Drähte der Kummer-Nummer laufen heiß
Telefonseelsorge Ulm/Alb-Donau-Kreis stark gefragt – Angebot soll Suizide verhindern
● ULM/ALB-DONAU-KREIS - Ein Jahr der Pandemie in Zahlen der Telefonseelsorge ausgedrückt: 87 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, 10 476 Dienststunden, 15 596 Kontakte per Telefon oder Internet mit einer durchschnittlichen Dauer von 26 Minuten und 28 Sekunden.
„Corona spielt und spielte eine große Rolle“, sagt Stefan Plöger, der 23 Jahre zusammen mit Renate Breitinger die Führungsspitze der regionalen Telefonseelsorge bildet, die auch für den Alb-Donau-Kreis zuständig ist. Nun hören die beiden auf und legen die Verantwortung in die jüngeren Hände von Claudia Köpf und Silke Streiftau. Ein Rück- und Ausblick.
Wo sich die Telefonseelsorge befindet, ist geheim. Denn ein Grundpfeiler des durch die Dekanate und Kirchenbezirke finanzierten Hilfsangebots ist die völlige Anonymität des Gesprächs auf beiden Seiten. „Wir wollen nicht, dass die Menschen mit Sorgen hier vor der Tür stehen“, sagt Plöger. In Anbetracht eines Einzugsgebiets von einer Million Menschen wäre das ohne Geheimhaltung wohl unvermeidlich. „Corona spielte im vergangenen Jahr eine große Rolle“, sagt der Psychotherapeut. Die Pandemie sei so etwas wie die „Stunde der Telefonseelsorge“.
In der ganzen Bandbreite: Von Studenten, denen in der fremden Stadt Ulm wegen Corona die Decke auf den Kopf fällt, über Selbstständige, die ihr Lebenswerk den Bach runter gehen sehen bis zu potenziellen Selbsttötungsgefährdeten. Bei den Anrufen der Kummer-Nummer war im vergangenen Jahr knapp neun Prozent „Suizidalität“der Auslöser. Bei Mails sogar 41, in den Chats per App 31 Prozent. Werte, die im Vergleich mit den Zahlen des Jahres 2019 ziemlich konstant sind.
Konstant auch die Dienststunden der 87 auf Extremsituationen geschulten Mitarbeiter. Ausgelastet sei das Team auch ohne Corona. Deswegen lasse sich auch nicht sagen, ob es durch die Sorgen rund um die Pandemie mehr Hilferufe gab. Aber Plöger weiß, dass das teilweise „schlechte Durchkommen“durchaus ein Thema war.
Was dem Seelsorge-Team auffiel: Die Pandemie habe als „Verstärker“für die ohnehin unter psychischen Erkrankungen leidenden Menschen gewirkt. Wer sich ohnehin öfters einsam fühlt, fühlt sich seit Corona noch einsamer. Und wer unter vielfältigen Ängsten leidet, leidet jetzt auch noch zusätzlich unter Virus-Angst. Knapp 21 Prozent der telefonischen Hilferufe hatten Einsamkeit als zentrales Problem, knapp 18 Prozent eine depressive Stimmung.
Auch mit Hass, Aggression und sexueller Belästigung haben es die zu zwei Dritteln weiblichen ehrenamtlichen Mitarbeiter der Telefonseelsorge immer wieder zu tun. Es gebe durchaus „rote Linien“, die beim Überschreiten zu einer Beendigung des Kontakts führen. Doch ein großes Problem, die den Ablauf des Angebots wirklich stören, seien derartige Anrufe nicht.
Oft gelinge es den Mitarbeitern auch, nach einer anfänglichen Aggression des Hilfesuchenden durch geschulte Gesprächsführung, zum Kern des Problems durchzudringen. „Es ist unrealistisch, dass wir Ratschläge geben könne, die alles verbessern“, sagt Plöger. Doch manchmal seien es auch kleine Dinge, die