Digitale Erinnerung an reges Kulturleben
Literaturnetzwerk Oberschwaben schaut auf Veranstaltungen zurück
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REGION - Nach Ausbruch der Corona-Pandemie wurde das kulturelle Leben auch in Oberschwaben ausgebremst. Viele Veranstaltungen mussten im vergangenen Jahr abgesagt werden. Dennoch gab es einige Ausnahmen. „Umsonst und draußen“hatte das Literaturnetzwerk Oberschwaben Events im Freien überschrieben, wozu es einlud. Ein Magazin weckt Erinnerungen daran, aber auch an Projekte, die vor Corona zu anregenden Gemeinschaftserlebnissen wurden. Ursprünglich sollte es gedruckt werden, doch weil auch die Verteilung in Corona-Zeiten schwierig ist, muss sich ins Internet begeben, wer darin blättern will.
In der Einleitung des Magazins wird auf die „Lernende Kulturregion Schwäbische Alb“eingegangen, ihre Entstehung und Förderer. Betont wird: „Das Literaturnetzwerk Oberschwaben (LiO) ist ein zukunftsweisendes Musterbeispiel für die Bedeutung der Literatur im ländlichen Raum – und umgekehrt: Denn gerade die Literatur hat nicht nur in kulturellen Zentren ihren Platz, sondern kommt oft vom Rande (und vom Lande) her und sollte da auch greifbar und kulturstiftend bleiben.“Betont wird die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Literaturarchiv Marbach,
der Arbeitsstelle für literarische Museen, Archive und Gedenkstätten. Nicht zuletzt wird auf die Modellregion und den Kulturspielplatz von Leader Oberschwaben hingewiesen.
Das Titelfoto vom „Waldgang auf Jüngers Spuren“führt hinein in die Aktivitäten und hinaus ins Freie. Der Jahrhundert-Autor wurde zudem Kindern nahegebracht und zwar auch als leidenschaftlicher Insektensammler. Das Ergebnis der „Käfertage im Malgarten“unter der Leitung der Filmemacherin Monika Nuber kann nicht nur nachgelesen werden. Ein Video gib Zeugnis vom kreativen Schaffen der Buben und Mädchen.
„Literatur. Erlebnis. Oberschwaben“. Diese drei Schlagworte stehen über dem Magazin als Ergebnis der Aktivitäten, die sich um Geschichten, Persönlichkeiten und Museen ranken und dazu Berichte liefern.
Sie gelten bedeutenden Männern, wie Franz Carl Hiemer, einem Multitalent aus Rottenacker. Von ihm stammt das berühmte HölderlinPorträt. Im Heimatmuseum „Wirtle Haus“seines Heimatdorfes ist ihm eine Gedenkstätte gewidmet. Riedlingen hat eine solche für Werner Dürrson im Kapuzinerkloster. Nicht nur dort war seiner Dichterworte gedacht worden. Sie hingen auf Fahnen an Hauswänden oder wurden auf dem Wochenmarkt verteilt, während Kinder und Erwachsene musizierten. Schließlich war Dürrson 1954 Weltmeister auf der Mundharmonika. Das war im Oktober 2019, bevor Corona die Welt lähmte. Mit Cornelius Frommann nur noch auf Distanz zu hören war Dürrson einige Monate später an einem heißen Nachmittag im Schlosshof in Grüningen.
Dem Prediger und Dichter Sebastian Sailer durfte man an seinen Wirkungsstätten in Obermarchtal und Dieterskirch begegnen. In Oberstadion galt das Interesse Christoph von Schmid, dem Verfasser des Weihnachtsliedes „Ihr Kinderlein kommet“. Im Schloss in Meßkirch wird dem Philosophen Martin Heidegger Ehre erwiesen, einem Sohn der Stadt. Auch darüber informiert das Magazin im Netz. Es würdigt zudem Abraham a Sancta Clara, den wortgewaltigen Prediger seiner Zeit. In der Pfarrscheuer in Kreenheinstetten wird seiner gedacht. Auf ihn bezog sich die Werner Dürrson-Stiftung, als sie die Kapuzinerpredigt neu belebte. Der erste Prediger war Arnold Stadler, ein oberschwäbischer Schriftsteller, der mit seinem neuen Buch ebenfalls Eingang ins LiO-Magazin fand.
Die „Rollende Schwabenkanzel“beschäftigte sich an verschiedenen Orten – auch – mit teils abstrusen
Verschwörungstheorien um das Corona-Virus. Ihm getrotzt wurde im „Garten der Anschaulichkeit“in Altheim. „Wie man private Gärten zum philosophischen Lustwandeln ertüchtigt, erprobte das LiO-Netzwerk zu Corona-Zeiten“, heißt es dazu. Raimund Kolb befasste sich an diesem Sommernachmittag mit Georg Wilhelm Friedrich Hegel, dessen 250. Geburtstag gefeiert wurde. Hugo Brotzer kam mit schwäbischer Mundart zu Wort.
Sonnige Stunden waren auch den Autoren Markus Orth in Neufra und Joachim Zelter in Wilflingen beschert. Beide durften Schloss-Areale nutzen, um aus ihren Werken zu lesen und „umsonst und draußen“zu begeistern.
Entsteht der Eindruck, als ob das Literaturnetzwerk Oberschwaben eines nur für Männer ist, so trügt der Schein. Führte die Schauspielerin Christine Oberländer mit Eduard Mörike und Friedrich Hölderlin in die Vergangenheit, so war es insgesamt 17 Autorinnen aus Oberschwaben gestattet, sich und ihre eigenen Werke zu präsentieren im „Marienland“, jener Region, in der die drei Marien wirkten: Maria Beig, Maria Menz und Maria Müller-Gögler. In ihrer Nachfolge kamen Frauen mit ganz unterschiedlichen Texten zu Wort, Autobiografischem, witzigen
Glossen, berührenden Lebensgeschichten, auch in Mundart und zu Musik. Jeweils fünf Protagonistinnen präsentierte Annette Rieger als Moderatorin, unter anderem in Jüngers Garten in Wilflingen oder im Garten des Kapuzinerklosters in Riedlingen. Ein virtueller gemeinsamer Workshop des Literaturnetzwerkes und der Werner Dürrson-Stiftung unter der Leitung der Autorin Nina Blazon animierte zudem zu Jahresbeginn Frauen zum Schreiben.
Interesse weckt schließlich noch das Dorfschauspiel in Rottenacker, an dem Bürger und Bürgerinnen, Buben und Mädchen beteiligt waren. Sie erweckten „die Geschichte aus dem Museum zum Leben“, ein Erlebnis für Mitwirkende und Zuschauer. Das war im Oktober 2019 und damit zu einer Zeit, in der man sich noch begegnen durfte. Es bleibt die Hoffnung, dass sie wieder kommt.
Aufzurufen ist das Magazin unter im
„Rückschau LEO-Projekt“
Internet unter https://lio-netzwerk.org/. Unter dieser Adresse kann auch in die Vorträge der Autorinnen des „Marienlandes“reingehorcht und reingeschaut werden, in die im Käfermalgarten entstandenen Trickfilme der Kinder.