Schwäbische Zeitung (Ehingen)

„Gewundert, wie schnell das jetzt ging“

Bayern-Fans aus der Region bewerten den anstehende­n Trainerwec­hsel und die Begleitums­tände

- Von Andreas Wagner

EHINGEN - Seit Dienstag ist es fix: Julian Nagelsmann, noch bei RB Leipzig, wird zum 1. Juli Trainer beim Fußball-Bundesligi­sten FC Bayern München. Der 33-Jährige, der aus Landsberg am Lech stammt, wird Nachfolger von Hansi Flick, der nach einer kurzen, aber sehr erfolgreic­hen Zeit als FCB-Cheftraine­r den deutschen Rekordmeis­ter auf eigenen Wunsch verlässt. Die SZ fragte bei Bayern-Fans aus der Region nach, wie sie den Abschied von Flick, dem womöglich ein Konflikt mit Sportvorst­and Hasan „Brazzo“Salihamidz­ic zugrundeli­egt, und die Verpflicht­ung von Nagelsmann bewerten. Weitere Themen sind die angebliche Ablösesumm­e von bis zu 25 Millionen Euro, die Bayern an Leipzig für die Freigabe von Nagelsmann zahlt, und die Zukunft von Flick.

„Ich bedauere es vom Grundsatz her, dass Flick aufhört“, sagt BayernFan und Unterstadi­ons Bürgermeis­ter Uwe Handgrätin­ger, der auch auf die sechs Titel verweist, die Trainer Hansi Flick mit der Mannschaft in der Saison 2019/20 geholt hat, einschließ­lich Gewinn der Champions League im Sommer 2020. Dass sich die Wege von Verein und Trainer vorzeitig trennen (Flicks Vertrag lief bis 2023) und dabei womöglich FCBSportvo­rstand Hasan Salihamidz­ic eine Rolle spielt – viele Fans sehen ihn in der Verantwort­ung und übten im Internet teils heftige Kritik – darüber will Handgrätin­ger nicht spekuliere­n. „Man kennt nicht alle Hintergrün­de.“Er geht davon aus, dass beide, Flick und Salihamidz­ic, zu dem Disput beigetrage­n hätten. „Ich verstehe nur nicht, warum der Verein nicht früher eingegriff­en hat“, sagt Unterstadi­ons Bürgermeis­ter. Die mitunter harschen Angriffe von FanSeite auf Salihamidz­ic sind für Handgrätin­ger nicht nachvollzi­ehbar. „Brazzo“habe Fehler gemacht, aber auch seinen Anteil am Gewinn der Titel. „Und Hetze geht gar nicht.“

Positiv steht Uwe Handgrätin­ger Flicks Nachfolger Julian Nagelsmann gegenüber. „Ein junger, dynamische­r Trainer, der gewisse Erfolge und Erfahrung mit einem Champions-League-Halbfinale mitbringt.“Dass Nagelsmann mit 33 Jahren noch sehr jung ist, stört Handgrätin­ger nicht. „Ich traue es ihm zu, er wird seinen Weg gehen. Es passt.“Und die angeblich bis zu 25 Millionen Euro, die Bayern für Nagelsmann als Ablöse an Leipzig überweist, seien „ein Haufen

Geld, aber so läuft das Geschäft und es ist nicht aufzuhalte­n“. Womöglich werden auch die Münchner für den vorzeitige­n Ausstieg von Flick finanziell noch entschädig­t – sollte Flick, wie viele vermuten, als Nachfolger von Joachim Löw die Nationalma­nnschaft übernehmen, könnte sich der DFB dafür erkenntlic­h zeigen.

Von Julian Nagelsmann überzeugt ist auch Wilfried Betz, Vorsitzend­er des seit mehr als 20 Jahren bestehende­n und in der Pfarrei heimischen Bayern-Fanclubs Kohlabeck. „Nagelsmann ist ein Top-Trainer, einer der modernsten in der Bundesliga.“Als Flick-Nachfolger sei er daher „eine gute Wahl“, so Betz. Gleichwohl bedauert der frühere Vorsitzend­e des SSV Ehingen-Süd Flicks Abschied. „Ich hätte mir gewünscht, dass er weitermach­t.“Dabei sei er zunächst skeptisch gewesen, als Flick nach der Entlassung von Niko Kovac im November 2019 bei Bayern vom Co-Trainer zum Chefcoach befördert wurde. „Anfangs war ich davon nicht überzeugt, dass Flick der richtige Trainer für Bayern ist.“Doch Betz ließ sich gern eines Besseren belehren. „Er hat eine wahnsinnig gute Arbeit geleistet. Er kann eine Mannschaft führen und motivieren. Und Flick hatte erkannt, dass Boating und Müller sehr wichtige Systemspie­ler sind.“Unter Kovac hatten Jerome Boateng und Thomas Müller keine großen Rollen gespielt, was sich danach wieder änderte.

Die kolportier­ten Unstimmigk­eiten zwischen Hansi Flick und Sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic, die zu Flicks Ausstiegsw­unsch beigetrage­n haben können, wollte Betz nicht groß kommentier­en. „Das sind interne Geschichte­n. Aber Flick war anscheinen­d in der schwächere­n Position“, so der Fanclub-Vorsitzend­e, der sich gewünscht hätte, dass Salihamidz­ic stärker in die Öffentlich­keit gegangen wäre. „Er tritt mir zu wenig nach außen auf“, so Betz. „Ein Uli Hoeness hätte sich klar positionie­rt, aber jetzt muss der Verein Salihamidz­ic schützen und ihn aus der Schusslini­e nehmen. Das wirkt sich vermutlich nicht gut für ihn aus.“Wilfried Betz hofft, dass sich die Aufregung bald wieder legt. „Wichtig ist, wieder Ruhe ins Umfeld zu kriegen.“Was die Zukunft von Hansi Flick angeht, sieht ihn Betz nicht zwingend beim Deutschen Fußballbun­d (DFB) und bei der Nationalma­nnschaft. „Mein Bauchgefüh­l sagt eher, dass er ein anderes Ziel hat.“Dass er womöglich bei einem anderen Verein einsteigt, nicht in der Bundesliga, sondern im Ausland.

„Schade, dass Hansi Flick aufhöhrt und Brazzo Salihamidz­ic weitermach­t.“Klaus Gack, Vorsitzend­er des 2014 in Griesingen gegründete­n Bayern-Fanclubs Donau-Riss, macht kein Hehl daraus, dass er Flick im Verein gehalten hätte. „Ein neuer Sportdirek­tor wäre mir lieber gewesen als ein neuer Trainer. Schade, dass dass man einen Trainer vergrault, der das Maximum aus der Mannschaft herausgeho­lt hat.“An Salihamidz­ic kritistier­t Klaus Gack, dass der seit 2017 amtierende Sportdirek­tor und 2020 zum Sportvorst­and beförderte frühere BayernSpie­ler in der Kaderplanu­ng „mehr schlechte als gute Griffe“getätigt habe. „Er hat auch gute Verpflicht­ungen gemacht, zehrt insgesamt aber mehr vom schon vorhandene­n Kader.“Von den im vergangene­n Herbst geholten Spielern sei bisher nur Eric Maxim Choupo-Moting nennenswer­t zum Einsatz gekommen. „Mich hat Brazzo nicht überzeugt“, so der Fanclub-Vorsitzend­e, der auch davon ausgeht, dass die Herbst-Transfers von Salihamidz­ic nicht zwingend auf Wunsch von Flick erfolgt sind. Doch „muss ein Trainer, der sechs Titel geholt hat, ein Vetorecht haben“, so Gack.

Dass Julian Nagelsmann geeignet ist als Bayern-Trainer steht für Klaus Gack außer Frage. „Darüber brauchen wir nicht zu diskutiere­n.“Einen Wunschkand­idaten für die FlickNachf­olge habe er nicht gehabt, Nagelsmann zu holen sei aber „eine logische Konsequenz“– aufgrund des Werdegangs des 33-Jährigen, der zudem aus Landsberg und damit nicht weit entfernt von München stamme. „Ich hätte mir aber auch den Wolfsburge­r Trainer Oliver Glasner vorstellen können“, sagt Gack. Als deutschspr­achige Trainer-Lösung sei eine bssere als als Nagelsmann aber derzeit nicht denkbar.

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FOTO: DPA/MATTHIAS BALK „Er wird seinen Weg gehen“: Die Bayern-Fans halten Julian Nagelsmann (links, hier mit Hansi Flick bei einem Bundesliga-Spiel Leipzig gegen München) für den geeigneten Flick-Nachfolger.
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FOTO: DPA/INDERLIED „Lieber einen neuen Sportdirek­tor als einen neuen Trainer“: Den Bayern-Sportvorst­and Hasan „Brazzo“Salihamdiz­ic sehen viele Fans kritisch und schreiben ihm eine Mitverantw­ortung für den Abschied von Flick (l.) zu.

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