Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Digitale Erinnerung an reges Kulturlebe­n

Literaturn­etzwerk Oberschwab­en schaut auf Veranstalt­ungen zurück

- Von Waltraud Wolf

REGION - Nach Ausbruch der Corona-Pandemie wurde das kulturelle Leben auch in Oberschwab­en ausgebrems­t. Viele Veranstalt­ungen mussten im vergangene­n Jahr abgesagt werden. Dennoch gab es einige Ausnahmen. „Umsonst und draußen“hatte das Literaturn­etzwerk Oberschwab­en Events im Freien überschrie­ben, wozu es einlud. Ein Magazin weckt Erinnerung­en daran, aber auch an Projekte, die vor Corona zu anregenden Gemeinscha­ftserlebni­ssen wurden. Ursprüngli­ch sollte es gedruckt werden, doch weil auch die Verteilung in Corona-Zeiten schwierig ist, muss sich ins Internet begeben, wer darin blättern will.

In der Einleitung des Magazins wird auf die „Lernende Kulturregi­on Schwäbisch­e Alb“eingegange­n, ihre Entstehung und Förderer. Betont wird: „Das Literaturn­etzwerk Oberschwab­en (LiO) ist ein zukunftswe­isendes Musterbeis­piel für die Bedeutung der Literatur im ländlichen Raum – und umgekehrt: Denn gerade die Literatur hat nicht nur in kulturelle­n Zentren ihren Platz, sondern kommt oft vom Rande (und vom Lande) her und sollte da auch greifbar und kulturstif­tend bleiben.“Betont wird die Zusammenar­beit mit dem Deutschen Literatura­rchiv Marbach,

der Arbeitsste­lle für literarisc­he Museen, Archive und Gedenkstät­ten. Nicht zuletzt wird auf die Modellregi­on und den Kulturspie­lplatz von Leader Oberschwab­en hingewiese­n.

Das Titelfoto vom „Waldgang auf Jüngers Spuren“führt hinein in die Aktivitäte­n und hinaus ins Freie. Der Jahrhunder­t-Autor wurde zudem Kindern nahegebrac­ht und zwar auch als leidenscha­ftlicher Insektensa­mmler. Das Ergebnis der „Käfertage im Malgarten“unter der Leitung der Filmemache­rin Monika Nuber kann nicht nur nachgelese­n werden. Ein Video gib Zeugnis vom kreativen Schaffen der Buben und Mädchen.

„Literatur. Erlebnis. Oberschwab­en“. Diese drei Schlagwort­e stehen über dem Magazin als Ergebnis der Aktivitäte­n, die sich um Geschichte­n, Persönlich­keiten und Museen ranken und dazu Berichte liefern.

Sie gelten bedeutende­n Männern, wie Franz Carl Hiemer, einem Multitalen­t aus Rottenacke­r. Von ihm stammt das berühmte HölderlinP­orträt. Im Heimatmuse­um „Wirtle Haus“seines Heimatdorf­es ist ihm eine Gedenkstät­te gewidmet. Riedlingen hat eine solche für Werner Dürrson im Kapuzinerk­loster. Nicht nur dort war seiner Dichterwor­te gedacht worden. Sie hingen auf Fahnen an Hauswänden oder wurden auf dem Wochenmark­t verteilt, während Kinder und Erwachsene musizierte­n. Schließlic­h war Dürrson 1954 Weltmeiste­r auf der Mundharmon­ika. Das war im Oktober 2019, bevor Corona die Welt lähmte. Mit Cornelius Frommann nur noch auf Distanz zu hören war Dürrson einige Monate später an einem heißen Nachmittag im Schlosshof in Grüningen.

Dem Prediger und Dichter Sebastian Sailer durfte man an seinen Wirkungsst­ätten in Obermarcht­al und Dieterskir­ch begegnen. In Oberstadio­n galt das Interesse Christoph von Schmid, dem Verfasser des Weihnachts­liedes „Ihr Kinderlein kommet“. Im Schloss in Meßkirch wird dem Philosophe­n Martin Heidegger Ehre erwiesen, einem Sohn der Stadt. Auch darüber informiert das Magazin im Netz. Es würdigt zudem Abraham a Sancta Clara, den wortgewalt­igen Prediger seiner Zeit. In der Pfarrscheu­er in Kreenheins­tetten wird seiner gedacht. Auf ihn bezog sich die Werner Dürrson-Stiftung, als sie die Kapuzinerp­redigt neu belebte. Der erste Prediger war Arnold Stadler, ein oberschwäb­ischer Schriftste­ller, der mit seinem neuen Buch ebenfalls Eingang ins LiO-Magazin fand.

Die „Rollende Schwabenka­nzel“beschäftig­te sich an verschiede­nen Orten – auch – mit teils abstrusen

Verschwöru­ngstheorie­n um das Corona-Virus. Ihm getrotzt wurde im „Garten der Anschaulic­hkeit“in Altheim. „Wie man private Gärten zum philosophi­schen Lustwandel­n ertüchtigt, erprobte das LiO-Netzwerk zu Corona-Zeiten“, heißt es dazu. Raimund Kolb befasste sich an diesem Sommernach­mittag mit Georg Wilhelm Friedrich Hegel, dessen 250. Geburtstag gefeiert wurde. Hugo Brotzer kam mit schwäbisch­er Mundart zu Wort.

Sonnige Stunden waren auch den Autoren Markus Orth in Neufra und Joachim Zelter in Wilflingen beschert. Beide durften Schloss-Areale nutzen, um aus ihren Werken zu lesen und „umsonst und draußen“zu begeistern.

Entsteht der Eindruck, als ob das Literaturn­etzwerk Oberschwab­en eines nur für Männer ist, so trügt der Schein. Führte die Schauspiel­erin Christine Oberländer mit Eduard Mörike und Friedrich Hölderlin in die Vergangenh­eit, so war es insgesamt 17 Autorinnen aus Oberschwab­en gestattet, sich und ihre eigenen Werke zu präsentier­en im „Marienland“, jener Region, in der die drei Marien wirkten: Maria Beig, Maria Menz und Maria Müller-Gögler. In ihrer Nachfolge kamen Frauen mit ganz unterschie­dlichen Texten zu Wort, Autobiogra­fischem, witzigen

Glossen, berührende­n Lebensgesc­hichten, auch in Mundart und zu Musik. Jeweils fünf Protagonis­tinnen präsentier­te Annette Rieger als Moderatori­n, unter anderem in Jüngers Garten in Wilflingen oder im Garten des Kapuzinerk­losters in Riedlingen. Ein virtueller gemeinsame­r Workshop des Literaturn­etzwerkes und der Werner Dürrson-Stiftung unter der Leitung der Autorin Nina Blazon animierte zudem zu Jahresbegi­nn Frauen zum Schreiben.

Interesse weckt schließlic­h noch das Dorfschaus­piel in Rottenacke­r, an dem Bürger und Bürgerinne­n, Buben und Mädchen beteiligt waren. Sie erweckten „die Geschichte aus dem Museum zum Leben“, ein Erlebnis für Mitwirkend­e und Zuschauer. Das war im Oktober 2019 und damit zu einer Zeit, in der man sich noch begegnen durfte. Es bleibt die Hoffnung, dass sie wieder kommt.

Aufzurufen ist das Magazin unter im

„Rückschau LEO-Projekt“

Internet unter https://lio-netzwerk.org/. Unter dieser Adresse kann auch in die Vorträge der Autorinnen des „Marienland­es“reingehorc­ht und reingescha­ut werden, in die im Käfermalga­rten entstanden­en Trickfilme der Kinder.

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Im „Marienland Oberschwab­en“kamen Autorinnen mit eigenen Werken zu Wort.

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