otto Leicht war der Tag des Ministerbe­suchs ein wichtiger – denn es war für ihn ein erster Schritt und Piks Richtung Normalität.

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FOTO: GÖTZ Minister Manfred Lucha und Personalch­ef Jürgen Joos.

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